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Die hatten es wohl nicht nötig. Sie blieben lieber in der Frühlingssonne sitzen als zu arbeiten. Es fuhr auch ein Bus, aber in der Hitze und für den weiten Weg konnte ich mir das nicht vorstellen. Endlich fand ich einen Taxifahrer, der sich überreden ließ. Er hieß Antonio, war Einheimischer und sagte, er hätte an diesem Tag nichts weiter vor.

      Die Fahrt war angenehm. Ich hatte das Fenster etwas heruntergekurbelt. Mit dem Fahrtwind ließ sich die Temperatur im Auto aushalten. Antonio sprach sogar einigermaßen Deutsch. Wir redeten ein bisschen über dies und das, als ich ihn gespannt danach fragte, warum mich keiner seiner Kollegen hatte fahren wollen.

      Er ging nicht darauf ein sondern antwortete, „Mein Freund, ich fahre dich wohin du willst. Aber am liebsten plane ich große Ausflugstouren. Zeige die ganze Insel an einem Tag.“

      Ich lehnte dankend ab.

      „Aber du bezahlst auch die Rückfahrt?“, fragte er mich energisch. Ich nickte ihm eifrig zu. Das war nicht das Problem für mich. Das konnte Herberts übernehmen.

      Ich lehnte mich zurück und genoss den Ausblick. Wir fuhren an großen Bananenplantagen vorbei in die Berge. Die Vegetation hier war sehr üppig. Die Berge waren überwachsen mit Kiefernwäldern, soweit das Auge reichte, und ergaben ein Panorama aus hohen Gebirgsketten und tiefen dichtgrünen Tälern. Manchmal führte die Straße an Steilhängen vorbei, die wie in einem Dschungel mit unterschiedlichsten Pflanzen bewachsen waren, die teilweise bis auf die Straße herunterhingen. Die Insel war sehr schön.

      Wir fuhren von Santa Cruz de la Palma aus auf der LP-1 Richtung Norden. Nach ca. 1 km bogen wir nach links auf die LP-103 nach Mirca. Von dort folgten wir der LP-1032, der Straße zum Roque de los Muchachos. Danach ging es zum höchsten Punkt der Insel, wo sich das astrophysische Observatorium befand.

      Je höher wir fuhren, umso stärker änderte sich der Charakter der Landschaft. Die Höhen waren übersäht mit Geröllfeldern und kleineren, grün- und gelbfarbenen, buschartigen Pflanzen. Es ergab für das Auge eine Mischung aus frischgrüner Flora auf trockener, roter und schwarzer Vulkanerde.

      Der Roque de los Muchachos ist mit 2436 Metern Höhe der höchste Punkt der Insel La Palma. Zusammen mit 12 weiteren, um die 2000 m hohen Gipfeln bildet er ein imposantes Gebirgsmassiv am nördlichen Rand des Vulkankessels, der Caldera.

      Antonio erzählte mir während der Fahrt stolz von der Insel und deren Geschichte. Ich hatte aber irgendwann genug und las lieber im Reiseführer, während er mich weiter volltextete. Diesen konnte ich irgendwie besser verstehen:

      

       Im 16. Jahrhundert bekam La Palma nach Antwerpen und Sevilla das Privileg mit Amerika Handel zu treiben. Schnell entwickelte sich Santa Cruz de La Palma zu einem der wichtigsten Häfen des spanischen Reiches. So ist es nicht verwunderlich, dass Santa Cruz de La Palma im Laufe des 16. Jahrhunderts immer wieder Piraten anlockte, die sich der Reichtümer der Stadt bemächtigen wollten. Unter dem Befehl von François Le Clerc plünderten 1553 Franzosen die Hafenstadt. Was sie nicht mitnehmen konnten, brannten sie nieder. Nach dieser Katastrophe wurden Kirchen, Klöster und Häuser größer und prächtiger wieder aufgebaut. Neue Verteidigungsanlagen wurden errichtet. So konnte 1585 der Angriff des Engländers Francis Drake erfolgreich abgewehrt werden.

      Das fand ich spannend. Für Piratengeschichten war ich immer zu haben. Ich war also auf einer echten Pirateninsel.

      Wir fuhren über enge, sich windende, steile Bergstraßen. Endlich, nach eineinhalb Stunden Fahrt und gefühlten drei Stunden Inselvortrag von Antonio, war ich am Observatorium auf dem Gipfel des Roque de los Muchachos angekommen.

