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es mit den Beiden schon so. Er hatte Carmen damals spielerisch eingearbeitet. Die Idee, sie als Lockvogel zu benutzen, kam ihm sofort, als er sie das erste Mal sah. Ihr bereitete es anfangs Spaß. Sie fühlte sich bestätigt und hatte eine Aufgabe. Aber mittlerweile wurde es ihr zu viel. Auch bemerkte sie Ramons zunehmend angespannte Strenge und Zielstrebigkeit. Ihr wurde es immer unbehaglicher. Mittlerweile war ihr klar, dass ihnen die Sache aus den Händen glitt. Natürlich fühlte sie sich von Ramon umsorgt, was ihr gefiel. Er sprach nur selten von Geldsorgen und sie lebten ausgesprochen gut.

      Ramon hatte sich aber während seiner Beziehung mit Carmen viel Geld zusätzlich geliehen. Die Aufträge gingen insgesamt zurück. Es wurde zunehmend schwerer, die guten Zeiten aufrechtzuerhalten. Jetzt stand er hoch in der Schuld seines Auftraggebers Marek.

      Er hätte sich besser kein Geld von Marek geliehen. Für ihn arbeitete Ramon sowieso nie gerne. Man durfte bei ihm nicht versagen. Marek hatte Wind von Ramons Geldproblemen bekommen, ihm deswegen ein attraktives Angebot unterbreitet, und ihm das Geld direkt in die Hand gedrückt.

      Ramon hatte es nicht ausschlagen können. Er musste jetzt einfach alle möglichen Aufträge an Land ziehen, um nicht weiter in Mareks Schuld zu stehen, koste es was es wolle. Wenn es um viel Geld ging, konnte Marek unangenehm werden. Deshalb nahm Ramon diesmal auch einen Auftrag von einer ihm unbekannten Person entgegen. Das war riskant.

      Er war in einen Teufelskreis geraten. Auf der einen Seite galt es Carmen bei Laune und das schöne Leben aufrecht zu halten, auf der anderen Seite würden die nächsten Aufträge nur Schulden abtragen. Meist musste er für die Vorbereitungen, wie Flüge, Hotels etc. und jetzt sogar eine Yacht, auch noch in Vorkasse gehen. Die Flucht musste ebenfalls gut vorbereitet werden. Öffentliche Wege wurden mittlerweile so gut überwacht. dass es kaum Chancen gab, ungesehenen wegzukommen.

      Jetzt kam noch das Theater von Carmen hinzu und erschwerte ihm sein Vorhaben. Sie war doch so gut eingearbeitet. Was hatte sie nur, die letzten Coups liefen doch wie geschmiert, dachte Ramon.

       *

      „Guten Morgen Herr Schuster!“

      „Guten Morgen Frau Jansen!“, antwortete ich ihr gut gelaunt.

      Es war Punkt acht Uhr morgens, und ich befand mich im Büro der Sekretärin meines Chefs. Frau Jansen saß hinter ihrem Schreibtisch und sah mich fragend an. Sie war wahrscheinlich so Mitte fünfzig, aber das Alter konnte ich bei stark geschminkten Frauen nicht sehr gut einschätzen. Es war mir auch egal, solange sie gut aussahen und so freundlich wie Frau Jansen waren. Frau Jansen war etwas übergewichtig und hatte eine nicht zu übersehende Oberweite. Sie konnte sich aber äußerst gut zurechtmachen.

      „Wie war der Ersthelfer-Kurs?“, fragte sie mich neugierig, „Gibt es Neuigkeiten bei der Mund-zu-Mund-Beatmung?“ „Nein“, antwortete ich, „aber die stabile Seitenlage hat sich vereinfacht, man kann jetzt auch größere Menschen rumkriegen!“

      Sie verzog ihren Mund zu einer spitzen Schnute. Sie mochte es wohl nicht, wenn jemand auf ihre Körpermaße anzuspielen schien. Ich zwinkerte ihr nur unsicher zu und wollte noch etwas Nettes sagen, als Herr Herberts das Büro betrat. Herr Herberts war klein und dünn. Er hatte ein zusammengeknautschtes Gesicht, einen Haarkranz und eine viel zu große Brille auf der Nase. Er war auffällig bemüht, sich als respektabler Leiter der Abteilung zu präsentieren. Mir kam es meist aufgesetzt vor, und ich hatte nicht selten das Gefühl, in einem Theaterstück zu sitzen. Er rauschte an uns vorbei und begrüßte uns kurz per Kopfnicken. Im Vorbeigehen rief er über seine Schulter hinweg, „Herr Schuster, es ist drei nach acht, sie sind zu spät.“

      Ich mochte seinen Humor nicht, er kam doch gerade zu spät! „Frau Jansen, seien sie so gut und schicken mir bitte den Herrn Schuster rein. Ach, und sagen sie ihm auch, dass er zum Friseur muss.“

      Ich fühlte mich übergangen.

