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Käpt'n Sansibo — Die Canneloni und die verbotene Insel. Micha Luka
Читать онлайн.Название Käpt'n Sansibo — Die Canneloni und die verbotene Insel
Год выпуска 0
isbn 9783754171271
Автор произведения Micha Luka
Серия Käpt'n Sansibo
Издательство Bookwire
»Wat für’n Land denn?«, fragte Bullerjan ganz leise.
»Und warum flüstern denn jetzt alle?«, wollte Kullerjan wissen. Der Käpt’n streckte sich und verschränkte die Arme.
»Erstens: Indien. Zweitens: Keine Ahnung!«, rief er. »Is mir auch egal. Indien wartet auf uns. Ist von euch schon mal einer dagewesen?« Die beiden schüttelten ihre Köpfe. »Macht nix«, rief Käptn Sansibo, »wir wissen ja wie Kurkuma aussieht und wie’s riecht.« Die beiden nickten. Und ob sie das wussten. Seitdem sie die Segel mit Kurkuma gefärbt hatten, war ihnen der Geruch nicht mehr aus der Nase gegangen. Kullerjan deutete auf das schwarze Ding, das hinter dem Käpt’n auf dem Boden lag und vor lauter Regenwasser aussah wie …, ja wie eigentlich?
»Wat is mit der Katze, Käpt’n, äh, ich meine …«, stammelte Kullerjan. Bullerjan kam ihm zu Hilfe.
»Also meinetwegen brauchen wir keine Katze gar nie nich, äh, also …«, stotterte er. Käpt’n Sansibo schaute sie verblüfft an und kraulte seinen roten Vollbart.
»Bei allen Klabautermännern, wovon faselt ihr beiden denn da?« Jetzt deutete Bullerjan auch auf das schwarze Dings. Käpt’n Sansibo drehte sich schwungvoll um, bückte sich und hob seinen Kapitänshut auf.
»Habt ihr zu viel Petersilie gefrühstückt? Oder was ist los? Geht’s euch nicht gut?«, fragte er und knetete und faltete an seinem Hut herum, der pitschnass zwischen seinen Fingern hing.
»Och nöööh, eigentlich, … also …«, stammelte der eine.
»Nee, also wirklich, genau genommen, gar nie nich …«, stotterte der andere. Käpt’n Sansibo schlug energisch mit seinem Hut auf den Kombüsentisch.
»Schluss jetzt mit dem Geplapper. In einer halben Stunde will ich volle Teller sehen, klar? Und das Ding hier«, er deutete auf seinen Hut, »ist vollkommen hinüber. Steckt’s in den Herd. Ich kauf mir ’n neuen Hut in Indien.«
An diesem Nachmittag liefen im Hafen von Mangalore an der Westküste von Indien viele Leute zusammen. Ein Schiff mit sonnengelben Segeln! Und dann rauchte es auch noch schwarz aus dem Schornstein auf dem Kombüsendach. Es rauchte so stark, dass sogar der Regen aufgehört hatte zu regnen. Bullerjan hatte, wie befohlen, den aufgeweichten Hut des Käpt’ns in sein Herdfeuer gesteckt und gleich noch ein paar alte Lumpen mit dazu. Das feuchte Zeug im Feuer machte so viel Qualm, dass die Leute im Hafen von Mangalore dachten, das Schiff würde brennen. Sie wussten noch nicht, dass das Schiff die Canneloni war, dass der Käpt’n Sansibo hieß und dass die beiden einzigen Matrosen an Bord Bullerjan und Kullerjan waren.
Die Leute von Mangalore hätten diese Namen auch gar nicht aussprechen können, denn ihre Sprache war eine ganz andere. Das ahnte Käpt’n Sansibo und es bereitete ihm einiges Kopfzerbrechen. Während der Wochen, die sie von Sansibar nach Mangalore gesegelt waren, hatte er immer nur einen Gedanken daran verschwendet, und der lautete:
»Die werden mich schon irgendwie verstehen, die Inder.« Nun aber, so kurz vor der ersten echten Begegnung mit Indern, war ihm etwas mulmig zumute. Doch das durften Bullerjan und Kullerjan nicht merken. Immerhin war er der Käpt’n und ein Käpt’n weiß die Lösung für jedes Problem. Zumindest tut er so, dachte Sansibo. Er schaffte seinen Teller voller Bratkartoffeln nur mit Mühe. Die Aufregung schlug ihm auf den Magen. Das konnte man von Kullerjan und Bullerjan nicht behaupten. Ihnen schlug nie etwas auf den Magen. Auch wenn sie Indien nicht kannten und von den Indern keine Ahnung hatten, machte ihnen das keine Sorge. Sie hatten ja ihren Käpt’n.
Gerade als die Canneloni an der äußersten Hafenmole vorbeisegelte, versiegte der schwarze Qualm. Der Kombüsenschornstein streckte sich unschuldig der Sonne entgegen, die sich zwischen zwei gewaltigen, grauen Wolken hervorwagte. Das brachte die Segel der Canneloni zum Leuchten. Und das brachte die vielen Inder, die sie beobachteten, zum Staunen.
