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Gottheit allein zu treiben in dieser Gotteswelt“.

      Hier pervertiert sich eine Anlage im Denken Eckharts, die aus der Bewegung resultiert, das der Mensch Gott aus sich selbst heraus produzieren könne („ich bin selber Gott“ und „alle Besonderung, alle Persönlichkeit (wird) wieder aufgelöst in die Mutterlauge, aus der sie herausgelöst war.“)

      Es ist zu billig, hier jegliche wirkliche Tendenz bei Eckhart abzustreiten, in dieser vulgären Form von Adaption.

      Paul Celan wird dies nachdrücklich, und in ganz ausdrücklicher Rezeption Eckharts, ausweisen.

      Im 20. Jhdt. finden weitere Eckhart-Spuren sich bei Gustav Landauer, Rilke, C.G. Jung (dessen „Mysterium Coniunctionis“ mit dem Streben nach „maximaler Integration“ in der Überwindung aller Gegensätze und Widersprüche), Heidegger, Jaspers, Fromm u.a..

      So schildert Rilke ein Erlebnis in der Nacht des 26. September 1899, wo ihm offenbart worden sei, dass „die Wurzel Gott eines Tages Frucht tragen werde“. Diese Frucht aber ist, wie bei Eckhart so bei Rilke, der „göttliche Mensch“. Wie Eckhart flieht Rilke die Mauerkirche von St. Peter in Rom, die er als „hohle Puppe“ denunziert; wie Eckhart sucht er Gottunmittelbarkeit bar jeder Vermittlung, nicht Heilige, nicht Christus können dieses Streben mindern, mildern oder ersetzen.

      Hier, wie bei vielen der zuvor erwähnten Eckhart-Rezipienten ist auch der entsprechend-überkühne hochfahrende Zug verspürbar, der gegen Eckhart in der Bulle vom 27. März 1329 anklagend vermerkt wird.

      Weitere Inhalte

      61 Im Zusammenhag dieser Celan-Gedichte in Auseinandersetzung mit Meister Eckhart bin ich Lydia Koelle dankbar. Ihr Buch: Lydia Koelle, Paul Celans pneumatisches Judentum. Gott-Rede und menschliche Existenz nach der Shoah, Mainz 1997, gehört sicherlich ins Maßgebliche zur Eckhart-Rezeption Celans. Siehe dort vor allem das 4. Kapitel: „Zu dir hin.“ Das Eckhart-Triptychon in Lichtzwang , S. 167-231. Vgl. zur Frage nach der Möglichkeit einer Theologie nach der Shoah auch: Markus Roentgen, Alles verstehen hieße alles verzeihen....Prolegomena zu Anlaß und Unmöglichkeit von theologischen Reflexionen nach Auschwitz – Ein Versuch. Bonn 1991.

      Paul Celans letzter selbst für die Veröffentlichung vorbereiteter Gedichtband zu Lebzeiten, in seinem Todesjahr 1970 (seine Lebensdaten: Geboren am 23. November 1920 als Paul (Pessach) Antschel in Czernowitz, Bukowina; Selbsttötung in der Seine, Paris April 1970; aufgefunden am 1. Mai 1970), mit dem Titel: Lichtzwang beschließt durch drei Gedichte mit unmittelbarem Eckhart-Bezug.

      TRECKSCHUTENZEIT,

      die Halbverwandelten schleppen

      an einer der Welten,

      der Enthöhte, geinnigt,

      spricht unter den Stirnen am Ufer:

      Todes quitt, Gottes

      quitt.

      Du SEI WIE DU, immer.

      Stant vp Jherosalem inde

      erheyff dich

      Auch wer das Band zerschnitt zu dir hin,

      inde wirt

      erluchtet

      knüpfte es neu, in der Gehugnis,

      Schlammbrocken schluckt ich, im Turm,

      Sprache, Finster-Lisene,

      kumi

      ori.

      WIRK NICHT VORAUS,

      sende nicht aus,

      steh

      herein:

      durchgründet vom Nichts,

      ledig allen

      Gebets,

      feinfügig, nach

      der Vor-Schrift,

      unüberholbar,

      nehm ich dich auf,

      statt aller

      Ruhe.

