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      Beruhig dich, Eddie! – Einmal schön gemütlich auf einem Kamel durch die Wüste – Eddie Halef Omar Ben ... immer langsamer rollt das Flugzeug auf seinen Abstellplatz. Der Pilot jagt noch mal Saft auf die Motoren. Ein todgeweihter Hirsch kann sich nicht furchtbarer anhören. Nach einem letzten Aufbrummen schaltet der Pilot die Maschine ab. Eine Flugbegleiterin öffnet die Außentür. Schwülheiße Luft jagt mit einem Satz in die Kabine, dringt kochend in die Lungen und raubt mir kurz den Atem. Es ist der Beginn der Regenzeit. Ich kann mich kaum an diese feuchtschwangere Luft und diesen brennenden Geschmack auf der Zunge gewöhnen.

      Als ich die Leiter am Ausstieg des Flugzeugs hinunter geklettert bin, haben die übrigen Passagiere bereits zwanzig Meter Vorsprung auf dem Weg zur Abfertigungshalle. Ich folge ihnen äußerst träge. Zwei Wasserflaschen glucksen in meiner Umhängetasche. Ich trage immer zwei Stück mit mir herum. Zur Sicherheit.

      Hell ist anders, wo mich die Einreiseformalitäten erwarten. Ein halbes Dutzend Soldaten hält sich in Sichtweite bereit. Da ist eine Unruhe in meinem Bauch, wie nach einem Luftloch und mit prickelnder Galle auf dem Gaumen. Ich reihe mich in die Warteschlange ein.

      Ein paar abgefertigten, offensichtlich nigrischen Staatsbürgern folgend, legt ein Asiate seine Papiere ordentlich vor den Schalterbeamten hin. Der sitzt an einem vorsintflutlichen Schreibtisch. Der Modernität wurde mit einer kanzelartigen Abschirmung aus Plastik Genüge getan. Es sieht aus, als habe jemand einen Schrottplatz geplündert. Aus einem im Halbdunkel gelegenen Kämmerchen tritt ein Polizist hinzu und wirft sich hinter dem Schalterbeamten in Positur. Der Gesetzeshüter ist wie aus dem Ei gepellt. Es wäre kein Problem, den Mann gleich auf der 5th Avenue einzusetzen. Ihn wage ich noch anzusehen. An den Soldaten, traditionell im Camouflagestoff aufmarschiert, die polierten russischen Sturmgewehre locker vor der Brust getragen, schaue ich bewusst vorbei. Denn die machen mir eine Scheißangst.

      [Nathalie Pagnol]

      Ein neues Geräusch weckt mich! Dieses sachte Hämmern, ganz kurz nur, dem Anschlag auf einer Tastatur nicht unähnlich, genügte, damit ich aus dem Schlaf gerissen wurde. Und, als sei jemand ertappt worden und habe es bemerkt – sogleich erstarb es, so dass ich mich fragen muss, ob ich nicht etwas aus meinen Träumen mit in die wirkliche Welt gebracht habe. Das ist Afrika.

      Ich sollte schlafen. Ich kann aber nicht. Im Schlaf jagen mich meine Träume. Ich sehe, wie sie mir meine Jungen wegnehmen. Pascale, Claude und César. Die übermächtige Angst angesichts des Verlusts der Kinder trifft mich jedes Mal mit der Wucht eines Sandsturms. Dann wache ich auf. Immer um diese Zeit. 0:30 Uhr. Immer. Ich stehe auf und achte wie stets auf die mir bekannten Laute. Gleich hinter mir im Hof höre ich das unergründliche Rauschen in den wenigen Ästen der unverwüstlichen Akazie. Der Wecker tickt vor sich hin. An der Decke flattert der Ventilator leise. Die trockenen Lehmwände melden sich wie in jeder Nacht mit diesem spröde klingenden Knacken, wenn die Kälte draußen daran nagt.

      Ich gehe auf nackten Füßen durch den kleinen Schlafraum zur Tür. Mein Nachthemd schleift über den Boden. Leise drehe ich den Türknauf. Mondschein fällt durch eine milchige, stark zerkratzte Plastikplatte über einer Deckenöffnung. Fünf Türen sind im spärlichen Licht draußen im Flur zu erkennen. Drei liegen auf der linken Seite des schmalen Ganges, eine rechts, eine weitere geradeaus, hin zu einer Rampe. Diese führt zum Hauptgebäude.

      Wir befinden uns nicht in einem richtigen Keller. Die Jungen und ich haben Fenster zum abgetrennten Hof hinter dem Anbau, der in einer Senke seitlich des wesentlich älteren Haupttraktes errichtet wurde. Leise gehe ich an den drei Räumen auf der linken Seite vorüber. Ihre Türen sind nur angelehnt. Durch einen breiten Spalt kann ich ins Innere spähen.

      Pascale schnarcht im ersten Zimmer. Ich sehe seinen Kopf im Mondlicht. Zet hat mich gehört. Von seiner Liegestatt gleich neben dem Bett des Jungen schaut er über den Rand der Bettdecke zu mir hin. Ich kann mich blind auf ihn verlassen. Witternd hebt Zet den massigen Schädel. Im Zwielicht wirken die Bewegungen seiner Lider wie ein Zwinkern. Sein Gesicht taucht nach einem kaum hörbaren Schnaufen wieder hinter dem Bettgestell ab.

