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      Soweit wäre der Traum bis jetzt gedeutet. Er enthüllt gewissermaßen Reuegedanken, dass ich einen so kostspieligen Sommeraufenthalt gewählt. Es ist, als ob ich Dr. M. im Traume sagen würde: „Ja, du kannst es dir leisten, in der Hofburg zu wohnen. Was liegt daran, wenn du dich auch einiger Sparkassenbücher beraubtest? Ich bin ein Mann aus dem Volke, dem ein einfacher, billiger Landaufenthalt auch genügen würde!“

      Forschen wir weiter. Ich habe schon erwähnt, dass das Wort „Vorfall“ der Wechsel ist, der in ein anderes Geleise führt. Gehen wir einmal auf dem anderen Geleise weiter...

      Es gibt eine Reihe von Traumsymbolen, die mit fast gesetzmäßiger Folge eine genaue Übersetzung gestatten. So ein Symbol ist auch der Kaiser im Traume, von dem ich schon sagte, dass er gewöhnlich den Vater darstellt. Wenden wir diesen Schlüssel an, so ist die Hofburg die Wohnung meines Vaters, und Bismarck, das wäre meine Mutter. Das stimmt noch besser. Ein auffallend hoher, magerer Mann — stellt in der Umkehrung eine kleine dicke Frau dar, eben meine Mutter, die der Vater immer seinen Bismarck genannt hat. Klugheit ist ihre hervorragendste Eigenschaft. Ebenso stimmt der krankhaft gelbliche Teint. Ich habe meine Mutter schwerkrank getroffen und war entsetzt über den fahlen, leidenden Ausdruck ihres Gesichtes. Bismarck stellt also zwei Personen dar, ein Vorgang, den Freud „Verdichtung“ genannt hat. „Ich schreie mit anderen Leuten „Hoch“. Wir wünschen, sie möge sich bald erholen. „Kopf hoch — Mütterchen! Es wird schon besser werden!“ habe ich der betagten Kranken, die mir vom Sterben und Testament sprach, gesagt. Da fängt einer die Volkshymne an. Die heißt ja: Gott erhalte — Gott beschütze — unsern Kaiser. In diesem Falle: meine Mutter. „Einige Leute fallen auf die Knie“ entspricht einer Szene bei dem Wiedersehen. ,,Wir sprechen über den Vorfall“ ... eine Reproduktion eines tatsächlichen Ereignisses, ,,Auch über die Bücher, die er mithat usw. ...“ enthält die Lösung des Traumes. Ich habe der Mutter gestanden, dass ich mit dieser Reise ein großes Opfer gebracht habe. (Ein Sparkassenbuch.) Sie sprach von der Verteilung ihrer Schmucksachen, die für uns nicht als Geldwert, sondern nur als teure Andenken in Betracht kommen.

      Im Traume jedoch mache ich meine Mutter zu einer immens reichen Frau mit einer ungeheuer großen Bibliothek. Die Wunscherfüllung ist nun klar. Wir Geschwister sind die Erben. Statt der Reliquien erhalten wir ungeheure Summen Geldes, sie ist ja reich wie eine Fürstin (Bismarck). Der Traum enthüllt mir einen hässlichen, unangenehmen, peinlichen Gedanken, den ich im Wachen nie gehabt habe, der aber unbedingt in meiner Seele geschlummert haben muss. Als die Mutter von der Verteilung ihrer kärglichen Güter gesprochen, muss ich eine Regung unterdrückt haben, die, in Worten ausgedrückt, ungefähr so gelautet hätte: „Was sprichst du denn von deiner armseligen Erbschaft, als ob es sich um große Summen bandeln würde. Die Kosten meiner Reise wirst du mir doch nicht ersetzen können.“

      Ich brauche nicht erst zu betonen, dass meinem Wachbewusstsein derartige Gedanken vollkommen fremd sind. In Geldsachen bin ich alles eher als ein guter Rechner und von übertriebener Feinfühligkeit. Dass aber solche unbewusste Strömungen selbst die edelsten Gefühle bei guten Menschen begleiten können, das sollte uns mild stimmen gegen alle Menschen, die wir ohne Kenntnis der näheren Umstände als „schlecht“ bezeichnen. Doch noch immer fehlt der Analyse die Anknüpfung an die Kindheit. Sie ist vorhanden. Sie erinnert mich an einen der bösesten Augenblicke meiner Kindheit. Ich war ein kleiner Knabe und stand vor der großen Bibliothek, die den Stolz meines um sechs Jahre älteren Bruders bildete. Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke: „Wenn dein Bruder jetzt sterben würde, so wäre diese Bibliothek dein.“ Erschreckt lief ich davon. Ich kam mir als ein großer Sünder vor, und die Erinnerung an diesen bösen Gedanken hat mir oft die Schamröte ins Gesicht getrieben. (Ein ähnliches Erlebnis erzählt Sudermann in einer Novelle „Die Geschwister“.) Auch glaube ich damals mit der Versuchung gekämpft zu haben, einige Bücher zu stehlen und beim Antiquar zu verkloppen, ein Weg, der mir mit meinen eigenen Büchern nicht ungeläufig gewesen.

      Der schöne politische Traum hat also noch eine tiefere Motivierung. Meine Mutter ist reich. Aber ich bin der alleinige Erbe. Mein Bruder kommt nicht in Betracht. Der hässliche Wunsch des Knaben hatte noch Kraft, die Bildersprache des Traumes zu beeinflussen. (Bibliothek.) Drei Wochen später hatte ich in Abbazia einen Traum, der die Fortsetzung des ersten bildete. Ein Beweis, dass die Traumgedanken dasselbe Thema in verschiedenen Formen variierten.

      (30.) „Ich bin in Neuwaldegg. Eines der letzten Häuser ist eine prachtvolle Villa, die meiner Mutter gehört. Ich steige eine Marmortreppe hinauf und komme in einen riesigen Salon, der mit verschwenderischer Pracht — Rot in Gold — ausgestattet ist. Ah — sage ich; da haben wir alle ja bequem Platz!“

      Die Vorgeschichte des Traumes ist teilweise bekannt. Ich hatte eine Wohnung in Abbazia genommen, in der wir ziemlich gedrängt beisammen waren. Auch meiner Mutter hatte ich ein Zimmer gemietet, das mir jedoch nicht elegant genug vorkam. Im Traume bin ich in Wien. Bequemer kann man es sich nicht mehr einrichten, wenn man statt nach dem fernen Abbazia nach Neuwaldegg, einem Vororte Wiens, fährt. Meine Mutter ist eine reiche Dame. In ihrem Salon haben wir alle bequem Platz. Da fällt mir noch die Fortsetzung des Traumes ein: „Herr W. will unserem Diener eine Krone Trinkgeld geben, was dieser spöttisch ignoriert.“

      Die weitere Determinierung enthält heimliche Gedanken, als wollte ich in den Mutterleib zurückkehren, wo alle (!) bequem Platz haben. Das „Trinkgeld“ geht bis auf die Ammeneindrücke zurück.

      Einen Tag vorher habe ich an Herrn W. eine Krone im Tarok verloren. In der nächsten Nacht nimmt sie nicht einmal „unser“ Diener als Trinkgeld an. Das spricht Bände… Der Traum ließe noch ebenso wie der erste eine tiefere Analyse zu. Ich muss es mir versagen, darauf einzugeben. Ich habe ja ohnehin zu viel von dem geopfert, was die meisten Menschen scheu verbergen.

      * * *

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