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Der deutsche Heftroman, volkstümlich noch immer Groschen oder Dreigroschenroman genannt, braucht auf ein derartiges Ballyhoo gewiss nicht zu spekulieren, obwohl auch er rieh nun der imaginären Jubelzahl nähert. Aber wenn schon dem Mimen angeblich die Nachwelt keine Kränze winden mag, uni wieviel weniger wird das einem Geburtstagskind geschehen können, das wie kaum ein zweites seit der Geburt geschmäht, verleugnet und in seiner Existenz bedroht worden ist. In der Tat sind die Anwürfe, denen sich der Heftroman in Deutschland seit Anbeginn ausgesetzt sah, fast Legion. Und wie ein imaginärer Stafettenstab wurde die Behauptung vom Stigma des „Schmutzig-Schundigen“ durch die Generationen der akademischen Übelnehmer gereicht.

      Die Blende pauschaler Voreingenommenheit stand schon bald so fest aus sich heraus, dass sie kaum noch der Stützung bedurfte. Es soll hier nun keineswegs einem Schrifttum eine Lanze gebrochen werden, dessen Produkte fast durchweg oberflächlich, in literarischer Wertung belanglos – wobei es Ausnahmen durchaus gibt im Ästhetisch-Geschmacklichen meist hilflos waren. Es ist aber auch nicht einzusehen, dass es nun unbedingt nötig wäre, eine Publikationsform – den Heftroman – ständig an der Elle einer anderen – der Hochliteratur – zu messen. Das muss einfach ein schiefes Bild ergeben, ohne dass ein Aussagewert entstünde.

      Dass der Heftroman trotz allem in ein nunmehr bereits patriarchalisches Alter strebt, kann eigentlich die Ursache nur in einem permanent erfolgreichen Umsetzen seines Wollens haben: Unterhaltung und Entspannung zu gewähren. Dass dies in einer Form geschah, die kaum Räume für unterschwellig injizierte Wissens- oder Bildungskomponenten ließ, wurde von den Verdammungstheoretikern seit Schimmelpfennig und Brunner über die Reichsschrifttumskammer bis hin zu den neuformierten Schützen der frühen fünfziger Jahre mit äußerstem Misstrauen gesehen. Unterhaltung nur um der Unterhaltung willen war wohl bereits suspekt, ohne dass man sich die Mühe zu machen brauchte, allzu sehr ins Detail zu gehen. Wenn heutzutage in Sicht der milieuidentischen Unterhaltungs-Fernseh-Serien hier und dort die gleichen Vorwürfe zu hören sind, die schon immer dem Heftroman galten, nämlich lediglich oberflächliches Amüsement, anspruchslose Entspannung zu gewähren, dann sollte man eigentlich aufhorchen. Noch immer versuchen selbsternannte Bildungsapostel im Hintergrund ihre Fäden zu ziehen, legitime Publikumswünsche ignorierend.

      Den Heftroman – diese Fabrik der Träume – konnte indes nichts umwerfen. Gewiss, er wankte zu Zeiten bedenklich; so zum Beispiel im Jahre 1916, als 135 Serien als „Schundliteratur“ verboten wurden; auch 1935, als die Reichsschrifttumskammer unter Aktenzeichen L.30 anordnete, jedes Manuskript müsse vor der Veröffentlichung von ihr geprüft und freigegeben werden. Das Verbot der meisten Reihen im September 1939, der endgültige Exitus von Periodika gemeiner Art im Jahre 1941, waren dann ein zwischenzeitlicher Schlusspunkt. Abermalige Quertreibereien in den fünfziger Jahren mit dem Ziel, den Herstellern die Existenzgrundlage zu entziehen, führte 1964 zur Bildung der „Selbstkontrolle Deutscher Romanheftverlage“. Damit war erstmals ein Instrument zur Hand, unqualifizierte Angriffe abzuschlagen.

      Dass der Heftroman also trotz allem nicht fiel, hatte er natürlich über eigene Bemühungen hinaus in nicht geringem Maße seiner Leserschaft zu verdanken, die kaum einmal eingeredeten Bedenken folgte und immer wieder zum „Schmöker“ griff. Betrachtet man den Bogen der Publikationen, den der Heftroman durch die Jahrzehnte spannte, begegnet man einer farbigen Vielfalt, die anzuschauen Vergnügen bereitet. Immer wieder wurden Form, Aussehen und Titelgestalten geändert, ständig glaubte man, es besser, zumindest anders machen zu müssen. Dieses spektrale Band imaginären Erlebens hielt es in bestimmtem Alter nicht die meisten von uns in Faszination? Die edlen Helfer ohne Furcht und von nur geringem Tadel, die Detektive und Reiter, die Pfadfinder, Fremdenlegionäre und Indianer, die Selbstlosen und auch jene mitunter außerhalb der Legalität Stehenden, sie kamen und gingen. Was blieb, war ihre Spur im Wesenlosen; eine jener Marken, die nicht auszulöschen sind.