      Eine Tür weiter, hinter der sich das Zimmer von Claude befindet, verbreitert sich der Türspalt bei meinem Näherkommen. Halb tritt Vau aus dem Schatten hervor, in den Knien sanft schaukelnd, eine Hand am Türknauf. Er legt den Kopf schräg. Vau ist der Clown unter den Dreien, die ich für meine Jungen ausgesucht habe. An der Seite von Claude ist er der richtige. Würde es Vau nicht geben, würde der Junge wahrscheinlich in Schwermut versinken. Auch Vau zieht sich wieder ins Zimmer zurück, nachdem er mich erkannt und festgestellt hat, dass nichts Außergewöhnliches den Tagesablauf stören wird.

      Bei der dritten Tür versuche ich es auf Zehenspitzen, wohl wissend, dass es mir nicht gelingen wird, die Wachsamkeit des dritten Primaten zu überlisten. Und wahrhaftig schaut mir der kleine Kopf von Ix aus seinem Körbchen neben dem Bett von César entgegen. Das Schleifen des Nachthemds auf dem Boden, für mich kaum wahrnehmbar, ist bereits zu laut gewesen. Ix streckt mir die Zunge heraus.

      »Au!«, jammere ich in der Sekunde darauf. Ein paar dornenbewehrte Samen haben sich in meine Fußsohlen gebohrt. »Au!«, entfährt es mir nun lauter.

      »Cram Cram«, sagt eine jugendliche Stimme aus dem ersten Zimmer. Pascale ist wach. Sein empfindliches Gehör steht dem der Affen oft in nichts nach, übertrifft es manchmal sogar.

      Die Grenze zur Sahelzone markiert ein Quälgeist, im Volksmund Cram Cram genannt, ein klettenähnliches Gewächs, dessen Samenkapseln mit dem Sand und Wind wandern, vom Tier im Fell, vom Menschen in der Kleidung über weite Strecken transportiert werden. Kleine Wunden können binnen kurzem zu einem eiternden Ärgernis werden. So wie der Sand in jede Ritze dringt, so findet Cram Cram seinen Weg in die Behausungen der Menschen.

      »Cram Cram«, sage ich mit einem gedämpften Lächeln.

      »Cram Cram«, wiederholt Pascale mit müdem Unterton.

      »Schlaf, mein Schatz«, sage ich in die Dunkelheit, mehr gehaucht, als gesprochen, im Wissen, dass mein Sohn mich trotzdem hören wird.

      [Eddie Trick]

      Ich komme mir vor dem Schalter mit meinem weißen Arsch so völlig fehl am Platz vor, da steigt draußen vor der Halle eine alte Limousine in die Eisen, die Bremsen quietschen erbärmlich laut alles wach, was in einem Radius von einem Kilometer noch nicht schläft, so scheint es. Neben all den Beulen, den rostigen Löchern, den zigfachen Lackierungen muss auch mal ein deutscher Stern vorne auf der Haube geprangt haben. Sicher kann ich mir bei dem Ungetüm nicht sein. Ein Fahrer springt raus. Die Tür lässt er in seiner Hast offen stehen. Der Mann ist schwarz, wahrscheinlich, wie die anderen hier, ein einheimischer Hausa. Der Kerl schert sich einen Dreck um die Autoritäten mit den Knarren und rempelt sich an dem Operettenbullen vorbei zum Schalterbeamten. Ohne Punkt und Komma prasselt ein Wortschwall auf den Mann ein, so dass mir der Schweiß aus buchstäblich allen Poren ausbricht. Plötzlich stehe ich im Mittelpunkt eines Interesses, nach dem ich als Weißer in einem der schwärzesten Teile Afrikas nie verlangen würde. Am Ende seiner atemlosen Tirade gestikuliert der Fahrer in meine Richtung. Vermutlich soll er mich abholen. Er hätte sich diplomatischer ausdrücken können. Den Soldaten geht sein Geschwätz offensichtlich auf den Sack. Zwei von ihnen zielen schon auf ihn. Der Schalterbeamte winkt mich mürrisch nach vorne, an zwei anderen wartenden Reisenden vorbei. Verstecken kann ich mich weder mit meiner Hautfarbe, noch mit meiner Größe von 1,98 Meter. Sollte einer von den übrigen Anwesenden furzen, käme es bei mir oben gar nicht an.

      Auf Französisch sagt der Mann zu mir: »Geben Sie mir Ihre Papiere!«

      Ich gehorche, mache es respektvoll wie der Asiate, lege meinen Reisepass und meine UN-Papiere auf die Holzplatte. Eine Beamtenhand holt mit einem Stempel so weit aus, als wolle sie dem Ausweis einen linken Haken verpassen. Ich denke, er hätte dem Hausa lieber eine gescheuert und die völlig verschmierte Seite in meinem Pass muss es nun ausbaden. Die Dokumente, die mich als Angestellten der Vereinten Nationen legitimieren, will er gar nicht sehen. Für ihn ist die Sache erledigt.

      »Kommen Sie!«, befiehlt mir der Fahrer.

      Ich gehorche wieder, was sonst? Am Wagen angekommen, blafft der Mann etwas Unverständliches. Ich improvisiere, indem ich mir mit

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