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Feuerblüte III. Катя Брандис
Читать онлайн.Название Feuerblüte III
Год выпуска 0
isbn 9783847605454
Автор произведения Катя Брандис
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Erschrocken blickte Jorak ihn an. Er wusste sofort, dass der Geschichtenerzähler recht hatte, und verfluchte sich dafür, dass er das alles nicht selbst rechtzeitig begriffen hatte. Zwar besaß er nicht viel, aber sein Dolch war wertvoll und er hätte lieber einen Finger seiner Hand hergegeben als seine selbst geschnitzte Flöte. Außerdem konnte es sein, dass die Räuber ihre Opfer anschließend umbrachten, damit es keine Zeugen gab. „Kommen wir noch raus?“
„Vergiss es. Die lassen euch nicht mehr gehen.“
„Aber warum haben sie sich die ankommenden Reisenden nicht gleich in der Gaststube vorgenommen?“, mischte sich Alena ein.
Der Erzähler zuckte die Schultern. „Anscheinend wollen sie keinen offenen Kampf riskieren. Es muss ja nur einer entwischen, um die ganze Sache auffliegen zu lassen.“
„Wir wissen nicht, wie viele Leute es sind“, überlegte Alena. „Wenn wir Glück haben, zu wenige, um es mit wachen und gewarnten Gästen aufzunehmen.“
„Aber vielleicht bekommen sie heute Nacht auch noch Verstärkung aus dem Wald.“
„Die sssollen ruhig kommen!“, fauchte Cchraskar. „Bisschen kämpfen ist gut für den Kreislauf, gut!“
Jorak verzog das Gesicht. Seinem Kreislauf wäre mit einer Runde Schlaf besser gedient gewesen. Er und Alena waren so erschöpft von ihrer Reise durch den Lanzenwald, dass sie im Moment besser keinen Kampf riskierten.
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte Alena den Blondschopf.
Der verzog den breiten Mund zu einem Grinsen. „Finley ke Nerada. Bin zwar Geschichtenerzähler, sage aber ansonsten meistens die Wahrheit. Und ihr?“
Nachdem sie sich vorgestellt hatten, beschlossen sie, dass sie sich vorübergehend trennen würden – Jorak und Cchraskar sollten sich durchs Haus schleichen und die anderen Gäste warnen. Alena und Finley würden nach unten gehen und möglichst weit unten auf der Treppe Wache halten, damit sie nicht von den Räubern überrascht werden konnten.
„Nar dann los“, brummte Cchraskar und trippelte neben Jorak her zu den anderen Zimmern.
***
Das Karénovia-Tal war eine abgelegene Gegend abseits der Handelsrouten – der nächstgrößere Ort, Novias, lag fünf Stunden Fußmarsch entfernt auf der anderen Seite der Berge.
Ganz ähnlich wie hier sieht es in den Vorbergen des Alestair-Gebirges aus, wo der Tempel des Orakels heute steht, dachte Rena, als sie über den Bergpass kraxelte und vorsichtig den von Wildblumen gesäumten schmalen Pfad zum Talgrund abstieg. Vielleicht mögen die Drillinge einfach die Berge und wollen ihnen nah sein?
Kleine Steinchen kollerten vor ihren Füßen davon, und Rena graute davor, zu stolpern und über die Kante in den Abgrund zu fallen. Wie alle Menschen der Erd-Gilde hatte sie Höhenangst. „Ich glaube, mir wird gleich schwindelig“, stöhnte sie und presste sich mit dem Rücken gegen die Felswand.
„Ist doch toll hiiier!“ Ruki schwebte über ihr vergnügt in den Aufwinden, die die Flanken der Berge hochströmten. Manchmal waren seine großen Schwingen kaum eine Menschenlänge von dem grauen Fels entfernt, der von Höhlen durchzogen war. In vielen der Höhlen nisteten Bergzarahs, wendige graue Vögel mit spitzen roten Schnäbeln. Das Piepen ihrer Brut klang wie ein vielstimmiger Chor.
Trotz ihrer Angst musste Rena zugeben, dass die Aussicht etwas für sich hatte. Wenn man sich um die eigene Achse drehte, konnte man gleich drei Provinzen sehen: Im Nordosten blickte man ins grüne Alaak, im Westen schimmerte das Seenland verheißungsvoll zu ihr herauf, und im Südosten, auf der anderen Seite der Berge, erstreckte sich das schroffe, trockene Tassos.