      Man konnte von hier aus einen Teil des Vulkankraters überblicken. Ich sah mehrere runde, silbrig glänzende Observatorien, die einige hundert Meter voneinander entfernt standen, und verschieden große Häuser in deren unmittelbaren Umgebung. Der Kontrast zu der dunklen Erde erinnerte mich an Science-Fiction-Filme über den Mars. Hier oben befanden sich mehrere, verschiedene Teleskope, die eine Gesamtfläche von ungefähr zwei Quadratkilometern einnahmen. Man hatte diesen Standort aufgrund des fast immer wolkenlosen Himmels gewählt. Es gab kaum Luftverschmutzung und extrem wenig Beeinträchtigung durch Lichteinwirkung, die von großen Städten erzeugt wird.

      Ich sah das GranTeCan zum ersten Mal in seiner vollen Größe. Es war riesig und beeindruckend hoch. Mit dem GranTeCan wollen Wissenschaftler einen Blick in bisher unerreichte Tiefen des Universums werfen. Die Daten, die sie zu sammeln beabsichtigen, könnten Aufschluss über den Urknall geben, der vor rund 14 Milliarden Jahren stattgefunden haben soll. Es wird auch Planetenjäger genannt, weil es damit möglich ist, Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zu beobachten.

      Die Aussicht war großartig. Über die gelbgrüne Vegetation hinweg, konnte man durch die dünne, klare Luft das Meer sehen. Die tiefstehende Sonne und der tiefblaue Himmel machten den Ausblick noch beeindruckender.

      Ich vermutete, dass ich zu dem größten Haus musste, dass sich in der Nähe des Teleskops befand. Viele Türen und Laubengänge zeichneten das Gebäude aus. Sicher war es das Wohnhaus der vielen Angestellten und der Gäste dieser Einrichtung.

      Es war fast wie ein Hotel eingerichtet. Eine kleine Lobby mit Rezeption fehlte auch nicht. Sandfarbene Bodenfliesen und große rechteckige Blumenkästen, bepflanzt mit kleinen Palmen, standen neben einigen Couchgruppen.

      Die Senorita an der Rezeption war das Inbild einer südländischen Frau. Ich musste sie anstaunen. Sie hatte schwarz gelockte, lange Haare, dunkle Augen und rot geschminkte Lippen.

      Mein Herz machte einen Aussetzer, zumindest fühlte es sich so an. Ich hasste es, wenn es das tat, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Beim Anblick hübscher Frauen bekam ich immer einen kleinen Herzanfall. Sie saß in einem dunkelblauen Kleid, mit weißen Ornamenten verziert, auf einem Hocker. So, dass ich ihre braun gebrannten Beine gut sehen konnte.

      Mist, ich traute mich nicht, sie anzusprechen. Ich wusste auch nicht in welcher Sprache ich das tun sollte.

      „Hola, Senor!“, rief sie mir durch die Lobby zu und winkte mich zu sich. Ich schluckte und musste wohl dadurch.

      „Hallo“, antwortete ich verlegen.

      „Oh, wir haben gestern telefoniert? Wegen einer Übernachtungsmöglichkeit?“, fragte sie mich mit ihrem netten Akzent. Ihre Stimme erkannte ich wieder.

      „Ja, kann sein“, sagte ich verlegen und übergab ihr meinen Ausweis und meine Anmeldebestätigung. Ihre Augen klebten an meinen. „Ich bin Jan Schuster und hatte mich für die morgige Konferenz angemeldet.“

      „Ja, ich weiß wieder. Ich bin Vicenta. Ich habe ihren Zimmerschlüssel hier“, antwortete sie lächelnd.

      Ich nahm ihn entgegen und sie erklärte mir noch den Weg zu meinem Zimmer. Dann vertiefte sie sich wieder in ihr Buch. Auf meinem Weg Richtung Laubengang musste ich mich aber noch einmal zu ihr umdrehen, um sie anzuschauen. Genau in diesem Moment strich sie eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und klemmte sie hinters Ohr. Mir wurde ganz warm ums Herz. Ich lenkte mich ab, indem ich daran dachte, was ich über Temperaturen gelernt hatte.

      Wärme – ist nichts anderes als die Schwingung der Atome. Ein Sonnenstrahl oder eine Lichtwelle trifft auf ein Luftatom, ‚schubst‘ es an und gibt so seine Energie weiter. Es versetzt damit das Luftatom in eine stärkere Schwingung. Dieses stark vibrierende Luftatom trifft wiederum auf ein Hautatom und bringt es somit ebenfalls in stärkere Vibration. Das empfinden wir als Wärme.

      Wenn Atome, die von Sonnenstrahlen in Schwingung gebracht werden, auf andere Luftatome treffen, stoßen sie diese wiederum an. Somit heizt sich die Luft auf. Gleichzeitig verliert das erste Atom wieder an Schwung und ‚kühlt‘ allmählich ab. So gleichen sich die Atome aus und pendeln sich auf eine Temperatur ein. Da Luftatome einen größeren Abstand zueinander haben als Wasseratome, leiten sie ihre Schwingung nicht so schnell weiter. Das ist der Grund dafür, dass zum Beispiel

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