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„Die Indianer und die während eines achtjährigen Aufenthaltes unter den wildesten ihrer Stämme erlebten Abenteuer und Schicksale“ in der Neuausgabe des Continent-Verlages von 1924 in die Hände bekam, las ich mich sogleich fest. Schon auf den ersten Seiten wurde ich lebhaft an Karl Mays Erzählungen erinnert, und manche vertraute Einzelheit aus dem Leben der Indianer fand sich wieder. Catlin beschreibt im fünften Kapitel einen Schwarzfuß-Häuptling folgendermaßen:

      „Es gibt vielleicht, mit Ausnahme der Krähen-Indianer, keinen Stamm in Nordamerika, der sich bequemer und prächtiger kleidet, als die Schwarzfüße… die Näherei und die Verzierungen mit den Stacheln des Stachelschweines, die einen Hauptschmuck ihrer Staatskleider bilden, bei jedem Stamme verschieden… So bestand z.B. die Kleidung des erwähnten Häuptlings, den ich zeichnete, in einem Hemde oder einer Tunika aus zwei Hirschhäuten, mit dem Halsteile abwärts und so aneinander gefügt, daß die Hinterläufe zusammengenäht waren und die Nähte längs des Armes von den Schultern bis zu den Handknöcheln hinliefen. Jede Naht war mit einer zwei Zoll breiten, sehr schönen Stickerei von Stacheln des Stachelschweines bedeckt und von dem unteren Rande dersebeln, von der Schulter bis zur Hand, hingen Fransen von schwarzem Haar, das er den von ihm im Gefecht getöteten Feinden geraubt hatte. Die Beinkleider bestanden aus demselben Stoff und von der Hüfte bis zum Fuße hinab war ein Streifen von gleicher Breite, und auf gleiche Weise mit Stacheln und Haarlocken verziert, angebracht. Letztere werden von den Skalpen entnommen und als Siegeszeichen getragen.“

      Spätestens bei der Erwähnung der Stachelschweinverzierungen ist der Karl-May-Leser aufmerksam geworden. Stachelschweinborsten zierten auch die Mokassins Winnetous, und mit Menschenhaar waren auch seine Leggins geschmückt. Noch mehr erinnerte mich jedoch die Beschreibung eines Mandanen-Häuptlings an Winnetou. Catlin schrieb, dass Häuptling Mahtotohpa (Die vier Bären) nicht nur ein sehr beliebter Häuptling war (obwohl nur zweiter Häuptling), sondern auch sehr gut aussah. Seine Beschreibung nimmt zwei ganze Seiten ein, wobei Catlin auch besonderen Wert auf die Ausrüstungsgegenstände des Häuptlings legte. Sehr häufig beschrieb er auch den herrlichen Haarwuchs der Indianerstämme, wobei die Krähenindianer besonders hervortraten. Wie man sich erinnert, trug Winnetou sein Haar „zu einem Schopfe gewunden“. Catlin erwähnte einen Häuptling der Krähen-Indianer, der „Langhaar“ genannt wurde. „Sublette und Cambell maßen es und fanden es zehn Fuß und sieben Zoll lang; auch überzeugten sie sich, dass es durchaus sein eigenes Haar sei Er umwindet es gewöhnlich vom Kopfe an mit einem breiten Lederriemen und wickelt es dann auf zu einem zehn bis zwölf Zoll langen und einige Pfund schweren Knäuel, das er beim Gehen unter dem Arm oder auf der Brust in den Falten des Kleides trägt“. (S. 33) Nun, wenn auch Karl May ein Indianerhäuptling mit einer solchen Last ein wenig ungewöhnlich vorgekommen sein mag, so hat ihm doch vielleicht die Haarmenge und das von Catlin als so wunderschön beschriebene Haar der Krieger gefallen. So wurde auch Winnetou mit dieser Pracht ausgestattet, wenngleich mit einem etwas kürzeren Haarwuchs: „Auch er trug den Kopf unbedeckt und hatte das Haar zu einem Schopfe aufgewunden, aber ohne es mit einer Feder zu schmücken. Es war so lang, dass es dann noch reich und schwer auf den Rücken niederfiel. Gewiss hätte ihn manche Dame um dieses herrliche, blau schimmernde schwarze Haar beneidet“. (Bd. 7, Fehsenfeid, S. 109/110). Nach Catlin trugen die meisten Indianer ihr Haar lang herunterhängend. Je nach Stammesritte wurde es mit rotem Lehm verziert, mit Bärenfett eingerieben oder nur der Scheitel bemalt. Er erwähnte auch eine ähnliche Sitte wie Karl May, nämlich das Haar zu einer Art Schopf aufgewunden zu tragen. Vom Sioux-Häuptling Hawandschitah (Das eine Horn) berichtete Catlin: „Sein Anzug von Elenhaut war sehr schön und mit vielen Stachelschweinstacheln und Skalplocken verziert; sein sehr langes und starkes Haar war in zwei Teile geteilt, auf dem Scheitel gekreuzt und mit einem einfachen Bande gebunden, so dass es das Ansehen eines Turbans hatte“. (S. 139) Weiter berichtete er über diesen Häuptling, dass verschiedene Horden, die jeweils ihren eigenen Häuptling hätten, unter seinem Oberbefehl standen: ,Ich erwähnte oben, dass die Sioux sich oft in großer Menge bei dem Fort Pierre versammeln, um mit der amerikanischen Pelzkompagnie Handel zu treiben und dass ich bei meiner Fahrt stromaufwärts 600 Familien daselbst fand, die in Zelten von Büffelhäuten wohnten und zwanzig oder mehr verschiedenen Horden angehörten, deren jede ihren Häuptling hatte, die sämtlich wieder unter einem Oberhaupte, namens Hawandschitah (das eine Horn) standen“. (S. 139) Wenn damit vielleicht auch nicht widerlegt wird, dass es keine Häuptlinge gab, die uneingeschränkt Herrscher über größere Stammesverbände oder gar ganze Stämme waren, so könnte doch diese Angabe Karl May veranlasst haben, in Winnetou und dessen Vater Häuptlinge darzustellen, deren Macht von zahlreichen Indianerstämmen bzw. Untergruppen anerkannt wurde. Im Verlauf dieser Abhandlung werde ich noch auf zahlreiche Einzelheiten hinweisen, die nach meiner Ansicht Karl May von George Catlin übernommen hat. Literarischen Diebstahl hat er mit Sicherheit nicht begangen, soviel sei vorweggesagt. Catlins Buch ist vielmehr Quelle, Nachschlagewerk gewesen, wie auch Browns „Reise durch das Apachenland“. Vermutlich hat May Catlins Werk mit großer Begeisterung gelesen, vieles in seinem Unterbewusstsein verankert, um es später noch einmal genau nachzuschlagen und dann in seine Romane zu übernehmen. Neben einem anderen Werk, das sich mit den Indianersprachen beschäftigte (Gatschet, Zwölf Sprachen aus dem Südwesten Nordamerikas, vgl. auch Sonderheft 1, Poppe, Marah Durimeh, S. 6ff), benutzte Karl May Catlins Werk vor allem zu Beginn der Erzählungen, die in Amerika spielen und die Lebensgewohnheiten der Indianer beschreiben. Das brachte seinen Werken ja erst den Ruf tatsächlich geschehener Reisebegebenheiten: Die genauen Landschaftsschilderungen und die Beschreibungen der Gebräuche und Gewohnheiten der Eingeborenen. Kaum jemand ahnte oder dachte daran, dass Karl May sich alles vorher erst angelesen hatte.

