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doch hab' ich einen gefangen, justament gefangen!« antwortete Nosdrjow. »Jetzt werde ich dich zu der Grenze führen,« wandte er sich an Tschitschikow, »wo mein Besitz aufhört.«

      Nosdrjow führte seine Gäste über ein Feld, das stellenweise aus lauter Erdbuckeln bestand. Die Gäste mußten sich zwischen Brachfeld und geeggten Äckern durchschlängeln. Tschitschikow begann Müdigkeit zu spüren. An vielen Stellen spritzte unter ihren Schritten das Wasser empor: so tief lag das Feld. Anfangs nahmen sie sich in acht und setzten die Füße vorsichtig einen vor den anderen; als sie aber sahen, daß das nichts nützte, traten sie gleichgültig hin, ohne zu unterscheiden, wo der Schmutz größer und wo er kleiner war. Nach einer gehörigen Strecke erblickten sie tatsächlich die Grenze, die durch einen Pfahl und einen schmalen Graben bezeichnet war.

      »Das ist die Grenze!« sagte Nosdrjow. »Alles, was du auf dieser Seite siehst, gehört mir, und auch alles, was jenseits liegt, auch jener dunkle Wald dort, und alles, was hinter dem Walde liegt, gehört mir.«

      »Seit wann gehört dieser Wald dir?« fragte der Schwager. »Hast du ihn denn soeben gekauft? Vor kurzem gehörte er doch gar nicht dir.«

      »Ja, ich habe ihn vor kurzem gekauft«, erwiderte Nosdrjow.

      »Wie hast du es so schnell machen können?«

      »Gewiß, ich hab' ihn vorgestern gekauft und, hol's der Teufel, viel bezahlt.«

      »Du warst doch die ganze Zeit auf dem Jahrmarkt.«

      »Ach du Narr! Kann man denn nicht zugleich auf einem Jahrmarkt sein und Land kaufen? Gewiß, ich war auf dem Jahrmarkt, und mein Verwalter hat den Wald ohne mich gekauft.«

      »Ja, es müßte schon der Verwalter sein«, sagte der Schwager, schüttelte aber zweifelnd den Kopf.

      Die Gäste gingen den gleichen schlechten Weg zum Hause zurück. Nosdrjow führte sie in sein Arbeitszimmer, in dem übrigens nichts davon zu sehen war, was es sonst in Arbeitszimmern gibt: also weder Bücher noch Papiere; an der Wand hingen Säbel und zwei Gewehre, eines dreihundert und das andere achthundert Rubel wert. Der Schwager sah sich die Gewehre an und schüttelte den Kopf. Dann zeigte er ihnen türkische Dolche; auf dem einen war irrtümlicherweise eingraviert: »Meister Ssawelij Ssibirjakow«. Darauf führte er den Gästen eine Drehorgel vor. Nosdrjow setzte sie auch gleich in Betrieb. Die Drehorgel hatte einen nicht unangenehmen Ton, aber in ihrem Innern war wohl etwas nicht in Ordnung, denn die Mazurka ging plötzlich in das bekannte Lied »Marlborough zog in den Krieg« über, und dieses letztere endete mit einem altbekannten Walzer. Nosdrjow drehte schon längst nicht mehr, aber in der Orgel war eine ungemein lebhafte Pfeife, die unmöglich zur Ruhe kommen wollte und noch lange allein tönte. Dann zeigte er ihnen seine Pfeifen aus Holz, Ton und Meerschaum, angerauchte und nicht angerauchte, mit und ohne Wildlederbezug, ein Pfeifenrohr mit Bernsteinmundstück, das er vor kurzem gewonnen, und einen von einer Gräfin gestickten Tabaksbeutel; die Gräfin hatte sich auf irgendeiner Poststation in ihn über die Ohren verliebt, und ihre Händchen waren »das subtilste Superflu«: mit diesem Worte bezeichnete er offenbar den höchsten Gipfel der Vollkommenheit. Nachdem sie zuvor gedörrten Stör als Vorspeise zu sich genommen, setzten sie sich gegen fünf zu Tisch. Das Mittagessen bildete für Nosdrjow anscheinend nicht den Hauptinhalt seines Lebens; die Gerichte spielten keine große Rolle: einiges war angebrannt und einiges halbroh. Der Koch ließ sich offenbar von einer Intuition leiten und tat in die Speisen alles hinein, was ihm zuallererst in die Hand fiel: hatte er zufällig Pfeffer in der Nähe stehen, so nahm er Pfeffer; war es Kraut – so tat er Kraut hinein, ebenso Milch, Schinken, Erbsen, mit einem Worte, alles, was sich gerade traf; die Hauptsache war, daß es möglichst heiß sei; der Geschmack wird sich aber schon von selbst ergeben. Dafür widmete sich Nosdrjow sehr eingehend den Weinen: die Suppe stand noch nicht auf dem Tisch, als er den Gästen schon je ein großes Glas Portwein und dann je ein Glas Haut-Sauternes einschenkte; einfachen Sauternes gibt es in den Gouvernements- und Kreisstädten bekanntlich nicht. Dann ließ Nosdrjow eine Flasche Madeira bringen, »wie ihn selbst der Feldmarschall nicht besser getrunken hat.« Der Madeira brannte tatsächlich im Munde, denn die Kaufleute, die den Geschmack der Gutsbesitzer kannten, versetzten ihn erbarmungslos mit Rum und taten zuweilen auch Königswasser hinein, in der Hoffnung, daß ein russischer Magen alles vertragen könne. Dann ließ Nosdrjow noch einen ganz besonderen Wein auftragen, der nach seiner Behauptung ein Bourgognon und Champagnon zugleich war. Er schenkte sehr eifrig nach rechts und links – seinem Schwager und Tschitschikow – ein; Tschitschikow merkte aber zufällig, daß er sich selbst nicht sehr viel einschenkte. Dies veranlaßte ihn, vorsichtiger zu sein, und sooft Nosdrjow sich ins Gespräch vertiefte oder seinem Schwager einschenkte, sein Glas in den Teller zu schütten. Sehr bald darauf wurde ein Ebereschenschnaps gebracht, von dem Nosdrjow behauptete, daß er so mild sei wie Rahm, der aber erstaunlicherweise ganz schrecklich nach gemeinstem Fusel schmeckte. Darauf tranken sie noch irgendeinen Balsam, dessen Namen man sich gar nicht merken konnte und den übrigens auch der Hausherr selbst bei nächster Gelegenheit mit einem ganz anderen Namen bezeichnete. Das Mittagessen war längst zu Ende, die Weine waren sämtlich durchprobiert, aber die Gäste saßen noch immer bei Tisch. Tschitschikow wollte nicht mit Nosdrjow in Gegenwart des Schwagers von der Hauptsache zu sprechen anfangen; der Schwager war doch immerhin ein Fremder, der Gegenstand erheischte aber eine freundschaftliche Unterredung unter vier Augen. Der Schwager konnte übrigens wohl kaum gefährlich werden: er war ziemlich voll und nickte immer mit der Nase vornüber. Als er selbst merkte, daß er sich in einer wenig zuverlässigen Verfassung befand, fing er zu bitten an, nach Hause fahren zu dürfen, tat es aber mit einer so trägen und matten Stimme, als zöge er, wie der Russe sagt, einem Pferde das Kummet mit einer Zange über den Kopf.

