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SAVANT - Flucht aus Niger -. Michael Nolden
Читать онлайн.Название SAVANT - Flucht aus Niger -
Год выпуска 0
isbn 9783738056488
Автор произведения Michael Nolden
Жанр Языкознание
Серия SAVANT - Flucht aus Niger
Издательство Bookwire
Ein Kratzen an der Tür!
Ich wische die Feuchtigkeit von meiner Armbanduhr. 2:45 Uhr.
Ein Schnaufen kündigt Zet an. Der Anubispavian öffnet die Türe. Im Spiegel sehe ich, wie Zet Pascale hereinführt. Mein Sohn hat den Kopf instinktiv ein wenig in den Nacken gelegt. Er ist blind, doch durch die Führung, die sanften Berührungen von Zet, hat er mehr als nur eine Ahnung, wo ich mich befinde.
»Pascale, Schatz, was machst du hier? So früh?«
»Bin wach geworden. Da war was. Und dann wieder nicht. Wind. Knacken. In der Akazie. Und ich muss mal«, kommt die genuschelte Antwort, allerdings mit einem derart breiten Lachen vorgebracht, dass auch ich nicht anders kann, als zu lächeln.
Zet geht auf alle viere nieder. Pascales Hand legt sich auf den Kopf des Pavians. Langsam bewegt sich Zet bis zur Toilettentür, wo Pascale die Klinke von selbst findet, die Tür gerade weit genug öffnet, um in die Kabine zu schlüpfen. Zet lässt sich auf den Boden davor nieder und hält Wache, wie es ihm beigebracht worden ist.
Bereits die Ägypter hielten Paviane als Haustiere. Sie sind, so weit ich das in dieser Umgebung, an Zets Beispiel beurteilen kann, in der Lage, ihr Verhalten menschlichen Eigenarten anzupassen. Zet ist ein Männchen, aber er hat einige Rituale, wie sie in freier Wildbahn vorkommen, nie gegenüber Pascale angenommen. Vielmehr behandelt er den Jungen wie einen hilfsbedürftigen Verwandten, ein Jungtier, das nie erwachsen werden wird.
Es kam mir anfangs, zu Beginn unseres Projekts, in den Sinn, die Affen als Arbeitstiere anzusehen, doch sie sind mehr, viel mehr als das. Sie sind Freunde der Jungen geworden. Sie sind Familie.
Pascale spült ab, ich höre noch ein Rascheln, dann räumt Zet seinen Platz, bevor mein Sohn mit ausgestreckter linker Hand nach draußen tritt. Zet stellt sich auf seine Hinterbeine, legt seine rechte Vorderhand unter Pascales linkes Handgelenk und führt ihn zum Waschbecken. Zet, der sich so lange wieder gesetzt und den linken Arm um Pascales rechte Wade geschlungen hat, schaut mich an und grunzt zufrieden. »Pascale«, sage ich leise.
Noch im Griff des Pavians wendet sich Pascale zu mir um. Schwarz und weiß. Der kleine blinde Schwarze und die Geisterfrau. Und ein Pavian. In diesem Moment könnte das Leben nicht besser sein.
»Ich liebe dich.« Vor dem Rauschen des Windes sind meine Worte kaum zu verstehen. Außer für Pascale.
[Eddie Trick]
Eine mehr als dreißig Jahre alte Schrottkarre. Gebraucht, verbraucht, weggeworfen, notdürftig repariert. Vier unterschiedliche Reifen. Kaum noch Profil drauf. Die Pick-up-Kiste hat keine Türen mehr auf Fahrer- und Beifahrerseite. Der Regen fällt nicht mehr in diesen Killertropfen, trotzdem ist meine rechte Körperhälfte komplett durchnässt. Ich muss Samir, meinem neuen Begleiter, zugute halten, dass er nicht viel besser auf seiner linken Seite aussieht. Er rast durch jedes Schlagloch, das er finden kann. Es wird ein wilder Slalom durch die Stadt, und jede trübe Wasserfontäne, die ihm gelingt, begrüßt Samir mit einem ohrenbetäubenden Gelächter. Der Stadtkern von Maradi liegt hinter uns. Es geht durch die Nacht nach Osten, zurück zum Flugplatz.
»Müssen wir so schnell fahren?«, rufe ich Samir zu.
»Müssen wir!«, schreit der Targi zurück.
