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nun in dem Kind. Das konnte nicht gut sein.

      Nadine war noch nie bei einer Geburt dabei gewesen. Aber so viel Blut konnte nicht normal sein. Solch einen Blutverlust konnte niemand überleben. Nadine wandte all ihre Aufmerksamkeit der Mutter zu. Das Kind reichte sie den ersten Händen, die sich ihr entgegenstreckten.

      Zitternd nahm der Senjyou ihr das Kind ab und wog es sachte hin und her.

      Es schrie immer noch nicht.

      Aber darum konnte sich Nadine später kümmern. Es atmete und bewegte sich. Das reichte ihr für den Augenblick. Jetzt verlangte die Mutter all ihre Aufmerksamkeit.

      Sie lag still da. Die Lippen weiß und spröde, kein Tropfen Blut oder Energie schien in ihr übrig zu sein. Als hätte das Baby alles aufgebraucht und nichts mehr für die Mutter übrig gelassen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig und die Augen waren nach hinten gerollt, während ihre Augenlider unkontrolliert flackerten.

      Nadine hatte einige Bücher über Heilung gelesen, vor allem über Heilpflanzen, doch ... Bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, stoppte die Atmung und die Augen starrten leer in die Luft.

      „Nein!“, schrie es in Nadine. Sie konnte nicht mit dem Tod umgehen, hatte es noch nie gekonnt. Schon als Kind hatte sie sich im Herbst eingeschlossen, wenn alle Blätter an den Bäumen abstarben, und geweigert, das Haus zu verlassen. Während die anderen nur die schönen Farben sahen, fühlte Nadine das Erlöschen von Leben. Erst später hatte sie verstanden, dass es einen Herbst und Winter geben musste, damit der Frühling kommen konnte. Keine Geburt ohne Tod. Das hatte sie verstanden, doch es gefiel ihr trotzdem nicht.

      Und jetzt lag vor ihr eine junge Frau, in der Blüte ihres Lebens. Tot. Dann hörte Nadine Halif schreien: „Weg von dem Körper!“ Er legte beide Hände auf den Brustkorb der Frau und Nadine spürte, wie Energie in Halifs Körper fuhr. Die Luft lud sich auf, aus Halifs Händen strömten Blitze und der Körper der Frau zuckte.

      Immer wieder jagte Halif Energieströme durch den leblosen Körper. Nach dem vierten Mal spürte er, wie das Herz zuerst langsam, dann immer schneller schlug. Die Frau sog scharf Luft in ihre Lungen und atmete wieder.

      Sie lebte.

      Sie war gestorben und lebte wieder.

      Voller Bewunderung blickte Nadine Halif an. Er war großartig, wo sie versagte. Sie liebte ihn. Das wurde ihr wieder klar. Egal, was in der Vergangenheit war, wie viele uneheliche Kinder er auch hatte. Sie liebte ihn und wollte bei ihm sein. Sie schaute sich in dem kleinen Kreis um. Tränen liefen über die Wangen von Halifs Sohn. Die Atmung des Airen ging unregelmäßig. Dann bemerkte sie, dass noch jemand im Raum geblieben war. Der Mann, der Halif beschützt hatte. Er schaute mit gerunzelter Stirn von der Mutter auf dem Boden zu dem Baby in den Armen des Senjyou, als könnte er sich über etwas nicht klar werden.

      Mit Sorge sah Halif, wie Nadines Hände zitterten. Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie fest.

      Nadine sah ihn dankbar an und sagte die Worte, die ihn alles andere vergessen ließen: „Ich liebe dich.“

      Er nahm sie in den Arm und drückte sie an sich, so wie Mikhael die immer noch bewusstlose, aber atmende Serena an sich presste.

      Mit jedem Herzschlag, den Mikhael spürte, beruhigte sich die Panik, die ihn ergriffen hatte und der Schmerz bei dem Gedanken, dass er Serena für wenige Sekunde verloren hatte, ebbte langsam ab. Wenn er auch wusste, dass dieses Gefühl nie ganz verschwinden und seine Angst für immer nähren würde.

      Malhim blickte zu den zwei Männern, die sich so ähnlich sahen, und sein Herz zog sich zusammen. Beide hielten die Frau im Arm, die sie liebten. Die Tragweite der Konsequenzen seiner Taten wurde Malhim erst jetzt wirklich bewusst. Durch sein unkontrolliertes Handeln in jener einen Nacht hatte er das Recht verwirkt, Serena so im Arm zu halten wie jetzt Mikhael. Er hatte sich die Chance genommen, ihr Herz zu erobern. Doch was geschehen war, konnte nicht ungeschehen gemacht werden.