      2. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg

      Das Geburtsdatum des Heftromans in Deutschland genau zu fixieren, erscheint etwas schwierig angesichts der Frage, ob man nun die diversen Ritter-, Räuber- und Liebesleid-Serien des 19. Jahrhunderts im Lieferungsromancharakter mitzuzählen hat oder nicht. Auch die Reihen des Bartholomäus-Verlages, Erfurt, „Collection Transvaal“, „Collection Buffalo Bill“ und „Collection Fahrten und Abenteuer“ scheinen mir zeitlich vor den Serien zu liegen, die um 1905/1906 im deutschen Sprachraum die am englischamerikanischen Vorbild orientierten Helferfiguren einführten. „Buffalo Bill“ und „Nick Carter“ waren die ersten selbstlosen Samariter wider Ungerechtigkeit und Verbrechen. Ihnen folgten schon bald „Sherlock Holmes – Aus den Geheimakten des Weltdetektivs“ (1907) und „Lord Lister – genannt Raffles, der große Unbekannte“ (1908). Mit der „Lister“-Figur wurde also bereits frühzeitig jener elegante Außenseiter im Frack in den Heftroman gebracht, der es mit der Beachtung bestehender Gesetze nicht so ernst nahm und sie auf seine Weise auslegte. Über seinen Epigonen „John Kling“ wird noch zu berichten sein. Diese frühen Reihen erschienen im großen Format von etwa 28 x 22 cm, in dem dann auch einige weniger bekannt gebliebene Seriennamen herausgebracht wurden: „John Wilson“, „Bill Cannon – Amerikas berühmtester Kriminalkommissar“, „Jesse James“, „Rund um die Welt – Erlebnisse und Schicksale merkwürdiger Menschen“. Während die großformatigen Reihen zumeist 20 Pfennige kosteten, waren die etwas kleiner, ca. 21 x 14 cm, gehaltenen Serien schon um den halben Preis zu haben. Es begann da 1906 mit „Texas Jack – Der berühmteste Indianerkämpfer' und „Berühmte Indianerhäuptlinge“ und setzte sich fort mit „Nat Pinkerton – Der König der Detectivs“, „Ethel King – Ein weiblicher Sherlock Holmes“, „Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff'. Weitere Serien der Zeit, die den Spielraum der Titelgestalten etwas erweiterten, waren „Heinz Brandt – Der Fremdenlegionär“, „Horst Kraft – Der Pfadfinder“, „Klaus Störtebecker – Der gefürchtete Herrscher der Meere“, „Jürgen Peters – Der Schiffsjunge“ und „Konrad Götz – Der Wandervogel“. Diese Folgen liefen zum Teil bis in die ersten Kriegsjahre hinein, ehe sie 1916 dem erwähnten Pauschalverbot zum Opfer fielen. Zu nennen wären in diesem Komplex noch: „Florian Geier – Kämpfe mit den Raubrittern“, „Detektiv John Spurlock – Der Mann mit den 1000 Gesichtern“, „Lord Percy vom Excentric Club“ (später als „Percy Stuart vom Excentric Club“) und speziell für Mädchenaugen gedacht „Prinzessin Übermut“ sowie „Backfischstreiche“.

      Von der äußeren Aufmachung her zeigten die Serien der Frühzeit des deutschsprachigen Heftromans eine starke Verbundenheit zum zeitgenössischen Geschmack, die Titelbilder spiegelten in der Akribie der dargestellten Szenen einstmalige Wertvorstellungen. Beigefügtes Rankenwerk deutete zuweilen Jugendstilnähe an. Oft zierte die Titelliste ein mehr oder weniger markantes Konterfei des Helden, Orientierungsmarke und Warenzeichen zugleich. Der meist dramatischen Titelbildskizze beigegeben wurde ein die Skizze kommentierender Fußsatz, der überwiegend dem Text entnommen war. Außerdem trug jedes Heft den hinweisenden Vermerk, dass es sich um eine abgeschlossene Erzählung handele; die noch nicht überwundene Nachbarschaft der Lieferungsromanwerke blieb spürbar. Diese Art der Aufmachung sollte typisch werden für die Heftperiodika vor dem 1. Weltkrieg. Im Text war oft noch die brutal zynische Ausdrucksweise vergleichbarer Publikationen des 19. Jahrhunderts zu finden. Bemühungen um Sprachniveau blieben selten, die Knüpfung des anstehenden Falles schwach. Auch wenn logischer Geist vermeintlich die Klärung brachte, war letzte Instanz doch die Faust.

      Der Heftroman hatte die Aktion für sich okkupiert.

      3. Die Jahre zwischen den Kriegen

      Die Erscheinungen des Zeitraumes von etwa 1920 bis 1941 kann man eigentlich in zwei Gruppen teilen: Einmal jene Serien, mit denen versucht wurde, an Erfolge der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Dazu gehörte schon 1920 die Neuauflage und Weiterführung der „Percy-Stuart“-Figur, diesmal unter dem Titel „Der neue Excentric Club – Spannende Sport-Erzählungen“. Andere Namen von alten Helden, die ca. 1928/30 wiedererweckt, aber mit neuen Manuskripten bedacht wurden, waren Sherlock Holmes und Nick Carter, jetzt präsentiert als „Der Weltdetektiv“, bzw. „Der neue Nick Carter“. Möglicherweise durch Papierengpässe erzwungen waren die gegenüber den alten Reihen erheblich verkleinerten Formate der Nachkriegsserien, die oft bei 15 x 11 cm lagen. Ausnahmen machten weitere Nachdruckreihen bereits bekannter Namen um 1930: „Nick Carter

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