Скачать книгу

gewöhnten sich seine Augen an das Dunkel, und all seine gespannten Sinne lauschten in den vor ihm liegenden, nach unten führenden Tunnel hinein. Sehr tief unter ihm schienen Geräusche zu sein, doch das Klirren seines Kettenhemdes und das Rascheln seines Umhangs übertönten alles. Er verhielt, doch war unmittelbar in seiner Nähe nichts zu hören. Er schien allein in dieser fremdartigen Welt, trotzdem war ihm, als würden tausend Augen ihn beobachten.

      Ein Stück weiter unten durchdrangen seine Blicke die Finsternis, die lichter wurde, wie die Nacht, kurz bevor der Tag anbricht. Er meinte, huschende Schatten zu sehen, die vor ihm den Stollen kreuzten und in kleineren Gängen verschwanden. Waren das die Trolle, von denen die nordischen Sagen berichteten? Die vielleicht zusammen mit den letzten Drachen in der Unterwelt lebten? Alles, was er bei seinen Studien gelernt hatte, war, dass man nicht sicher wusste, welche von beiden Spezies gefährlicher war. Die Trolle sollten schon manchen Menschen verspeist haben, und die Drachen wurden vielleicht mit den Überbleibseln ihrer Opfer gefüttert. Er verfluchte seinen adligen Ritterstand, der es ihm gebot, edel und hilfreich allen geknechteten Menschen zur Seite zu stehen, also auch gefangenen Prinzessinnen.

      In diesem Augenblick blendete grelles Licht auf, hunderte Fackeln entzündeten sich wie auf Kommando an den Wänden und erleuchteten den düsteren Stollen. Von weiter unten erklang Hufschlag, der sich rasch näherte. Dann verstummte er, und in der Luft lag ein hohles Sausen und Rauschen und eine tiefe Bassstimme rief:

      »Hohoho, meine Rentiere, auf geht es! Die wunderbarste Nacht auf Erden bricht an und wir haben viel zu tun. He! Du da! Aus dem Weg, verdammt! Halte uns nicht auf!«

      Ritter Arnhold fühlte sich von unzähligen Händen zu Boden gerissen und konnte vor wimmelnden Zwergen, die auf ihm lagen, kaum erkennen, wie ein von Rentieren gezogener Schlitten über ihn in Richtung Höhlenausgang hinwegbrauste. Kurz nur sah er den alten, weißbärtigen Mann im roten Mantel, der ihm freundlich zuwinkte.

      »Hohoho, armer Ritter! Ich wünsche dir ein frohes Weihnachtsfest!«

      Dann knallte ein zusammengerolltes Bündel, versehen mit einer roten Schleife, vor seine Brust, und Ritter Arnhold, der sich gerade erst mühsam aufgerappelt hatte, ging erneut zu Boden. Ihm wurde schwarz vor Augen, alle Lichter erloschen, als würden alle Fackeln auf einmal ausgelöscht. Erneut ein Huschen, ein Flüstern und Wispern und leise tappende Schritte, die schnell in der Dunkelheit verklangen, und Arnhold war wieder allein. Erst nach einer geraumen Weile wagte er es, sich zu bewegen. Er tastete sich auf die Beine, stolperte aber bereits nach dem ersten Schritt über das flauschige Paket, das ihn schon einmal umgeworfen hatte. Der edle Rittersmann griff danach und tapste verstört bergan. Dort musste der Ausgang liegen. Er wankte auf den immer größer werdenden Ausschnitt von Sternenlicht zu, bis er unter dem weiten Sternenzelt des Polarhimmels in der Kälte stand. Der Nordstern leuchtete so hell, dass er sich problemlos das Bündel näher betrachten konnte. Er löste das Schleifenband und entrollte einen langen flauschigen Pelzmantel, der ihn auf dem Heimweg ausgezeichnet vor der beißenden Polarkälte schützen würde.

      Im Mantel steckte ein Papier, und staunend las er:

      ›Werter Herr Ritter,

      Sie sind zu spät gekommen, der letzte Drache starb schon vor vielen, vielen Jahren, und die einzige Prinzessin, die hier lebt, habe ich geheiratet. Sie ist meine Frau und möchte gar nicht gerettet werden.