      Er blickte auf das Gesicht seines Kindes und sein Herz zog sich vor Schmerz und Freude zusammen. Es hatte Serenas schwarze Locken und mit kristallblauen Augen, die ihre sein könnten, schaute es ihn an. Doch die Formen der Nase und Lippen erinnerten an seine. Sachte berührte Malhim die Spitzen der Ohren. Nicht ganz so spitz wie seine, aber nicht so rund wie bei Vostoken. Eine Last fiel von ihm ab. Es war sein Kind. Auch wenn er es nie zugeben würde, so hatten ihn doch Harils Worte verletzt und die Möglichkeit verrückt gemacht, dass es nicht sein Kind, sondern das von dem verrückten Schlüssel sein könnte.

      Wenn es nicht seins gewesen wäre, hätte er nichts, das ihn mit Serena verband und er hätte sie gehen lassen müssen. Für immer. Aber jetzt, jetzt hatte er etwas, das sie verband. Für immer. Er hatte ein Grund an ihr festzuhalten. Vielleicht würde sie lernen, ihn zu lieben. Mit den Jahren, für ihr gemeinsames Kind. Malhim blickte auf Mikhael und zu dem Mann, dem er wie aus dem Gesicht geschnitten war, dann auf Serena.

      Sie waren verwandt. Das konnte jetzt keiner mehr leugnen oder ignorieren. Doch Malhim wusste, dass die beiden nicht ohne einander konnten. Er hatte mit schmerzender Brust feststellen müssen, dass Serena während ihren Attacken immer nach Mikhael gegriffen und nach ihm gerufen hatte. Nur seine Nähe hatte sie wieder zu sich gebracht. Und Mikhael? Er war für sie da. Serena hatte Mikhael das Leben gerettet. Aber Malhim war sich sicher, dass es mehr als Dankbarkeit war, das Mikhael für Serena empfand.

      Während sie Serena in eines der leeren Zimmer des Klosters transportierten, betrachteten alle sie mit Sorge und das Kind mit ...

      Sah Halif wirklich Angst in ihren Augen?

      Wo war er nur hineingeraten?

      Halif hatte aufgrund eines Buches dieses Kloster aufgesucht, war Nadine begegnet und hatte in ihr den Funken der Götter erkannt. Sie hatte unbewusst eine neue Rasse erschaffen. Aus Sorge, dass man ihre Gabe entdecken und sie für Experimente oder Schlimmeres einsetzen würde, hatten sie lange ihre gemeinsame Flucht geplant und waren in der Nacht, als es soweit war, auf diese seltsame Gruppe gestoßen.

      Eine Vereinigung der königlichen Bastardhalbbrüder. Ein junger Mann mit seinem Gesicht und ein schwangeres Mädchen, das aussah wie Larons Tochter. Und dieser Energieausbruch! Dann gebar sie einen Halbsenjyou. Halif war sehr überrascht gewesen. So wie sich sein Sohn ihr gegenüber verhielt, hätte er wetten können, dass es sein Kind war.

      Warte!

      Wenn er sein Sohn war und das Mädchen Larons Tochter, waren die beiden verwandt. Es war also besser, dass es nicht von ihm war. Halif wurde schlecht. Er war so kurz davor gewesen, am selben Tag Vater und Großvater zu werden. Aber wie konnte der Vater des Kindes in Ruhe zusehen, wie ein anderer Mann die Mutter seines Kindes im Arm hielt?

      Wäre Nadine nicht gewesen, hätte das Kind nicht überlebt. Hätte Halif das Buch mit dem Titel Biologie und Medizin aus dem Raum ohne Magie kurz vor der Flucht nicht gelesen, wäre die Mutter gestorben. Halif hatte noch nie über das Innere eines Menschen nachgedacht und war fasziniert von dem Thema gewesen. Das Buch war detailliert und mit Bildern ausgeschmückt. Es gab auch ein Kapitel namens Reanimation: Energiestöße, die das Herz dazu animierten wieder zu schlagen. Halif hatte sich gedanklich eine Notiz gemacht, sich näher mit diesem Thema zu beschäftigen, sollte es mehr Bücher darüber geben. Im Notfall musste er die Schriftsysteme knacken, die er noch nicht lesen konnte.

      So viele Zufälle – zu viele Zufälle.

      Konnte es sein?

      Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Halif seine Brüder an einem Ort treffen würde, der so kalt und karg war, dass nur Magie ein Leben ermöglichte? Ein mächtiges Wesen, geboren nur dank der Anwesenheit der Person, die den göttlichen Funken in sich trug. Dann kam noch sein Sohn hinzu. So etwas konnte kein Zufall sein.

      Aber was war es dann?

      Schicksal?

      Wo keine Götter existierten, gab es niemanden, der an dem Schicksalsnetz spinnen und die Lebenslinien verknoten könnte. Niemand war da, um zu leiten und zu führen oder um ein Schicksal zu erzeugen. Denn Schicksal war gewollt, gelenkt und steuerte auf ein Ziel hin.

      Halif

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