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Mord aus kühlem Grund. Achim Kaul
Читать онлайн.Название Mord aus kühlem Grund
Год выпуска 0
isbn 9783750231757
Автор произведения Achim Kaul
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Was heißt das?«
»Er ist in Florida, geschäftlich. Dort ist es jetzt«, er schaute auf seine groß dimensionierte Armbanduhr, »7 Uhr 15.«
»Scheint ein Frühaufsteher zu sein.«
»Schlafen gehört nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Er hat mich ausdrücklich gebeten, ihn nur im äußersten Notfall vor seiner Rückkehr anzurufen. Er führt sehr wichtige Verhandlungen mit den Amerikanern und will durch nichts abgelenkt werden. Dass Ihr Vorgesetzter ihn überhaupt telefonisch erreicht hat, ist ein Wunder.«
»Herr Klopfer kann sehr hartnäckig sein«, warf Zweifel ein.
»Jedenfalls muss dieser Herr Klopfer den Vorfall wahnsinnig aufgebauscht haben. Sogar vom BKA hat er gefaselt. Herr Kronberger war einigermaßen beruhigt, nachdem ich ihm die Angelegenheit aus meiner Sicht geschildert habe.«
»Die Leiche haben Sie auch erwähnt?«
»Herr Kronberger ist unterrichtet. Er sagte: ›Nachdem der Mann nun mal tot ist, erübrigen sich für heute weitere Maßnahmen durch mich‹.«
»Klare Aussage«, meinte Zweifel. Schilling sprach nun besonders langsam und betonte jedes einzelne Wort.
»Er sagte außerdem: ›Spätestens morgen Mittag bin ich zurück. Bis dahin keine Störungen mehr, Schilling, unter gar keinen Umständen‹. Ich nehme das wörtlich, Herr Kommissar.«
Zweifel rieb sich mit der linken Hand über seinen Schädel und schaute Schilling prüfend an. Dann fasste er einen Entschluss.
»Ich werde morgen hier sein. Und ich werde der Erste sein, mit dem Herr Kronberger spricht, Herr Schilling. Unter allen Umständen. Ich denke, das ist auch eine klare Aussage. Und jetzt möchte ich, dass Sie meiner Assistentin erläutern, wer in Ihrem Spaßbad wofür zuständig ist, welche Mitarbeiter heute Vormittag hier waren, wie lange diese schon bei Ihnen arbeiten und wie zufrieden Sie mit ihrer Arbeitsqualität sind. Außerdem möchte ich wissen, ob es ein Sicherheitskonzept gibt, wer dafür verantwortlich zeichnet, und ob Sie externe Sicherheitsdienstleister beschäftigen. Falls ja – seit wann. Speziell möchte ich wissen, wer für die Haustechnik zuständig ist und wer die Durchsagen macht. Gibt es eine technische Zentrale, welche die gesamte Anlage elektronisch überwacht und steuert? Wer ist dafür der verantwortliche Mitarbeiter? Und ich möchte, dass Herr Fischli mir alles zeigt.« Zweifel hatte seine Aufzählung beendet, während Schilling versuchte, gelassen zu bleiben, was ihm nicht gelang.
»Sind Sie jetzt fertig?«, platzte es aus ihm heraus. »Das sind verdammt viele Fragen und ich weiß nicht, ob ich …«
»Keine Sorge«, unterbrach ihn Melzick, »ich werde keine Einzige davon vergessen. Wenn Sie freundlicherweise etwas zu Schreiben für mich hätten, können wir sofort anfangen«, sagte sie und strahlte ihn an. Er starrte auf ihre hennaroten Dreadlocks und knirschte zum wiederholten Mal an diesem Tag mit den Zähnen. In diesem Augenblick erschien, wie auf ein Stichwort, John Fischli.
»Ah, Herr Fischli«, sagte Zweifel, »dann können wir ja ebenfalls anfangen.«
Fred bog mit einem tiefen Aufatmen in ihre altvertraute Berliner Straße ein, manövrierte behutsam an den auf beiden Seiten parkenden Autos vorbei und hielt kurz mitten auf der Straße vor ihrem Haus, um die Seitenspiegel einzuklappen. Dann schickte er Johanna nach vorne, damit sie ihn durch den schmalen Torweg in den Hinterhof dirigieren konnte. Elias beorderte er auf den Beifahrersitz, damit er aus dem Seitenfenster den Abstand zur Mauer kontrollierte. Fred war in seinem Element. Im Rangieren eines Wohnmobils machte ihm so schnell keiner was vor. Da konnte ihn so leicht nichts aus der Ruhe bringen, auch nicht die zahlreichen Zuschauer, die in den Nachbarhäusern in den Fenstern lagen und sonst nichts zu tun hatten. Auch Elias war hochkonzentriert bei der Sache und vergaß für kurze Zeit sein Buch, in dem er die letzten fünf Stunden fast ununterbrochen geschmökert hatte. Nach wenigen Minuten stand das Wohnmobil ohne einen Kratzer erlitten zu haben auf seinem Stammplatz zwischen Teppichstangen, Mülltonnen und alten und neuen Fahrrädern. Fred klopfte zum Abschluss dieser Reise dreimal auf’s Lenkrad und stieg beschwingt aus. Johanna war bereits dabei, ihr Reiseinventar auszuladen.
