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alles richtig gemacht. Statt die verlorene Ziege zu suchen, wie er es eigentlich hätte machen müssen, war er in die Schlucht gestiegen um die Frau zu retten, und er war reich dafür belohnt worden.

      Misstrauisch sah der Idiot auf die kleine Herde, die in der Nähe stand und sich auf die kärglichen Grasinseln verteilt hatte. Er musste ein wenig aufpassen, dass Giles, der Leitbock, nicht zu nahe herankam. Wenn Giles etwas roch, das er für fressbar hielt, war er kaum noch zu halten und konnte richtig bösartig werden, wenn er es nicht sofort bekam. Der Idiot erinnerte sich an einen schmerzhaften Rammstoß, der ihm von Giles verpasst worden war, als er ihm leichtsinnigerweise ein Stück Melone gezeigt hatte. Tagelang hatte seine Hüfte geschmerzt und er hatte zu Albert gehen müssen, der auf dem Hof all die versorgte, die sich verletzt hatten. Albert hatte aber nur gelacht, ihn weggeschickt, und ihm den Rat gegeben, sich besser nicht wieder mit Giles anzulegen.

      Giles war weit weg, und der Idiot berührte das große Stück Käse mit dem grauweißen Überzug, das der Patron ihm zum Lohn geschenkt hatte. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, aber er wartete noch. Lieber roch er ein wenig an dem frischen Brot, das der Koch des Bauernhofes ihm auch noch in das Tuch gelegt hatte, das ihm als Tragebeutel diente.

      Köstlich! Der Idiot konnte sich nicht erinnern jemals solche Schätze sein Eigen genannt zu haben. Und erst die Flasche Wein ... Wann hatte er zum letzten Mal Wein getrunken? Der Idiot wusste es nicht mehr. Ein kehliges Knurren drang tief aus ihm heraus. Die Vorfreude wuchs ins Unermessliche, aber er würde noch abwarten, den Genuss noch hinauszögern.

      Das Warten hatte der Idiot gelernt. Solange er sich erinnern konnte, hatte er immer gewartet. Im Winter auf den Sommer, darauf, dass der Koch ihm morgens altes Brot und, wenn er Glück hatte, eine Schüssel Haferbrei gab, darauf, dass er ein paar Bretter bekam, um seinen maroden Unterstand zu flicken, und bei vielen Gelegenheiten mehr. Seine Schuhe waren kaputt und auch wenn er fragte, er bekam keine neuen. Seit zwei Wintern schon lief er mit sich ablösenden Sohlen und offenen Nähten durch Schnee und Eis. So hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, seine Schuhe zu schonen, und auch bei tiefen Temperaturen barfuß zu gehen. Nur bei Schnee und Frost, da ging das nicht mehr.

      Der Idiot fühlte sich reich. Käse, Brot und Wein! Er würde ein Fest feiern, und dann hatte er sogar noch den Zauberstein gefunden, den der Stier verloren hatte.

      Mit zitternden Händen, nahezu ehrfürchtig, griff der Idiot nach dem Stein und nahm ihn von dem Tuch. Er war leicht, und von einem so intensiven Rot, dass ihm der Atem stockte. Nie zuvor hatte er etwas so Schönes gesehen.

      Vorsichtig schaute der Idiot sich um. Es war niemand in der Nähe und auch Giles graste in sicherer Entfernung. Sicherlich war dieser Zauberstein sehr wertvoll, aber er war es, der ihn gefunden hatte und er würde ihn behalten. Hoffentlich verriet die Alte ihn nicht, die er beim ersten, schwachen Licht des Tages in den Bergen gerettet hatte. Aber der Idiot glaubte eigentlich nicht, dass sie von dem Stein etwas wusste.

      Die Alte! Der Idiot kicherte verhalten. Sie war so dumm! Selbst die jüngste Ziege aus seiner Herde wusste, dass man vom Tête de Cheval aus nicht in die Schwarze Schlucht hinabsteigen konnte, aber sie war in der Dunkelheit darauf zugestürmt, ohne darauf zu achten, wo sie hintrat.

      Der Idiot hätte vor Schreck fast aufgeschrien, als sie den Boden unter den Füßen verlor und in der Tiefe verschwand. Die Männer, die mit dem Stier gekommen waren, hatten aber gelacht. Sie mochten die Frau nicht. Die Frau war vor ihnen weggelaufen. Sie hatte Angst vor ihnen gehabt, das hatte er genau gesehen. Sie hatten ihr nicht geholfen. Das waren keine guten Menschen. Der Idiot hatte sich noch tiefer in sein Versteck zwischen den Bäumen geduckt.

      Erst als die Männer mit dem Stier verschwunden waren, hatte er sich getraut, zur Abbruchkante zu gehen. Er hatte die Alte nicht sofort gesehen, aber er kannte die Stelle. Ein gutes Stück weiter unten wuchs ein kleines Plateau aus dem Fels, das zur Wand hin leicht abschüssig war. Vor zwei Sommern hatte er dort ein abgestürztes Tier geborgen. Von oben war diese Stelle kaum zu entdecken.

