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Boot in ein anderes und ließ mich zur Insel übersetzen. Ich war nicht der einzige Passagier und es war sogar mein großes Glück, dass ich Doctor O'Meara kennenlernte. Er schwieg sich zunächst über seine Mission aus und ich glaubte schon, er sei ein Schaulustiger, der einen Blick auf den ehemaligen Kaiser werfen wollte, wie einige andere Leute, die aber auch mit Bestechungsgeld nicht an Bord der Segelfähre gelassen worden waren.

      Die Überfahrt dauerte fast eine Stunde und in dieser Zeit konnte der Doctor nicht stillhalten. Er begann mich auszufragen und gab dabei selbst preis, dass er Schiffsarzt auf der HMS Bellerophon sei, was mich wiederum hellhörig werden ließ. Ich gab dann zu, Napoléon Bonaparte einen Besuch abstatten zu wollen und erzählte von meiner Zeit auf Elba und meine dortige Beziehung zum Kaiser. Daraufhin erfuhr ich, dass der Doctor in seiner Eigenschaft als Arzt und Chirurg von Napoléon angefordert worden sei. Noch während des Kennenlernens sah ich in Doctor O'Meara die Gelegenheit von der HMS Myrmidon auf die Bellerophon zu wechseln, um das Schicksal Napoléons weiterhin begleiten zu können.

      Die Île-d’Aix ähnelte einer verlassenen Festung und ließ nicht darauf schließen, dass der ehemalige französische Kaiser auf der Insel logierte. Es wäre sicherlich möglich gewesen jeden Punkt der Insel zu Fuß zu erreichen, dennoch wartete eine kleine Kutsche auf uns, gezogen von zwei kräftig gedrungenen Ponys. Wie selbstverständlich folgte ich dem Doctor. Wir wurden zu einem Gebäude mit weißgetünchter Fassade gebracht, auf dem keine Standarte oder Fahne die Anwesenheit des hohen Gastes verriet.

      Doctor O'Meara wurde bereits erwartet und beim Betreten des Gebäudes mussten wir uns trennen. Ein Diener geleitete mich in einen hellen Raum und bewirtete mich sogleich mit einem Imbiss. Ich nahm meinen Teller und das Glas Wein und ging hinaus auf einen Innenhof, in dessen Mitte ein kleiner Baum stand. Es war der erste Baum, den ich auf der Insel sah. Die frisch geharkte Erde in die er gepflanzt war, hatte eine Umrandung aus weißen, glatten Steinen, die wie poliert aussahen. Ich studierte die Anordnung, das Schwarz der Erde, das makellose Weiß der großen Kiesel. Alles erinnerte mich an ein frisches Grab. Und sofort traten mir wieder die Bilder der letzten Schlacht bei Waterloo in die Augen.

      »Welch eine Überraschung! Was machen Sie denn hier, verehrter Monsieur Hanson?«

      Die Ansprache riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und noch bevor ich den Mann sah, der in den Hof getreten war, hatte ich ihn an der Stimme erkannt. Général Claude Marie Arnauld eilte mit schnellen Schritten auf mich zu und reichte mir die Hand.

      »Welch eine Freude, Sie gesund wiederzusehen, mein lieber Monsieur Hanson, Capitaine Hanson. Es tut mir noch immer leid, dass Sie Ihr Schiff eingebüßt haben. Ich hoffe, Sie konnten inzwischen für Ersatz sorgen.«

      Arnaulds Worte kamen euphorisch über seine Lippen. Er schüttelte immer noch meine Hand, ohne dass ich Gelegenheit hatte, etwas zu erwidern. Dann ging er einen Schritt zurück, befreite mich endlich aus seinem Griff und sah mich von oben nach unten an.

      »Aber nein, Sie tragen ja wieder den Rock Ihres Landes, stehen wieder in Diensten Bernadottes. Ist das richtig? Führt Sie eine Mission hierher? Wollen Sie eine Audienz beim Kaiser? Es ist zur Zeit etwas schwierig …« Er stutzte. »Ich lasse Sie ja gar nicht zu Wort kommen. Entschuldigen Sie, Monsieur Capitaine, oder nein, Sie tragen ja die Uniform eines Majors. Ich gratuliere zur Beförderung.«

      Nach diesem Monolog herrschte zwischen uns einige Sekunden Schweigen. Arnauld lächelte verlegen und endlich entschloss ich mich zu einer Erwiderung.

      »Sie haben davon gewusst. Unsere Reise nach Sardinien war ein Ablenkungsmanöver.« Ich musste mich zügeln, damit meine Stimme nicht zu aufgeregt klang.

      Arnauld zuckte mit den Schultern und gab meiner Anschuldigung damit recht. »Ich habe auch nur die Befehle des Kaisers ausgeführt und er ist dem Rat seiner Maréchaux gefolgt. Er musste sein Exil verlassen, Frankreich war in großer Gefahr, ist es immer noch, aber jetzt kann selbst ein Napoléon nichts mehr ausrichten.«

      »Ich will doch meinen, dass die Alliierten anders darüber denken«, erwiderte ich.

