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führten mich an allen anderen wartenden Frauen und Männern vorbei, die mich mit großen Augen anstarrten. Eine Ärztin kam umgehend zu mir und bat mich mit einem verzerrten Ausdruck des Mitgefühls ins Untersuchungszimmer. Mit der Vorstellung meines Aussehens konnte ich lachen und zeitgleich in Tränen ausbrechen.

      Es stellte sich heraus, dass die turbulente Karussellfahrt meiner Emotionen, meiner ganzen körperlichen Verfassung, eine nicht angekündigte Überstimulation war. Auf dem Ultraschall zeigten sich meine Eierstöcke um das Vierfache vergrößert. Das heißt, ich hatte einen Eierstockumfang von 16 Zentimetern im Unterleib! Enorme Wassereinlagerungen führten zu den Schmerzen und der rasanten Gewichtszunahme.

      Die Ärztin nahm dies zum Anlass, sich im Labor nach den Ergebnissen zu erkundigen. Ihrem Gesicht und ihrer Stimme war erhebliche Überraschung anzumerken.

      Sie prustete lachend auf und schwieg einen Moment:

      30 gewonnene Eizellen, davon 27 reif, 26 erfolgreich befruchtet!

      Sie sagte einen Satz, den ich wohl nie vergessen werde:

      „Tja, Frau Pirc, Sie produzieren nicht nur Masse, sondern auch Klasse!“

      Mit dieser Nachricht trockneten meine Tränen, die Schmerzen ließen nach, mein Hormonhaushalt feierte eine Endorphin-Party. Der Wermutstropfen an dieser doch zugleich glücklichen und unglücklichen Misere war, den sogenannten Transfer, also die Übertragung der befruchteten Eizellen (der Embryonen) in die Gebärmutter, derzeit nicht durchführen zu können. Das Abschwellen der Eierstöcke hatte erst einmal Priorität. Die Praxis hatte sich bereiterklärt, unter den gegebenen Umständen die Eizellen für ein Quartal auf eigene Kosten zu kryokonservieren, also einzufrieren.

      Ich weiß nicht, wie ich meine Gefühle zu jener Zeit beschreiben soll. Aber ich würde schon sagen, dass mich das Ergebnis durchaus mit Stolz erfüllte. Andererseits hat mich die Aussicht, wieder warten zu müssen, niedergeschlagen. Hinter allem stand sowohl Erfolg als auch Misserfolg. Immerhin: Eine stationäre Aufnahme ins Krankenhaus war aus Sicht der Praxis nicht notwendig. Kurativmaßnahmen sollten schon bald Besserung bringen. Dazu gehörten eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme von mindestens vier Litern Wasser, Tee oder ähnlichen Getränken, Thrombosespritzen und ganz viel Schonung. Hormonell stark beeinflusst, extrem angeschlagen in meiner körperlichen Verfassung und in ständiger Wechselstimmung kam aber alsbald auch die Frage „Was, zur Hölle, tust du da eigentlich?“ in mir auf.

      Ohne zu wissen, wie ich liegen oder sitzen sollte, weil einfach alles schmerzte, lief ich umher, weil mich eine extreme innere Unruhe packte. Die kleinste Anstrengung erschwerte das Atmen und machte die Situation irgendwie gespenstisch. Die ganze Flüssigkeit hing mir irgendwann aus dem Hals heraus. Mein Mann musste mich immerzu massieren, weil mich das Jucken und Kribbeln, abgesehen von den Schmerzen auf und unter der Haut, beinahe in den Wahnsinn trieb. Ob er wirklich verstanden hat, was mit mir und meinem Körper geschah, wage ich zu bezweifeln. Mit klarem Verstand, ohne Grund ständig weinen zu müssen und im nächsten Moment wieder lachen zu können, war schon fast komisch. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als den Notdienst der Praxis anzurufen.

      „Die Frau mit den 30 Eiern!“

      Es reichte aus, meinen Namen zu nennen. Mein Anliegen musste ich nicht mehr schildern. Die Ärztin am Telefon versuchte, beruhigend auf mich einzureden, und erklärte mir verständlich die Ursachen von Schmerzen und Atemnot.

      „Im Krankenhaus würde man mit Erschrecken die Eindickung des Blutes feststellen und zunächst nichts weiter als eine Flüssigkeitszufuhr am Tropf veranlassen.“

      Sie hatte äußerst viel Mitgefühl und betonte, dass ich bald Besserung verspüren würde, wenn ich weiterhin ausreichend Flüssigkeit aufnähme.

      Da ich nicht auf einen Klinikaufenthalt aus war und ihren Worten Vertrauen schenkte, fasste ich den Entschluss, geduldig zu bleiben, und riss mich am Riemen. Nach einer schlaflosen Nacht purzelte am nächsten Tag das erste Pfund.

      Mein Gesamtzustand besserte sich am Folgetag weiter. Der Heilungsprozess nahm jedoch insgesamt einige Wochen für sich in Anspruch.