      Mit weihnachtlichen Grüßen – Santa Claus.‹

       Arnhold drehte sich noch einmal um und schaute in den dunklen Schlund hinein. Nun erinnerte er sich an den Duft, den er aus seiner Kindheit kannte. Es roch nach frischem Gebäck und Tannengrün, nach Wärme und Geborgenheit, nach Liebe und Heiliger Nacht.

Grafik10

       Werner Thieke

      Ein Walnüsschen am Walnussbaum,

      hatte einen wilden Traum.

      Sie wollte, doch wie sollt das gehen,

      gerne mal den Niklaus sehen.

      Ein Windstoß kam daher gefegt

      und hat die Nuss aufs Gras gelegt.

      Verdutzt sah sie sich suchend um

      und kugelt wild dabei herum.

      Ein Eichhörnchen entdeckt die Nuss

      und denkt, was für ein Hochgenuss.

      Die nehm ich mit, die bring ich weg

      und Schwupps, hat sie die Nuss versteckt.

      Das Nüsslein denkt nun - aus der Traum,

      wär ich doch bloß auf meinem Baum.

      Die Tage zieh‘n dahin geschwind,

      da find‘ die Nuss ein kleines Kind.

      Es nimmt die Walnuss in die Hand

      und ist damit nach Haus gerannt.

      Hier hat sie Platz in einem Spind,

      in dem noch viele Nüsse sind.

      Alsbald ist‘s vor der Haustür kalt,

      da holt ein Tann man aus dem Wald.

      Im Lichterglanz, wo Engel küssen,

      steht eine Schale voll mit Nüssen.

      Das Walnüsschen liegt oben auf

      und wartet ganz gespannt darauf,

      dass durch die Tür - jetzt tritt er ein,

      der Nikolaus im Kerzenschein.

Grafik11

       Marga Kihl

       Es war in einer kalten Winternacht, als sich ein Paar mit seiner treuen Hündin zu Fuß auf den Weg machte um ihre Kinder in der Pfalz zu besuchen. Die Nacht war klar und kalt und sie folgten einem Stern der hell erleuchtet aus dem Nichts am Himmel auftauchte und ihnen den Weg wies. Ihre Hündin lief brav an ihrer Seite. Als sich das Paar im dunkeln Wald einer Lichtung näherte, mahnte der Mann seine Frau zur Eile. Denn zu dieser Zeit gab es Wölfe und Bären in den Wäldern.

      Unter ihren Füßen fühlte sich der frisch gefallene Schnee an wie ein Teppich.

      Die Stille der Nacht wurde jäh unterbrochen.

      In der Ferne hörte man das Heulen von Wölfen.

      Bei der Hündin sträubte sich das Fell, sie stellte die Lauscher. Die Frau erschauerte und griff nach der Hand des Mannes. Er drückte sie und sprach beruhigend auf das Tier ein.

      Die Hündin entspannte sich und die beiden Menschen setzten entschlossen ihren Weg fort, den der helle Stern ihnen vorgab.

      Als sie die Lichtung erreichten, bot sich ihnen ein sonderbares Schauspiel.

       8 Wölfe standen im Kreis um 4 Jungwölfe und heulten den Stern an, der unserm Paar den Weg zeigen sollte.

      Ein schaurig schöner Gesang schallte den Ankömmlingen entgegen.

      Die Hündin verhielt sich total ruhig an der Seite des Mannes. Auch die Frau verlor auf geheimnisvolle Art und Weise ihre Angst und schritt an der Hand des Mannes furchtlos auf die Tiere zu.

      Als die Wölfe die Menschen witterten, brachen sie ihr Geheul ab und verschwanden ungewöhnlich schnell in die Büsche.

      12 Augenpaare folgten dem Mann und der Frau mit ihrem Hund. Sie konnten unbehelligt ihren Weg fortsetzen.

      Die Frau atmete erleichtert, aber doch eigenartig gespannt die Winterluft ein.

      Sie sah ungläubig zu ihrem Mann auf und streichelte den Hund, der leise knurrte.

      Dann nahmen die Menschen ihren Stern wieder ins Visier und wanderten weiter in Richtung Pfalz.

      Immer wieder hörten sie das

Скачать книгу