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ja wohl nichts.“

      „Bleib sitzen. Ich hol dir was.“ Er steht auf.

      „Woher denn?“, will ich wissen.

      „VIP-Lounge“, grinst er. „Ich hab da so Verbindungen.“ Er zwinkert mir zu, dreht sich weg und geht mit schnellen Schritten davon.

      Ich sehe ihm nach, wie er die Treppe hinabgeht und aus meinem Blickfeld verschwindet. VIP-Lounge? Das ist doch nur was für die Superreichen. Hoffentlich erwischen sie ihn nicht, wenn er da einen Snack für mich abgreift.

      Während ich warte, schaue ich mich um. Ist schon ein gigantisch großer Laden, das Les Sables. Auf der Bühne sind immer noch die Tanzmädchen. Sie tanzen einzeln auf dem Catwalk und dann wieder in der Gruppe. Da unten habe ich eben gestanden und der ganze Saal hat mir applaudiert. Ein seltsames Gefühl. Wenn ich ganz ehrlich mit mir selbst bin, war es wie ein Rausch. Ich will da wieder hin. Kann so was süchtig machen?

      Es dauert. Ich halte Ausschau nach Diego. Er kommt nicht zurück. Vielleicht hat er jemanden getroffen, den er kennt? Dafür entdecke ich jemand anderen: Mein Paps kommt die Treppe herauf. Unwillkürlich ducke ich mich etwas, aber er hat mich schon gesehen. Schon sein Gang verrät mir, dass er schlechte Laune hat und auch sein Gesicht lässt nichts Gutes ahnen. „Warum gehst du nicht ans Telefon?“, fragt er, als er vor mir steht.

      „Hab ich in der Tasche, in der Garderobe. Hast du versucht, mich anzurufen?“

      „Weshalb frage ich wohl?“

      Ja, weshalb fragt er wohl? „Entschuldige, ich hab nicht dran gedacht!“

      „Hol dein Zeug und komm!“, fordert er.

      „Aber ich kriege gleich was zu essen“, wende ich ein und schaue wieder nach Diego, aber der ist nirgends zu entdecken.

      „Du kriegst gleich einen ganz gefährlichen Anpfiff, wenn du nicht sofort mitkommst!“

      „Ach, Papa!“

      „Keine Diskussion! Hol deine Sachen und komm. Ich warte am Ausgang.“

      Den Ton kenne ich. Jetzt heißt es schnell werden, wenn er sich heute noch beruhigen soll. Ich flitze die Treppe hinab, durch die Halle, reiße die Stahltür auf und stürme die paar Stufen empor. Auf dem Treppenabsatz steht Felix mit einem schwarzhaarigen Typen und einer Frau. Ich winke Felix hektisch zu und rase weiter in die Garderobe. Schnell schnappe ich mir die High Heels und will sie in den Leinenbeutel stecken, den ich mitgenommen habe. Etwas fehlt!

      Ich glaub das nicht! Jemand hat meine Schärpe und mein Krönchen geklaut! Rasch greife ich in den Beutel. Ein Glück, das Handy ist noch da. Ich schaue auf das Display und werde blass. Fünf Anrufe von meinem Vater! Kein Wunder, dass er sauer ist. Schließlich hat er gerade zwanzig Euro Eintritt bezahlt, nur um mich hier rauszuholen.

      Eilig verlasse ich die Garderobe. „Ich werde abgeholt!“, rufe ich Felix zu, die immer noch mit diesen Leuten auf dem Treppenabsatz steht.

      „Jetzt schon?“ Sie schaut mich an.

      Der Mann wendet sich ein wenig ab und sieht auf den Edelwecker an seinem Handgelenk, während die Frau ein Taschentuch vor das Gesicht hebt. Die beiden sind todschick in ihren Designerklamotten, aber mir gefallen sie trotzdem nicht sonderlich. Produzenten vielleicht? Talentscouts?

      Kurz vor der Treppe schaue ich selbst auf meine Uhr. Fast Zwölf! Mist!

      „Mein Vater ist sauer!“, teile ich Felix noch mit und stürme die Stufen hinab. „Bis morgen!“, rufe ich noch, aber die Antwort höre ich schon nicht mehr. Krachend schlägt die schwere Stahltür hinter mir zu und ich sehe zu der Empore hin. Diego ist noch nicht wieder an unserem Tisch und mein Vater kriegt die Krise, wenn ich ihn jetzt suchen gehe. Schweren Herzens schlurfe ich zum Ausgang.

      „Nun komm!“, ermuntert mein Vater mich. So richtig sauer scheint er schon nicht mehr zu sein.

      Quer vor dem Haupteingang. steht ein riesiges, jeepartiges Auto. Hummer werden die genannt, glaube ich. Die Reifen sind sehr hoch und breit, der tiefschwarze Lack funkelt im Schein der Außenbeleuchtung, und auf die Seite ist mit wenigen Strichen der Umriss eines angreifenden Stiers aufgemalt. Da möchte ich einsteigen, in den Hummer, und nicht in unseren Kombi.