      »Sie sprechen von Österreich und den Preußen?« Arnauld schüttelte den Kopf. »Diese Nationen haben kein Recht, sich in Frankreichs Angelegenheiten einzumischen. Wissen Sie überhaupt, was diese ganze Serie von Kriegen ausgelöst hat? Wissen Sie überhaupt, dass sich Frankreich immer nur verteidigt hat? Die Geschichte ist verfälscht worden, weil ein genialer Heerführer wie Napoléon Bonaparte sich nicht einfach nur verteidigt, sondern auch zurückgeschlagen hat, was sein, was Frankreichs gutes Recht war und ist.«

      »Darüber kann ich nicht urteilen«, warf ich ein. »Es gab einen Vertrag, Napoléon hat ihn unterzeichnet und dann sein Wort gebrochen.«

      »Politik, Politik, mein lieber Freund, lassen wir das aus dem Spiel. Die Sache ist ohnehin nicht mehr zu ändern. Der Kaiser steht mit dem Rücken zur Wand. Es ist nett, dass Sie ihn noch einmal besuchen möchten, bevor er Frankreich erneut verlässt.«

      »Ich habe davon gehört, Sie verhandeln jetzt mit den Briten, aber ich habe nicht vernommen, dass der Kaiser nach Elba zurückkehrt.«

      »Elba, was sollen wir da«, rief Arnauld. »Wenn der Ruf Frankreichs nicht ertönt wäre, hätte Napoléon Elba schon im vergangenen Jahr verlassen. Ich kann Ihnen jetzt verraten, dass es einen ganz anderen Plan für die Zukunft eines Napoléon Bonaparte gab, nachdem in Europa alles gegen ihn war.«

      »Ein anderer Plan«, wiederholte ich. »Es hätte vielen Menschen das Leben gerettet.«

      »Nein, nein, auch das ist nicht die Schuld Napoléons. Er ist als Friedenskaiser nach Paris zurückgekehrt und hätte sich auch mit diesem Ludwig arrangiert, doch der Kaiser von Österreich hat dies ja nicht zugelassen.«

      »Österreich, Russland, die Preußen und nicht zuletzt die Briten haben es selbstverständlich nicht zugelassen. Es gab einen Vertrag und …«

      »Gut, dass Sie Österreich ansprechen«, unterbrach mich Arnauld. »Haben Sie sich nicht gefragt, wer hinter dem Anschlag steckt?«

      »Von welchem Anschlag sprechen Sie?«, fragte ich und dachte wirklich im ersten Moment, dass Napoléon auf Elba einem Mordanschlag entgangen war, von dem ich und andere nichts mitbekommen hatten.

      »Ich spreche von dem Meuchelmörder, den man Ihnen auf den Hals gehetzt hat. Ich kann Ihnen übrigens sagen, dass er es noch an Land geschafft hat, dort aber zwei Wochen später am Wundfieber verreckt ist.«

      Jetzt war ich doch sehr überrascht. »Dann haben Sie mit der Sache zu tun?«, fragte ich ruhig.

      »Selbstverständlich nicht, Monsieur Hanson.« Arnauld stampfte mit dem Fuß auf. »Ich verbitte mir diese Unterstellung, obwohl ich es nachvollziehen kann, dass Sie auch dafür uns die Schuld geben. Aber ich versichere Ihnen, hätte ich die Pläne gekannt, so hätte ich sie mit aller Macht verhindert. So habe ich erst im Nachhinein davon erfahren, mich dann aber auch mit der Angelegenheit beschäftigt. Ich habe versichert, dass Sie nicht im Auftrag des Kaisers handeln und es keinen Sinn macht, Ihnen nach dem Leben zu trachten.«

      Das Ganze klang immer merkwürdiger und ich begann zu zweifeln, dass Arnauld mehr wusste, als er zugab. Natürlich hatte er irgendwie von dem Anschlag erfahren, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, wie dieses Geheimnis nach außen gedrungen war. Ich hatte mich nur Överste Kungsholm anvertraut, aber vielleicht hatte er die Sache gemeldet und dabei war das Leck entstanden. Im Grunde war es jetzt auch nicht mehr wichtig, was Arnauld offenbar anders sah.

      »Aber Monsieur Hanson, wenn ich es richtig bedenke, macht uns der Mordanschlag auf Sie zu Verbündeten. Vielleicht sollte ich Sie in die Pläne des Kaisers einweihen. Sie könnten sich für unsere Sache einsetzen. Offenbar kennen Sie Doctor O'Meara, haben sogar Kontakt zu Monsieur Maitland, dem Kommandanten der HMS Bellerophon, die in der Bucht lauert.«

      »Ich stehe natürlich gerne mit meinem Rat zur Seite, aber bedenken Sie, dass Sanktionen gegen Napoléon in jedem Fall gerechtfertigt sind.«

      »Ja, wir würden gerne Ihren Rat hören und Ihre Meinung, wie die Sache ausgeht, was die Briten planen, wenn das nicht zu viel verlangt ist und Sie dadurch nicht Ihr Gewissen in Schwierigkeiten bringen.«

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