      Es war schwer gewesen, sich zu entscheiden. Da war die verlorene Ziege, die er finden musste, aber da war auch diese Frau, die vielleicht noch lebte. Wenn er etwas falsch machte, würde er Schläge bekommen, besonders, weil es eine Frau war.

      Es war dem Idioten verboten, Frauen zu berühren, ja nur in ihre Richtung zu schauen. Alle auf dem Hof wussten das. Früher hatte er mal gegen diese Regel verstoßen und sie hatten auf ihn eingeschlagen, bis er sich losgerissen hatte und in die Berge geflüchtet war. Tagelang hatte er gehungert und die Rückkehr war schrecklich gewesen. Er würde es nie wieder wagen, den Zorn der anderen auf sich zu ziehen.

      Aber der Prediger hatte doch gesagt, dass man allen Menschen in Not helfen muss. Und auch von ihm gab es Prügel, wenn man die Gebote nicht befolgte. Was sollte er nur tun?

      Unschlüssig hatte der Idiot an der Abbruchkante gestanden und sich mal in diese, mal in jene Richtung gewandt. Schließlich war ihm aber eingefallen, dass Ziegen alle Tage verschwanden und er nie dafür belohnt worden war, wenn er eine wiederfand. Vielleicht würde das bei der Frau ja anders sein. Vielleicht würde der Patron sich ja freuen, dass er die Gebote der Gemeinschaft so gut befolgt hatte und ihm einen Extrabissen zustecken.

      Das hatte den Ausschlag gegeben. Mit geübten Bewegungen war er in die finstere, schmale Schlucht hinuntergeklettert. Wenn er sich auch auf ebenem Grund eher tapsig und unbeholfen bewegte – klettern konnte er gut und er war jetzt entschlossen, sich eine Belohnung zu verdienen. Der eigentliche Grund, weswegen er schon weit vor der Morgendämmerung unterwegs gewesen war, war unwichtig geworden. Die Ziege, die seit gestern Abend fehlte, konnte er auch später noch suchen.

      Ungefähr die Hälfte der Strecke bis zum Plateau hatte er zurückgelegt, da hatte er ein leises Wimmern gehört. Plötzlich war etwas passiert, womit der Idiot nicht gerechnet hatte. Dieses schwache Klagen hatte sich so schmerzerfüllt angehört, dass es ihn in seinem Inneren berührt hatte. Der Gedanke an Belohnung war weit in den Hintergrund getreten. Die Frau hatte Schmerzen, und Schmerzen waren schrecklich. Er wollte ihr helfen. Mit verstärkten Anstrengungen hatte er sich zu ihr hinabgearbeitet. Der verwitterte Fels war hier und da unter dem Griff seiner starken Hände zerbröckelt und mehr als einmal hatten seine Füße den Halt verloren, aber er hatte es geschafft.

      Es war nicht einfach gewesen, die Frau durch die Felswand nach oben zu bringen. Zuerst war sie vor ihm zurückgewichen und fast von dem schmalen Felsband endgültig in die Schwärze der Schlucht gestürzt. Mit beruhigenden Gesten und Worten hatte der Idiot ihr bedeutet, dass er gekommen war, um sie zu retten, und nach einiger Zeit hatte sie ihn tatsächlich verstanden.

      Sie war zwar alt, aber es war nichts kaputt an ihr, außer ein paar blutenden Wunden an Händen und Knien. Er hatte ihr die Griffe gezeigt, die sie anwenden musste, um das Stück Fels zu bezwingen. Sie hatte nicht alles begriffen, aber schließlich hatte sie mit erstaunlicher Kraft mit dem Aufstieg begonnen.

      Der Idiot war ihr gefolgt, bereit jederzeit zuzugreifen, falls sie abrutschen sollte. Das durfte man bestimmt. Er hatte sie auch genau im Auge behalten, wie sie so über ihm im Fels hing und sich Handbreit für Handbreit nach oben zog. Es war seltsam erregend gewesen, sie dabei zu beobachten, ihre Schenkel zu sehen, die sich in der Anstrengung anspannten. Das war doch bestimmt nicht verboten. Es ging ja um ihr Leben.

      Schließlich hatten sie die Abbruchkante erreicht. Die Frau war auf ihn zugekommen, als sie auf ebenem Grund angelangt waren, aber da hatte er sich schnell ein paar Schritte weit zurückgezogen. Sie hatte ihn berühren wollen, aber das konnte er nicht zulassen. Sie würde den anderen davon erzählen und die Strafe dafür wäre ihm sicher gewesen.

      Verstohlen schaute der Idiot auf seine Hand. Die Frau war zwar alt, aber ihre Schenkel waren muskulös und ihre Haut war weich gewesen. Noch nie hatte er so etwas erlebt. Er hatte sie angefasst, als sie plötzlich abgerutscht war und er sie gestützt hatte. Er hatte sie dabei an einer Stelle berührt, die er auf keinen Fall hätte berühren dürfen. Es war nicht anders gegangen. Er hatte nichts dafür gekonnt. Er hatte sich gefragt, ob sie ihn verraten würde, und versucht ihr klar zu machen, dass sie das keinesfalls tun dürfe.

      Auf dem Weg zum Hof hatte er immer wieder daran denken müssen, und jedes Mal hatte er sich geduckt, als würde er die Schläge

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