      »Nein, nein, ich lasse dich nicht!« sagte Nosdrjow.

      »Kränk' mich nicht, Freund, ich muß wirklich heim«, sagte der Schwager. »Das ist eine schwere Kränkung für mich.«

      »Unsinn, Unsinn, wir wollen gleich ein Bankspiel inszenieren!«

      »Inszeniere es selbst, Bruder, ich kann aber nicht: meine Frau wird sich sehr beleidigt fühlen; ich muß ihr ja vom Jahrmarkt erzählen. Ich muß ihr wirklich dieses Vergnügen bereiten. Nein, halt mich nicht zurück!«

      »Ach, hol' deine Frau der Kuckuck . . . Etwas Wichtiges habt ihr wohl vor!«

      »Nein, Bruder, sie ist eine so gute Frau. Eine wirklich musterhafte, ehrenwerte und treue Gattin! Sie erweist mir solche Dienste . . . wirst du's mir glauben? – mir treten sogar Tränen in die Augen. Nein, halt mich nicht zurück: so wahr ich ein ehrlicher Mensch bin, ich fahre heim. Ich versichere dich auf Ehre und Gewissen.«

      »Soll er nur fahren: was taugt er uns?« sagte Tschitschikow leise zu Nosdrjow.

      »In der Tat!« antwortete Nosdrjow. »Solche Waschlappen kann ich nicht leiden!« Dann fügte er laut hinzu: »Gut, hol' dich der Teufel, fahr nur zu deinem Weib, du trauriges Mannsbild!«

      »Nein, Bruder, nenne mich nicht trauriges Mannsbild«, antwortete der Schwager. »Ich verdanke ihr mein Leben. Sie ist wirklich so gut und nett, sie ist so lieb zu mir, daß mir manchmal die Tränen kommen. Sie wird mich fragen, was ich alles auf dem Jahrmarkt gesehen habe – ich muß ihr alles erzählen . . . sie ist wirklich so lieb.«

      »Gut, fahr hin, lüge ihr was vor! Hier ist deine Mütze!«

      »Nein, Bruder, so darfst du von ihr nicht sprechen; damit kränkst du, ich darf wohl sagen, mich selbst. Sie ist so lieb.«

      »Gut, scher dich zu ihr!«

      »Ja, Bruder, ich fahre gleich zu ihr; verzeih, daß ich nicht bleiben kann. Ich täte es herzlich gern, aber ich kann es nicht.« Der Schwager wiederholte noch lange seine Entschuldigungen und merkte nicht, daß er schon längst im Wagen saß, längst zum Tore hinausgefahren war und längst nur leere Felder vor sich liegen hatte. Es ist anzunehmen, daß seine Frau von ihm nicht viel über den Jahrmarkt zu hören bekam.

      »Dieser Ekel!« sagte Nosdrjow, am Fenster stehend und dem sich entfernenden Wagen nachblickend. »Wie der sich langsam schleppt! Das Seitenpferd ist zwar gar nicht übel, ich möchte es schon längst haben. Aber mit ihm kann man doch nicht einig werden. Ein trauriges Mannsbild!«

      Darauf

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