Käpt’n Sansibo stand am Steuer und segelte besonders aufmerksam die Mole entlang. Oma Zitrona, der kleine gelbe Papagei, saß auf seiner Schulter. Sie äugte neugierig auf die Stadt, deren Häuser, Türme und Paläste an ihnen vorbeizogen.
»Kenn ich«, krächzte sie dem Käpt’n ins Ohr, »das is Indien. Kenn ich.« Sie nickte ein paar Mal und breitete ihre Flügelchen aus. »Mangalore«, krächzte sie, »kenn ich auch, kenn ich schon lange.« Sie sträubte die Federn auf ihrem kleinen Kopf.
»Beruhig dich, Oma Zitrona«, brummte der Käpt’n. Kullerjan und Bullerjan standen nebeneinander an der Reling und starrten auf die Kaimauer, die mit Menschen übersät war. Vor der leichten Brise zog die Canneloni majestätisch langsam an ihnen vorbei.
Zwischen all den Indern huschte ein Junge die Kaimauer entlang und ließ keinen Blick von dem prächtigen Schiff, dessen goldbraunes Holz mit den goldgelben Segeln um die Wette leuchtete. Käpt’n Sansibo blickte angespannt in die Takelage. Auf keinen Fall wollte er zu schnell in den Hafen einlaufen, damit er nicht mit einem der vielen kleinen Boote, die nur so herumwimmelten, zusammenstieß.
»Jungs«, rief er schließlich, »ankern! Sofort!« Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen. In Windeseile sprangen sie an den Bug und ließen den Anker über eine Winde herab. Es platschte ordentlich, als er ins klare Hafenwasser plumpste. Gleich darauf machte die Canneloni eine ganz leichte, elegante Drehung und kam mit dem Bug zum Kai zur Ruhe.
Sofort gab es ein Gedränge an der Kaimauer. Die Leute trugen Gewänder in allen Farben, riefen wild durcheinander und deuteten mit ausgestreckten Armen mal auf Kullerjan, mal auf Bullerjan, meistens aber auf die gelbe Segelpracht. So ein Schiff hatten sie noch nie gesehen und so riesige Matrosen ebenso wenig. Die beiden drehten sich um und hielten nach ihrem Käpt’n Ausschau.
Sansibo hatte das Steuerruder verlassen und war in seiner Kapitänskajüte verschwunden. Er setzte Oma Zitrona auf ihrer Stange ab, wo sie sofort einschlief. Sie war über hundert Jahre alt und das Schlafen war ihre liebste Beschäftigung. Auf diese Weise ging sie jeder Aufregung am besten aus dem Weg. Wahrscheinlich war sie deshalb so alt geworden.
»Zu blöd, dass mein Hut verbrannt ist«, dachte er und zauste seinen roten Vollbart. Dann stutzte er und dann dachte er: »Zu blöd, dass ich sowas denke. Fehlt bloß noch, dass ich denke: ›Was denken bloß die Inder?‹« Bei diesem Gedanken musste er grinsen. Er streckte sich, holte tief Luft und öffnete die Kajütentür.
»Äh Käpt’n!«, rief Bullerjan, »wie sollen wir an Land kommen bei all den Leuten?«
»Is gar kein Platz, gar nie nich«, bestätigte Kullerjan.
»Abwarten Jungs,« antwortete Käpt’n Sansibo und schritt an ihnen vorbei.
Ein paar Männer, die ganz vorne standen, entdeckten ihn zuerst und als sie seinen roten Vollbart sahen, fuchtelten sie mit den Armen und riefen ungeduldig nach hinten. Wie aus dem Nichts erschien ein langes schmales Brett, das über den Köpfen weitergereicht wurde, bis es ganz vorne angelangt war. Die Männer legten das eine Ende vorsichtig auf die Reling der Canneloni, das andere Ende auf die Kaimauer. Käpt’n Sansibo verstand sofort. Er kletterte auf die Reling und balancierte geschickt über das schmale Brett an Land.
Die Leute machten ihm staunend Platz. Für einen Moment war Stille. Sansibo wusste nicht, was er sagen sollte. Kullerjan und Bullerjan warteten gespannt, was er sagen würde und die vielen Inder starrten ihn aus ihren schwarzen Augen einfach nur an. Viele trugen einen Turban, manche einen schwarzen Bart, die Männer waren weiß gekleidet, die Frauen in allen Regenbogenfarben. Sansibo blickte in die goldbraunen Gesichter, eines nach dem anderen. Der Junge hatte sich mit den Ellbogen ganz nach vorn durchgekämpft und stand nun direkt vor ihm.
Sansibo war es nicht gewohnt, von so vielen Augen beobachtet zu werden. Das war ihm erst einmal passiert, einen Monat zuvor. Da hatte er mit einer tollkühnen Wette die Canneloni erobert. Aber damals war er ganz oben auf dem Großmast gestanden und die Zuschauer