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hatten keinen Zeitbegriff mehr und mit Beginn einer neuerlichen Dämmerung sahen sie von Ferne die Lichter eines Dorfes.

      Der Stern blieb über dem Dorf stehen und leuchtete mit seiner ganzen Kraft.

      Sie waren an ihrem Ziel angekommen.

      Müde und erschöpft, aber mit einem nie dagewesenen Glücksgefühl schritten sie durch die Straßen des Ortes, wo man schon den Heiligen Abend eingeläutet hatte.

      Sie sahen durch die Fenster Christbäume in ihrem Lichterglanz und hörten die Menschen Weihnachtslieder singen. Einige saßen beim Abendessen und feierten zusammen die Geburt Christi.

      Noch ein paar Schritte, und sie würden ihre Lieben im Arm halten können, die sie sicher schon erwarteten.

      Die Straßen waren völlig menschenleer und der Frau fiel ein Gedicht ein von

       Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff

       Weihnachten

      Markt und Straßen stehn verlassen,

      Still erleuchtet jedes Haus,

      Sinnend geh ich durch die Gassen,

      Alles sieht so festlich aus.

      An den Fenstern haben Frauen

      Buntes Spielzeug fromm geschmückt,

      Tausend Kindlein stehn und schauen,

      Sind so wunderstill beglückt.

      Und ich wandre aus den Mauern

      Bis hinaus ins freie Feld,

      Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!

      Wie so weit und still die Welt!

      Sterne hoch die Kreise schlingen,

      Aus des Schnees Einsamkeit

      Steigt's wie wunderbares Singen –

      O du gnadenreiche Zeit!

       Sie sprach das Gedicht leise vor sich hin und mit einer friedlichen Stimmung, die sich der Menschen bemächtigte, brachten sie eben diesen Frieden mit als Weihnachtsgeschenk zu ihren Kindern.

      Der Hund ließ sich bei der Krippe nieder und die Frau meinte im nahen Wald ein friedliches Gebell der Wölfe zu hören.

      Ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen im Haus vermittelte ihnen die Gewissheit:

      »Hier bei euch bin ich zuhause«

       FROHE WEIHNACHTEN.

Grafik12

       Ruth Strasser

       »Sieht sie nicht großartig aus? Was meinst du?« Mein Mann schien ebenso begeistert zu sein wie ich. Der diesjährige Tannenbaum war wunderschön und hatte einen geräumigen Platz in unserem Wohnzimmer bekommen. Seine prachtvollen Zweige ragten Engelsflügeln gleich majestätisch gen Himmel.

      »Der ist aber hübsch. Kann ich ihn gleich schmücken?« Unsere Tochter Charlotte war mit unserer Auswahl anscheinend zufrieden und schritt sogleich zur Tat. Nachdem die Lichterkette drapiert war, wurde er mit all den Accessoires behängt, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten. Ihre im Kindergarten getöpferten Pilze, die roten Filzblüten von meiner verstorbenen, Gott hab sie selig, Großtante aus dem Kloster, viele goldene Weihnachtskugeln, und weitere Dinge. Um dem Ganzen den letzten Schliff zu verpassen, musste ich nur noch die gläserne Baumspitze aufsetzen. Unglücklicherweise fiel mir das unhandliche Ding herunter und zerbrach auf dem Boden. Nein, wie ungeschickt. Ich würde mir etwas einfallen lassen müssen, denn ein Baum ohne Spitze ging gar nicht. Die kluge Frau weiß sich schließlich zu helfen.

       Der Vollständigkeit halber wollte ich dieses Jahr die Bescherung mit Wunderkerzen einläuten. Ich befestigte sie vorsichtig an den Zweigen. Bei gedimmtem Licht, Kerzenschein und Glockengeläut aus dem CD Player würden wir andächtig vor dem grünen Prachtstück verweilen und uns mit feierlichen Gesten beschenken.

      »Mama! Die willst Du aber nicht anzünden? Der Boden ist aus Holz!« Meine Tochter war entsetzt. Was für schöne, große Augen sie hatte. Mein inneres Kind wollte doch nur ein bisschen zündeln. Mit dem Vorschlag, den kleinen Feuerlöscher to go griffbereit im Wohnraum zu platzieren, konnte ich sie nicht überzeugen. Manchmal war unsere Mutter/Tochter-Rolle einfach vertauscht. Ich seufzte. Muttchen hatte recht und ich sah von meinem Vorhaben ab.