      Mein Vater bemerkt meinen Blick und zieht sofort die richtigen Schlüsse daraus. „Schönes Auto!“, stellt er fest.

      „Ja!“ Was soll ich sonst sagen?

      „Schön, dass es so was gibt, aber man muss es nicht unbedingt haben.“

      Manchmal ist er ein richtig anspruchsloser Philosoph, mein Papa. Besonders, wenn es um seine Brieftasche geht.

      Die Rückfahrt zum Campingplatz verläuft zuerst schweigsam, aber dann will Papa wissen, wie es denn so war. Ich fange an, zu erzählen und kann plötzlich nicht mehr aufhören.

      Im Licht der Armaturen sehe ich, dass er lächelt. Es gefällt ihm wohl, dass ich den zweiten Platz gemacht habe. Ich erzähle auch von Felix und Celine, von dem Mädchen mit der Sicherheitsnadel und dem geklauten Krönchen. Nur Diego halte ich aus der Story raus. Das geht ihn nichts an.

       18 FLUCHT

      Diego saß auf dem schwach erleuchteten Parkplatz in seinem Wagen und hatte den Kopf auf das Lenkrad gelegt.

      Die alte Gier war wieder da. Sie war nicht tot. Sie hatte nur in einem finsteren Winkel seiner Seele geschlafen und war bei der ersten Gelegenheit wieder über ihn hergefallen. Die ersten, zaghaften Berührungen vor der Bühne am Strand hatten sie zwar noch nicht wieder völlig aufgeweckt, aber jetzt, nach diesem leidenschaftlichen Kuss in der Disco, war sie hellwach, hatte die dünnen Stäbe ihres lächerlich schwachen Käfigs durchbrochen, und stand höhnisch grinsend vor ihm.

      Als die Misswahl näher gerückt war, hatte Diego seinen Platz auf der Empore verlassen und war zur Bühne gegangen, so dass Lana ihn sehen konnte, wenn sie auftrat. Zuerst hatte ihn aber ein Tanzmädchen aus dem Vorprogramm bemerkt. Diego hatte gespürt, dass sie Blickkontakt zu ihm aufnahm und versuchte ihm besonders zu gefallen. Geübt darin, solche Situationen zu entschärfen, hatte Diego ihr bedauernd zugelächelt und kurz hinter sich in den Saal gedeutet. Da war zwar niemand gewesen, den er näher kannte, aber das Mädchen hatte glauben müssen, dass seine Freundin da irgendwo herumlief. Sie hatte auch eine bedauernde Geste gemacht und sich wieder dem Tanz mit ihren Kolleginnen gewidmet.

      Schon bald war die Musik leiser geworden, die Tanzmädchen hatten ihre Vorstellung abgebrochen und Vincent war auf die Bühne gekommen. Er hatte sich ein drahtloses Mikrofon geschnappt und zu langweiliger Hintergrundmusik die Regeln der nun folgenden Veranstaltung erklärt, während hinter ihm aus den Höhen der Halle ein Banner herabschwebte, auf dem das Label einer bekannten Modemarke gleich dreimal groß zu sehen war.

      Vincent ließ es sich nicht nehmen, in seinem Laden die Ansagen selbst zu machen. Er hielt sich für einen begnadeten Entertainer und wenn das Schicksal es besonders schlecht mit dem Publikum meinte, gab er sogar ab und zu eine kleine Gesangseinlage. Heute hatte er zum Glück etwas Besseres zu tun gehabt.

      Die Leute im Saal waren von der Show voll begeistert gewesen, wenn Vincent auch bei jedem Act dieselben Sprüche gebracht hatte. Darauf kam es nicht an. Selbst in diesem schon leicht alkoholvernebelten Klima war die natürliche Ausstrahlung der Mädchen voll rübergekommen. Die Gruppe ernsthaft Angetrunkener, die zuerst noch herumgegrölt hatte, war von drei Türstehern darauf hingewiesen worden, dass sich so was nicht gehört. Da alle drei aussahen, wie erfahrene Kampfsportler, was sie auch waren, war dann schnell Ruhe gewesen.

      Diego hatte dafür gesorgt, dass Lana bei jedem Auftritt ein wenig Extraapplaus bekam, aber das wäre eigentlich überhaupt nicht nötig gewesen. Ganz ohne Zweifel hätte sie den ersten Platz belegt, wenn da nicht die Nichte eines superreichen Medienzaren gewesen wäre. Darauf hatten Vincent und seine Jury natürlich Rücksicht nehmen müssen und so war sie es gewesen, die den ersten Platz bekommen hatte. So lief das nun mal: Lass meine Nichte gewinnen, und meine Zeitungen berichten nur Gutes über deine Disco. Lass sie

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