      Bis zum Transfer sollten weitere zwei Monate vergehen. Zwei Monate, in denen ich viel Zeit zum Grübeln hatte. Zwei Monate, in denen meine Zuversicht vollends der Belastungsprobe ausgesetzt war. Ich musste mich vor dem Transfer zwar nicht mehr der hormonellen Strapaze unterziehen, dennoch musste mein Körperrhythmus wieder auf eine Schwangerschaft eingestellt werden.

      Doch zunächst stand die Überlegung im Raum, einen der beiden Eileiter operativ entfernen zu lassen. Die Ärztin wies auf das Risiko hin, dass der entstellte Eileiter, der mit Wasser vollgesogen war, das Wasser in die Gebärmutter spülen und somit das Einnisten der Eizelle verhindern könnte.

      Das Ausmaß des kranken Eileiters war inzwischen mehr als deutlich auf dem Ultraschallbild zu erkennen.

      Bei all dem, was bisher unerwartet geschehen war, reifte in meiner Ungeduld die Entscheidung heran, einen derartigen Eingriff nicht vornehmen zu lassen. Ich habe in diesem Fall spekuliert und darauf gehofft, dass sich das befürchtete Risiko nicht einstellen würde. Ich hatte für mich persönlich immer noch die Option, nach Scheitern dieses ersten Versuchs über den Eingriff nachzudenken.

      Die Übertragung von zwei inzwischen aufgetauten befruchteten Eizellen, die sich innerhalb weniger Tage zu Embryonen entwickelt hatten, ging recht schnell.

      Ich musste nur ein paar Minuten reglos liegen bleiben.

      Nach dem Transfer verspürte ich keinerlei Veränderung: ein Bauchgefühl, das nicht aufkam und auch nicht aufkommen sollte. Eine Schwangerschaft blieb aus.

      Dass eine künstliche Befruchtung und all das, was sie mit sich zog und noch mit sich ziehen sollte, nun einmal in jeder Hinsicht unnatürlich ist, hat in mir wieder den Gedanken bestärkt, in Gottes Handwerk zu pfuschen.

      Ich bekam große Zweifel daran, was ich da tat. Zweifel, die ich mit mühseliger Geduld und der Tragweite, die ich bisher auf mich genommen hatte, ausmerzen wollte.

      Ich beschloss, den Eileiter stationär entfernen zu lassen und abermals Monate mit Warten zu verbringen.

      Das Warten war für mich ein wahrer Spießrutenlauf.

      Es gab Tage, an denen ich gut damit umgehen konnte, aber eben auch Tage, an denen ich mich lieber zurückziehen und damit schützen wollte. Wenn in meinem Umfeld, ob im Freundeskreis oder unter Arbeitskollegen, Fotos von den Kindern zur Schau gestellt wurden oder man über das Babyglück sprach, wurde mir immer ein weiteres kleines Stück aus meinem Herz entrissen.

      Ob ich mir manchmal mehr Rücksicht gewünscht hätte, kann ich gar nicht sagen. Die regelmäßigen Arzttermine, die Krankmeldungen und die schwankende Gemütslage, unter der ich zu leiden hatte, waren schließlich nicht zu verbergen. Natürlich hoffte ich, durch meine Offenheit auf Nachsicht zu stoßen, auf Rücksicht, die mir sicherlich auch entgegengebracht wurde, aber mir und meiner Situation wahrscheinlich gar nicht gerecht werden konnte. Und so sehr mich manchmal auch der Umgang damit traf, habe ich jedem Einzelnen sein Glück gönnen wollen. Doch das Glück anderer tat einfach verdammt weh. Ich fühlte mich einsam in meinem Kummer. Bei allem Verständnis und Mitgefühl trug ich die Last eben doch allein. Eine Last, die ich noch nicht mal mit meinem Mann wirklich teilen konnte.

      Ich kam an den Punkt, meinen Mann als Elternteil eines Jungen mit einer anderen Frau zu betrachten. Ein Gesichtspunkt, der für mich sehr schwer zu ertragen war und mich fragen ließ, ob ich damit wohl würde leben können, wenn mein Wunsch unerfüllt bleiben sollte.

      Nach außen wusste ich, mit Perfektion meine Selbstbeherrschung auszuleben, aber nach innen gerichtet war es hart an der Grenze, aus mir auszubrechen. Mein Herz und mein Verstand waren sich dabei nicht immer ganz einig. Und wenn ich ganz alleine war, entfaltete sich in meinen Gedanken etwas Wut und Ungerechtigkeit – was nicht immer dazu geführt hat, mich anschließend besser zu fühlen; denn neben der Sorge entwickelten sich immer mehr Emotionen von Eifersucht und Angst. Gefühle, die ich noch im selben Moment gegen mich selbst richten konnte, weil ich nicht ungerecht sein wollte.

      Die Gestalt meiner emotionalen Verfassung war ein Zustand,

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