       »Am Freidog um ochd mondier i di Schi auf mei Audo, la, la, la, la, la, la«, trällerte ich gut gelaunt am 24. Dezember in bester Almhüttenstimmung vor mich hin. An diesem Tag war ich schon frühzeitig aufgestanden, um die ganzen Dinge zu erledigen, die noch getan werden mussten, und das waren noch so einige. Ich hantierte mit dem Staubsauger, welcher den Schmutz und die DNA meiner Ahnen hungrig aufsog, die sich bestimmt noch in den Ritzen der uralten Holzdielen des Altbaus befanden, winkte mir freudig beim Spiegelputzen zu und spielte Frau Holle. Ich machte ein kleines Päuschen und saß anschließend bei einer Tasse Kaffee am Esstisch und grübelte. Ich war ein wenig betrübt, weil sich mein Lottchen zu Weihnachten einen Laptop gewünscht hatte, der einer längeren Lieferzeit wegen nicht rechtzeitig erhältlich war. Sie würde von mir einen Gutschein für das ersehnte technische Gerät und kleine Notgeschenke erhalten. Kurze Zeit zuvor hatte sie den Wunsch geäußert einmal ganz viele Glückskekse auf einmal essen zu wollen. Diese konnten schnell besorgt werden. Auch Manfred sollte nicht zu kurz kommen. Über seine von mir selbstgestrickten Socken aus melierter Schurwolle würde er sich bestimmt sehr freuen.

       Inzwischen war Mittag. In diesem Jahr wollte ich an Heiligabend besonders hübsch aussehen und mit Hilfe einiger Rollenwickler mein Haupthaar verschönern. Während ich im Badezimmer über dem Waschbecken vor mich hin träumte, wie ich mit gewelltem Haar andächtig die Saiten meiner Gitarre zupfte, fiel mir unglücklicherweise eines der Hilfsmittel für die Haarverschönerung ins Abflussrohr.

      »So ein Mist«, grummelte ich vor mich hin. Weder mit einer Gurkenzange noch mit einem langen Messer konnte ich das Ding herausfischen. Dann kam ich auf die glorreiche Idee, mir vom Tannenbaum eine am Endstück gebogene Wunderkerze zu borgen, und was soll ich sagen? Der Trick hatte funktioniert, das Teil war wieder da. Mit dieser Trophäe in der Hand spazierte ich zu meinem aus dem schwäbischen stammenden Ehemann.

      »Du bisch jo ä Käpsele.« Ich genoss die ultimative Lobhudelei, denn die Augenblicke, in denen er mich für einen ziemlich cleveren Menschen hielt, waren ziemlich rar. Frohgemut widmete ich mich wieder der Haarpflege. Das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen. Meine langen, engelsgleich gewellten Haare flossen wie ein Bächlein über meine zarten Alabasterschultern. Ich betrachtete mich von allen Seiten im Spiegel und war mit meinem Antlitz vollauf zufrieden. ›Hübsch, hübsch‹, dachte ich. So würde ich dem Christkind sicher Konkurrenz machen. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.

       Um genau 16 Uhr platzte der Traum. Als ich noch eben schnell um die Ecke eilte, um ein paar notwendige Kleinigkeiten für den Haushalt zu besorgen, zerstörte die Wollmütze die liebevoll gestaltete Frisur. Ich seufzte. Da hatte ich mir solch eine Mühe gegeben und dann das. Musste ausgerechnet an diesem Tag mein Badhairday sein und ich wieder einmal Weihnachten mit Spaghetti-Locken verbringen?

       Als ich mit den Vorbereitungen des Abendessens begann, wurde es draußen allmählich dunkel. Es sollte Würstchen, selbst gestampften Kartoffelbrei und Gurkensalat geben. Es wäre bestimmt gemütlich, mit meinen Lieben beisammenzusitzen, ohne ständig aufzuspringen, um ein Fünf-Gänge-Menü zu servieren. Während im Hintergrund die Musik des niederbayrischen Sängers Haindling aus den Lautsprechern dudelte, wuselte ich umher, delegierte Aufgaben und dekorierte den Tisch. Schön ist sie geworden, die gute Stube. Bis auf die Buddhastatuen und Bilder schaute es in der Wohnung aus wie in einer Skihütte. Hm, irgendwie … Nein. Das konnte so auf keinen Fall bleiben. Ich schnappte mir ein paar braune Tücher und verhüllte, was nicht zum Almhüttenfeeling passen wollte. Ja, so war es besser. Da ich inzwischen mein rosafarbenes Dirndl trug, war es soweit,

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