»Nimm schon mal den Korb mit dem Jeschirr«, rief sie ihm aus dem Innern zu. »Elias, du kannst die Wäsche hochtragen. Und denn …« Fred beugte sich durch die offenstehende Seitentür.
»Nu lass uns doch erstmal ankommen. Wir setzen uns auffen Balkong und jönnen uns een kleenes Willkommensbierchen.«
»Mach, wattu willst. Ick hab keene Ruhe, bis die janze Chose ausjeladen is.« Fred verdrehte die Augen und klopfte Elias, der vollbepackt neben ihm auftauchte, auf die Schulter.
»Weeßt du, wat Sklaven sin?« Elias nickte.
»Die gab’s ganz früher in Rom. Die konnte man kaufen.« Fred seufzte.
»Die jibtet auch heute noch. In Berlin.«
»Janz recht«, kam es von Johanna, »und wer nicht spurt wird vakooft.« Fred schnappte sich den Korb mit dem klappernden Geschirr.
»Kannstet ja mal versuchen. Auf Ebay. Sofortkauf. Kein Rückjaberecht. Hätten wir vielleicht beide wat davon.« Johanna packte ihm noch die Schublade mit dem Besteck obendrauf und schaute ihn prüfend an.
»Dit is vielleicht jar keene so üble Idee. Muss ick drüber nachdenken.« Elias war leicht beunruhigt. Er hatte immer noch nicht herausgefunden, wann die beiden etwas ernst meinten und wann nicht. Streit zwischen Erwachsenen konnte er nicht vertragen. Den hatte er oft genug zwischen seinen Eltern erlebt. Er marschierte entschlossen auf die Eingangstür zu, in der Hoffnung, sein Onkel würde ihm folgen. Die nächste halbe Stunde waren sie alle drei emsig damit beschäftigt, den Reisehausrat in ihre Wohnung im dritten Stock zu tragen, eine schweißtreibende Angelegenheit, da es keinen Aufzug gab. Sie hatten es sich gerade auf ihrem Balkon gemütlich gemacht, als das Telefon klingelte.
»Ach du liebes bisschen, ick wollte doch Katharina anrufen«, rief Johanna und stürzte ins Wohnzimmer. Fred schaute Elias an. Elias schaute Fred an und beide grinsten. Sie hörten Johanna in ihrer üblichen Lautstärke telefonieren, was bedeutete, dass zum Beispiel der schwerhörige Herr Lüdenscheid von gegenüber problemlos jedes Wort verstehen konnte. Zumindest galt das für den Anfang des Gesprächs, solange, bis Johanna sich wortreich für die übereilte Abreise entschuldigt hatte. Fred kam naturgemäß dabei nicht gut weg, doch das machte ihm nichts aus. Nach einer Weile war von Johanna nichts mehr zu hören. Ihr hatte es buchstäblich die Sprache verschlagen. Fred und Elias tauschten wieder einen Blick aus und zwinkerten sich einvernehmlich zu. Sie wussten zwar nicht, was ihr die Sprache verschlagen hatte, doch konnten sie jetzt umso ungestörter die Abendsonne auf dem geräumigen Balkon genießen. Als Johanna zurückkam, war es mit der Ruhe vorbei. Sie war etwas blass um die Nase, dafür waren ihre Wangen kräftig gerötet, als ob sie zwei Ohrfeigen bekommen hätte. Sie setzte sich wortlos in ihren Korbsessel, nahm ihr Bierglas vom Tisch und leerte es in einem Zug.
»Hoppla«, sagte Fred. Sie schaute ihn an, als ob sie seine Anwesenheit erst jetzt bemerkte.
»Dit kannst du laut sagen.«
»War Katharina stinkich?«, fragte Fred. Elias vertiefte sich wieder in sein Videospiel und tat, als hörte er nicht zu. Johanna schüttelte den Kopf.
»Stinkich is jar keen Ausdruck. Sei froh, dat du nüscht am Telefon warst. Sie hatte ja een komplettes Menü für uns vorbereitet, mit allen Schikanen, wir hätten uns nur hinzusetzen brauchen. So wie et ausjemacht war. Aber nee, der Herr musste ja sofort nach Hause flüchten. Nur wech aus dem feindlichen Ausland.« Sie redete sich in Rage. Elias starrte konzentriert auf das kleine Display. Fred stand wortlos auf und holte sich noch ein Bier. »Jetzt bloß keene Eskalation«, dachte er. Er dachte es zum zweiten Mal an diesem Tag.
»Hol dir doch een Stück Kuchen, Elias, ick hab den Rest innen Kühlschrank jestellt«, sagte sie, als Fred zurückkam. Elias schüttelte den Kopf. »Dann hol dir noch wat zu trinken.« Wieder schüttelte er den Kopf.
»Lass den Jungen doch.«
»Ick lass ihn ja!«, fauchte sie plötzlich