      Anmerkungen als Hinführung zu den Eckhart-Gedichten

      Die drei Gedichte Celans „Treckschutenzeit“, „Du sei wie du“ und „Wirk nicht voraus“ stehen in einem hermeneutischen Zusammenhang. Alle bergen, teilweise wörtliche, Zitate aus den mittelhochdeutschen Predigten Eckharts. Celan hatte, so weist es seine eigene Bibliothek aus, die gegenwärtig im Deutschen Literaturarchiv in Marbach/N. aufbewahrt wird, Eckharts Schriften tief in sich aufgenommen. Er konnte sich auf große jüdische Denker wie Georg Simmel (in seinem Rembrandt-Buch) oder Gustav Landauer, der 1903 ein Buch mit Texten von Eckhart herausgibt, welche er selbst ins Hochdeutsche übertragen hatte, beziehen als Vorläufer seiner eigenen Auseinandersetzung mit der Mystik Eckharts. Wird die Mystik als cognitio Dei experimentalis auch von der theologischen Dogmatik heute geltengelassen als eine erfahrungsgetränkte Erkenntnisform innerhalb der Theologie, so korrespondiert dies ganz eigentümlich zu einem Wort Celans, welches sein Verständnis von Dichtung ausweist, dass Lyrik Mystik sei!

      Celan erfährt in der mittelhochdeutschen Sprachform Eckharts, mit seinen Paradoxien, Grenzverschiebungen, Aufladungen und Erweiterungen das, was er selbst in seinem Ringen um das Sagbare und Unsägliche in seiner Dichtung preisgibt. Geschieht dies bei Eckhart aber vornehmlich als sprachlich-geistiges Geschehen, als Geburt Gottes im Intellekt und in der Seele, im Seelengrund des Menschen in der unio mystica, so greift dies, in Celans Dichtung nach der Shoah am jüdischen Volk durch Menschen deutscher Sprache, in die geschichtliche Existenz dieses Menschen, zeitvoll, von unermesslichem, von äußerstem Leiden sichtlich gebrannt (Celans Eltern sind in den Lagern aus Gas vernichtet worden, Celan erfährt davon im Winter 1942/1943; seine Mutter vor allem hatte ihm das Deutsche als Mutter-Sprache ins Herz gelegt); geschichtsverhaftet ohne Absprung in ein geschichtsjenseitig-geistig-seelisches Apriori, welches aposteriori wieder eingeholt werden soll.

      Wie bereits im Gedicht „Tenebrae“ so auch in „Treckschutenzeit“ und „Du sei wie du“ dreht Celan Eckharts enthöhten (inthoeget) Gott aus der Geist- und Seeleneinheitserfahrung des Lebens regelrecht um in den zur leidensfähigen Menschengestalt erniedrigten Gott, mit dem leidenden Sprachleib des geschichtsgezeichneten Menschen eins, der einen Ort hat, konkret, geschichtlich, zeitgebunden – und nur daraus messianisch.

      Die drei Eckhart-Gedichte entstehen in der ersten Adventswoche 1967. Celan wusste um die Verwendung der Verheissungen Jesajas in der christlichen Liturgie dieser Zeit im Kirchenjahr.

      Während Eckhart in seiner Predigt 14 „Surge illuminare iherusalem“ den Jesajatext mit der Prophezeiung der Geburt des Messias und mit Jerusalem als Ort der endzeitlichen Sammlung der Völker allegorisch als reines Seelengeschehen der „Innung“ zwischen Gott und dem Menschen beschreibt, lässt Celan, in der Verwendung des Eckhartschen Wortes „geinnigt“ (gleichsam durch Eckhart hindurch) dies ganz und nur inkarnatorisch konkret-geschichtlich-ortsbezogen werden.

      Texthinweise zum Verständnis der Gedichte

      Zu Treckschutenzeit

      „Trecken“ ist ein mittelhochdeutsches Wort mit der Bedeutung „ziehen“ (heute noch etwa im Eifeler Dialekt vorfindlich, wo der Traktor „Trecker“ heißt), „schleppen“ als schwere körperliche Arbeit; die „Treckschute“ (vgl. auch das seemännische „treideln“) ist die holländische Bezeichnung für ein Schleppboot, das von Menschen vom Ufer aus und längs dem Ufer gezogen wird. (Vgl. auch das Kirchenlied des Advent aus dem 15 Jhdt. „Es kommt ein Schiff geladen“). Das „Schleppen“ an „einer der Welten“, die „Stirnen“, die „am Ufer“ sind, schleppen die Last als „Halbverwandelte“. Der „Enthöhte“ ist „geinnigt“ mit denen, die am Ufer schleppen.

      In Eckharts Predigt „Surge illuminare iherusalem“ (Dw I 230,4) übersetzt er den Vers Jes 60,1 ins Mittelhochdeutsche und nimmt durch die Übersetzung im Vers eine doppelte Bewegung wahr: „ ‚stant vp jherosalem inde erheyff dich inde wirt erluchtet‘ „. Allegorisch wird Jerusalem als eine Höhe ausgelegt,

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