Samir ist nicht so, wie mir die Tuareg oft geschildert wurden. Der hat so gar nichts von den romantisierten blauen Rittern der Wüste, jenen Kriegern, die sich in indigofarbene Stoffe hüllen. Der Begriff Tuareg täuscht eine einheitliche Gruppierung vor, so wie nahezu jedes Volk der Erde gerne der Einfachheit halber zusammengefasst wird und verschiedene Ethnien links und rechts am Tellerrand herunterfallen lässt. Aber es gibt eben nicht den Deutschen oder den Amerikaner. Genauso wenig gibt es den Tuareg. Unter der Sammelbezeichnung gibt es unterschiedliche Stämme aus verschiedenen Gegenden. Sie fühlen sich nicht selten keinem Land zugehörig, allenfalls einer Region, die keine offiziellen Ländergrenzen kennt. Sie setzen sich für ihre Gruppe, ihre Familie ein. Traditionen befolgen die einen intensiver als die anderen. Wo die einen sich weiter der Wüste verpflichten wollen, haben sich die anderen notgedrungen auf die Städte eingelassen. Der blaue Ritter hat denselben touristischen Wert wie ein Oktoberfest; es macht sich gut auf Fotos, und den Abend mit einem von ihnen vor einem Feuerchen aus Kameldung zu verbringen, schenkt dem Urlauber einen verschämten westlich zivilisierten Schauer auf dem Rücken.
»Ich habe Flugzeug! Cessna! Du kennst Cessna?«
Samir kommt alltagstauglich gekleidet daher, dreckig von der Reise, vom Wetter, mit geflickter Bekleidung, fürs Ferienalbum taugt er nicht.
»Habe ich auftreiben können. Geld ist kein Problem, oder? Mr. UNO? Bestimmt nicht, nein?«
Ich verziehe den Mund. Samir hat auch nichts von dieser Zurückhaltung der Tuareg, die man mir weisgemacht hat, so dass sich eine Zeitlang ein Wüstennomade mit japanischen Umgangsformen vor meinem inneren Auge spiegelte. Der hier trampelt herum wie ein Elefant im Porzellanladen.
Die ganzen kleinen Flugzeuge, eine Handvoll vielleicht, stehen abseits des Landefelds. Sie geben ein tristes Bild neben einigen flachen Hangars ab. In lediglich einem davon glimmt eine nackte Glühbirne mit einer Neonröhre um die Wette. Beide Leuchtkörper sind so schwach auf der Brust, dass der Ausgang des Zweikampfes unmöglich vorherzusagen ist.
»Kriegen nie genug.« Samirs Kommentar passt auf viele Situationen dieser Art in Afrika. Soeben streichen zwei Hausa, soldatisch uniformiert, ihr Bakschisch ein und lassen es ohne jegliche Geheimniskrämerei in ihren Allzwecktaschen verschwinden. »Muss jedes Mal mehr sein«, knurrt der Tuareg mürrisch und stoppt den Wagen fünfzig Meter hinter den Wachtposten mit einer Vollbremsung.
Die Last des Fahrzeugs gräbt tiefe Löcher in den aufgeschwemmten Boden. Ein paar Regentropfen treffen mich noch. Die Luft ist erfrischend. Die Kühle wird nicht lange anhalten.
Samir sieht mich nach oben schauen. »Da ist kein Regen, wo wir hinfliegen«, sagt er.
»Ich weiß.« Wofür hält der mich? Außer für eine goldene Gans, die man schröpfen kann? Agadez liegt im Norden des Landes. Zwei Flugstunden entfernt. Dort sind die Leute für jeden Wassertropfen dankbar. Habe ich extra nachgelesen.
Ein gedrungener Mann in einem Fliegeroverall kommt hinter dem Leitwerk einer Sportmaschine hervor. Eine Hand langt zum Höhenruder, hebt und senkt es prüfend, bevor er auf den Targi zugeht, die Arme ausstreckt und den anderen Mann an den Unterarmen fasst. Samir lässt diese Berührung nicht nur zu, der Targi erwidert sie herzlich.
»Das ist keine Cessna.«
»Was?« Der Pilot wendet sich von Samir ab. »Natürlich nicht. Das ist eine Do27.« Sein Französisch ist sehr breit gezogen. Entweder ist er kein waschechter Franzose oder er ist angetrunken. Er könnte beides sein.
»Damit sind schon die Grzimeks geflogen.«
»Wer?«
»Tierfilmer«, sage ich. Kurze Frage, kurze Antwort.
»Das ist Julien. Nennen ihn bloß Frenchy.« Der Targi deutet auf ein verblichenes Staffelabzeichen auf Brusthöhe des Overalls. Es sieht wie das Emblem eines martialischen Jagdgeschwaders aus. Ein waschechter Franzose also. Was bedeutet – Dreck! Da wabert wirklich eine beträchtliche Fahne aus dem Mund von Julien. Von der Statur her könnte er ein Jockey sein. Dennoch schafft es die Mischung aus Kautabakaromen und alkoholisch transportierten Duftstoffen bis hinauf in meine Etage. Der Zwerg grinst mich mit besoffener Herzlichkeit an. Normalerweise würde ich die Freundlichkeit in irgendeiner Form erwidern, jetzt gelingt mir nur ein nervöses Augenzucken. Julien klettert überraschend geschmeidig ins Cockpit des Flugzeugs, Samir wählt den Copilotensitz.
Ich bin ihm gefolgt und versuche mich durch die hintere Luke in die Passagierkabine zu zwängen. Kopfüber zuerst, dann krabbelnd wie ein beschissen unbeholfener Käfer, krümme ich mich