      „Sie haben es wohl mitbekommen, Herr Schuster?“, zwinkerte mir Frau Jansen zu.

      Mir blieb also nichts anderes übrig, als schnellstens zum Friseur zu gehen. Ich folgte meinem Chef in sein Büro. Er hatte schon seinen Platz hinter einem ausladenden mahagonifarbenen Schreibtisch eingenommen und blickte mir bereits etwas ungeduldig entgegen.

      „Setzen sie sich bitte, Herr Schuster. Ich möchte mit ihnen ihren Auftrag der nächsten zwei Tage durchsprechen“, wies er mich an. Wie bitte, dachte ich, wieso für die nächsten zwei Tage? Wir hatten Freitag und das Wochenende stand bevor! „Wie sie sicher wissen“, fuhr er gewichtig fort, „haben wir erfolgreich an dem Projekt GTC mitgewirkt. Und unser Institut konnte durch umfassende Prüfungen tatsächlich noch kleinere Schwachstellen ausfindig machen und grundlegend beseitigen, womit wir die Effizienz der Anlage erheblich verbessern konnten.“

      Mir fiel gerade in dem Augenblick leider nichts zum Thema GTC ein, aber ich versuchte, meinen Chef so wissend wie möglich anzuschauen.

      „So, wie sie gerade schauen, wissen sie wahrscheinlich nicht wovon ich rede!? Das GTC, Herr Schuster, das GranTeCan ist das größte Teleskop Europas“, erklärte Herberts. Dabei lehnte er sich zurück und versank in seinem, für ihn etwas zu großen Sessel. Ich sammelte meine Gedanken, bevor ich etwas sagte. Klar, wusste ich nun wovon er sprach.

      „Natürlich kenne ich das Gran Telescopio Canarias, Herr Herberts“, antwortete ich sicher, „allerdings erst jetzt unter dieser Abkürzung GTC.“

      Ich konnte es nicht ausstehen, wenn Vorgesetzte unnötig unverständlich redeten und fachidiotische Abkürzungen verwendeten, die wahrscheinlich nur ihnen und einem sehr kleinen Kreis von Mitarbeitern geläufig waren. Er hatte mich damit leicht verärgert.

      Aber ich sprach einfach weiter, „Das Teleskop wiegt 500 Tonnen und ist 41 Meter hoch, das entspricht einem 13-stöckigen Hochhaus. Es hat einen Parabolspiegel von 10,4 Metern Durchmesser und es steht auf dem 2400 Meter hohen Gipfel des ‚Roque de los Muchachos‘ auf La Palma“.

      Nach meinem unaufgefordert abgelieferten Vortrag schaute ich ihn nun herausfordernd an.

      „Richtig, Herr Schuster, und genau wie bei dem VLT hat wieder einmal unser Labor unabhängige Untersuchungen durchgeführt und erhebliche Verbesserungen entwickelt“, wiederholte sich Herberts noch einmal unbeeindruckt.

      VLT, nicht auszuhalten, dachte ich und antwortete, „Dann kann es sich bei dem VLT ja nur um das Very Large Telescope auf Cerro Paranal in Chile handeln, welches von der ESO, der Europäischen Südsternwarte, betrieben wird.“

      „Genau, und da sie ja so gut vorbereitet sind, Herr Schuster, wissen sie auch, dass wir neuste Technologien geliefert haben, die Justierungen der einzelnen Stellmotoren an den Parabolspiegeln neu berechneten und so durch unser Zutun die Modernisierung der Anlage erfolgreich beendet werden konnte“, gab er zurück und unterstrich noch einmal die Tatsache, dass das Unternehmen einen großen Beitrag zum Erfolg beigesteuert hatte.

      Ja, ich hatte es verstanden. Ich wusste aber leider immer noch nicht, worum es genau ging. Ich hatte versäumt, mich umfassend zu informieren. Hätte ich doch gestern Abend besser noch meine dreihundert neuen E-Mails durchgecheckt, dann wäre ich jetzt besser vorbereitet gewesen. Aber ich hatte mich gestern Abend mit einem kühlem Bier dringend von den zwei Tagen Ersthelfer-Kurs erholen müssen und bin vor dem Fernseher eingenickt. Nachts bin ich noch einmal wach geworden und hatte mich ins Bett geschleppt. Ich hatte wieder verschlafen, da irgendetwas mit meinem Wecker nicht stimmte. Es blieb mir gerade noch genug Zeit zum Rasieren.

      Ich musste jetzt eben ein bisschen improvisieren, um vor meinem Vorgesetzten nicht als "Loser" dazustehen, und kratzte mir noch den Rest meiner Kenntnisse aus den Gehirnwindungen.

      Ich fragte, „Aber das GranTeCan ist doch erst seit 2008 in Betrieb, war denn eine Modernisierung schon notwendig?“ „Auf dem Gelände“, antwortete Herberts, „betreiben das IAC, das Astrophysikalische Institut der Kanaren, und andere Forschungszentren bereits mehrere Sternwarten. Speziell

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