Von hier oben erkannte man, dass die Menschen im Tal nicht sehr gesellig zu sein schienen – der Kern des Ortes lag neben einem See und umfasste nur zwei Dutzend zusammengewürfelt aussehende Hütten. Der Rest verteilte sich in Form von abgelegenen Höfen. Auf einem davon mussten die Drillinge des Orakels geboren sein; mitten im Ort hätte man ihre Existenz nie geheim halten können.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie ihre Eltern gestorben sein könnten, überlegte Rena. War es wirklich ein Unfall und pures Pech? Hatten sie Selbstmord begangen? Hatte irgendein Erwachsener sie umgebracht – oder waren es die Kinder selbst gewesen? Noch konnte sie keine dieser Möglichkeiten ausschließen. Nur eines war sicher, der Rat hatte sich bisher nicht um die Angelegenheit gekümmert und keine Nachforschungen angestellt. Vielleicht wollten er gar nicht so genau wissen, was damals vor ein paar Wintern passiert war, Hauptsache, er hatte sein Orakel.
Je näher Rena dem Dorf kam, desto erstaunter war sie. Einige der Hütten gehörten unverkennbar zur Luft-Gilde, waren aus Gras geflochten und hatten nur dünne Strohdächer. Aber sie sah auch Erdhäuser, Pyramiden nach Art der Feuer-Gilde und aus Stein gebaute Gebäude. Und wenn sie nicht alles täuschte, dann war auch der See bewohnt – im flachen Bereich sah sie den silbrigen Stoff von Luftkuppeln schimmern, wie sie die Menschen der Wasser-Gilde bauten. Alle vier Gilden in einem Ort! Sieht so aus, als wäre man dem Rest von Daresh hier meilenweit voraus, dachte Rena erfreut.
Neugierig ging sie zu einem der Felshäuser, das ein Dach aus glattem schwarzen Stein und sorgsam zugemauerte Fenster hatte, und stieß den traditionellen Begrüßungsruf aus. Drinnen hörte sie ein Rumoren, dann wurde die Tür aufgerissen und aus dem Halbdunkel im Inneren spähte ein spitzes, misstrauisches Gesicht mit den großen Augen der Erd-Gilde. Rena begann freundlich: „Friede den Gilden, tani, ich ...“
„Was wollt Ihr?“
„Nur ein paar Fragen stellen ... ich interessiere mich für ...“
„Scher dich weg!“
Verblüfft machte Rena einen Schritt zurück. „Ich wollte doch nur ...“
Die Tür knallte zu.
„Wurzelfäule und Blattfraß“, sagte Rena. Warum hatte sich die Frau bloß so angestellt? Hasste man Fremde hier oder hatte sie etwas zu verbergen? Auf diesen Schreck setzte sie sich lieber erst mal ans Ufer des Sees und kühlte ihre Füße im Wasser. Mit rauschenden Schwingen setzte Ruki neben ihr auf und grub die Zehen in den Ufersand. „Beim Nordwind, iiich habe Hunger. Gibt´s hier was zu Essen?“
„Du hast dich überhaupt nicht verändert“, seufzte Rena und lächelte.
Es dauerte einen halben Tag, bis sie herausgefunden hatten, welches Haus einmal den Eltern des Orakels gehört hatte. Ruki flog voraus und meldete ihr, wie weit es entfernt war und dass es leerstand. Rena wanderte los und gegen Nachmittag war sie da. Mitten auf einer bunten Sommerwiese kauerte ein flaches Steingebäude mit grasbewachsenem Dach, aus dem ein Schornstein hervorlugte. Hinter dem Haus strömte ein zwei Menschenlängen breiter Fluss entlang. Das Haus begann schon zu zerfallen; auf dem Dach erhoben sich stolz wie Eroberer ein halbes Dutzend junge Bäume.
Rena stapfte durch das hohe Gras der Wiese, umrundete das Haus und versuchte ins Innere zu spähen. Doch die Fenster waren zugenagelt, sie konnte nichts erkennen. Rena überlegte, ob sie einbrechen sollte, entschied sich aber dagegen. Unwahrscheinlich, dass da drinnen des Rätsels Lösung zu finden war.
Enttäuscht kehrten sie ins Dorf zurück. „Wir müssen noch einmal versuchen mit einem der Dorfbewohner zu reden“, meinte Rena. „Wie wär´s, wenn du mitkommst? Wir probieren´s mal bei der Luft-Gilde.“
Zu ihrer Überraschung wurde sie in der Grashütte sofort eingelassen. Das war allerdings nicht Renas Verdienst, sondern Rukis. Kaum hatte sich die Tür einen Spalt vor ihnen geöffnet, begann er schon die Bündnisformel zu schmettern. Obwohl die eigentlich dazu da war, dass Menschen die mit ihrer Gilde verbündeten Halbmenschen um Hilfe bitten konnten. „Windschwester, Wolkenbruder, Nestgefährte ...“
„Halt den Schnabel, beim Nordwind, weißt du denn nicht, dass das geheim ist?“, zischte es erschrocken hinter der Tür hervor. „Los, kommt rein!“
„...