      Zum Abschluss dieses Abschnittes gebe ich noch die Beschreibung Winnetous und Intschu-tschunas nach der Fehsenfeld-Ausgabe von „Winnetou I“, damals noch mit dem Untertitel „Der rote Gentleman“ versehen (23.30. Tsd., S. 109/110):

      „Der Aeltere war von etwas mehr als mittler Gestalt… Sein Kopf war unbedeckt; das dunkle Haar hatte er in einen helmartigen Schopf aufgebunden, in welchem eine Adlerfeder, das Zeichen der Häuptlingswürde, steckte. Der Anzug bestand aus Mokassins, ausgefransten Leggins und einem ledernen Jagdrocke, dies alles sehr einfach und dauerhaft gefertigt… In der Hand hielt er ein doppelläufiges Gewehr, dessen Holzteile dicht mit silbernen Nägeln beschlagen waren… Der Jüngere war genau so gekleidet wie sein Vater, nur daß sein Anzug zierlicher gefertigt worden war. Seine Mokassins waren mit Stachelschweinsborsten und die Nähte seiner Leggins und des Jagdrockes mit feinen, roten Nähten geschmückt. … Auch er trug den Kopf unbedeckt und hatte das Haar zu einem Schopfe aufgewunden, ohne es aber mit einer Feder zu schmücken. Es war so lang, daß es dann noch reich und schwer auf den Rücken niederfiel… und dann glaubte ich zu bemerken, daß in seinem ernsten, dunklen Auge, welches einen sammetartigen Glanz besaß, für einen kurzen Augenblick ein freundliches Licht aufglänzte, wie ein Gruß, den die Sonne durch eine Wolkenöffnung auf die Erde sendet…“

      Übrigens geniert sich Old Shatterhand nicht zuzugeben, dass er seine Kenntnisse über den „Wilden Westen“ und die Indianer aus Büchern hat. Als er Sam Hawkens etwas über die Bestattungsarten der Indianer erzählt, und dieser wissen will, woher das „Greenhorn“ seine Kenntnisse habe, antwortete Old Shatterhand: „Aus den Büchern, von denen Ihr nichts wissen wollt“. (Bd.7, S.163)

      Auch etwas später geht es um Wissen, das aus Büchern gewonnen wurde. „Nicht übel gedacht. Steht so etwas auch in Euren Büchern zu lesen, Sir?“ „Wörtlich und genau auf diesen Fall passend nicht; aber es kommt darauf an, wer ein solches Buch liest und wie er es liest. Man kann wirklich viel daraus lernen und dann in der Wirklichkeit für andere, ähnliche Fälle anwenden.“ (S. 166) Sicherlich ließen sich noch mehr Beispiele für ähnliche Äußerungen Shatterhands finden. Es kommt also darauf an, wie man die Bücher liest – und wie man sie auswertet. Karl May hat es geradezu meisterhaft verstanden, das ihm vermittelte Wissen auszuwerten und geschickt in den Handlungsablauf einzustreuen. Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Kiowas nutzte er, um ein paar Worte über die „Medizin“ des Indianers, sein größtes Heiligtum, einzuflechten: „Ein Indianer, welcher ohne Skalplocke und Medizin in die ewigen Jagdgründe gelangt, wird dort von den verstorbenen Helden mit Verachtung empfangen und hat, während sie in allen indianischen Genüssen schwelgen, sich vor den Augen dieser Glücklichen zu verbergen. Das ist der Glaube der Roten“. (S. 203) Wenig später nutzt

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