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aber Dank der magischen Fähigkeiten Gormens prasselten jetzt die Flammen. Cora zog sich bis auf ihr Lendentuch aus, dann zündete sie einen kleinen Zweig an, den sie vorher zum Trocknen dicht an das Feuer gelegt hatte, und wartete, bis er ein Stück abgebrannt war. Sie blies die Flamme aus und strich mit der noch glühenden, verkohlten Spitze über die kugelförmig aufgeblähten Leiber dreier voll gesogener Blutsauger an ihrem Körper, bis diese abfielen. Eine Zecke hatte sie in der Achselhöhle gefunden, eine weitere am Bein und eine dritte unter ihrer linken Brust. Sie und die Männer hatten längst jede Scham abgelegt und sich daran gewöhnt, sich vor den anderen zu entblößen, um die Schmarotzer zu finden und loszuwerden. Spin, der seine Bisse gerade behandelt hatte, reichte ihr den Salbentopf weiter. Cora strich etwas von der grüngrauen Paste auf die roten Stellen.

      Als viel schwieriger erwies es sich, Zecken loszuwerden, die sich in die Kopfhaut gebohrt hatten. Hier konnten sie natürlich keine heiße Flamme oder glühende Holzkohle benutzen, ohne sich dabei die Haare zu versengen. Nachdem sie es zuerst mit Lampenöl mehr oder weniger erfolglos versucht hatten, banden sie sich mit Stoffstreifen, die sie aus einigen Kleidungsstücken geschnitten hatten, festsitzende Turbane um den Kopf.

      Cora zog sich wieder an und hüllte sich zusätzlich in eine noch halbwegs trockene Decke. Die anderen taten es ihr nach. Dann aßen sie ein karges Mahl. Viel war von ihrem Proviant nicht mehr übrig: Brot und Dörrobst verschimmelt und ungenießbar, der Reis kalt aufgequollen, der Käse von Maden befallen. Sie warfen die verdorbenen Vorräte weg. Spin hatte vor zwei Tagen eine kleine Gazelle geschossen. Ihr Fleisch bot die einzige Abwechslung von der Kost aus Pilzen und Beeren, die überall wuchsen. Schweigend kauten sie auf den durch Pökeln haltbar gemachten Streifen herum. Cora fand ihr Stück zäh, aber sie war Spin dankbar, dass er gelegentlich Wild aufspürte und erlegte. Nach dem Essen unterhielten sich die vier Gefährten, wandten sich wieder dem Thema zu, das ihre Gedanken am meisten beherrschte.

      „Wie weit ist es noch?“, erkundigte sich Gormen beim Waldläufer.

      „Wenn du damit meinst, wie weit wir noch vom Pass entfernt sind, dann weiß ich es nicht“, antwortete der. „Ich kann nur raten, dass wir noch zwei bis dreihundert Meilen nördlich davon sind. Im Dschungel schaffen wir höchstens zehn Meilen am Tag, das heißt wir werden wahrscheinlich noch einen Monat unterwegs sein, bis wir ihn erreichen. Wenn du allerdings wissen willst, wie weit es noch bis zum Land der Xinghi ist, dann antworte ich: Wir sind längst da.“

      „Aber wie sollen wir sie jemals finden?“ Coras Stimme klang hoffnungslos.

      „Sie werden uns finden“, meinte Boc und hustete röchelnd. Dann schnäuzte er sich zwischen den Fingern. Spin nickte.

      „Ich denke, Boc hat recht. Allerdings glaube ich, dass sie uns schon gefunden haben. Wir müssen sie nur dazu bringen sich zu zeigen.“

      „Du meinst, sie beobachten uns jetzt gerade?“ Gormen blickte sich suchend um.

      „Ich denke, einer ihrer Späher begleitet uns, seit wir über den Fluss gesetzt haben. Draußen, in der weiten Ebene, in der es nur wenige Bäume und Büsche gibt, hat er uns wohl aus der Ferne im Auge behalten. Jetzt dürfte er so nahe sein, dass er unsere Unterhaltung hört.“

      „Dann rufe ihn doch einfach“, meinte Boc.

      „Was soll ich denn rufen? Wenn er unsere Sprache spräche, wüsste er längst, dass wir mit seinem Volk Kontakt aufnehmen wollen. Dass er sich nicht zeigt, kann bedeuten, dass das Waldvolk nichts mit uns zu tun haben will. Wahrscheinlicher ist aber, dass er kein Wort von dem versteht, was wir sagen. Die Xinghi-Späher sprechen unsere Sprache nicht. Zpixs ist eine Ausnahme. Sein Volk hat ihn nach Koridrea geschickt, um die Menschen dort zu beobachten, und deshalb hat er Koridreanisch gelernt.“ Spin zuckte resignierend die Schultern. Aber Gormen schien plötzlich eine Erleuchtung zu haben.

      „Ist denn nicht anzunehmen, dass der Späher, der für diese Region zuständig ist, sich in der Sprache der Ostlinge, der Menschen, die ihre Nachbarn sind, verständigen kann? Vielleicht versteht er mich dann auch. Mit meinem Krandoranisch, der Sprache des Alten Königreichs, konnte ich mich ganz leidlich mit Tera, dem Bildhauer, unterhalten.“

      Spin schlug sich vor den Kopf. „Ich bin ein Narr, dass ich nicht darauf gekommen bin. Du hast sicher recht, Gormen. Die Xinghi beobachten die Ostländer seit langer Zeit. Um zu wissen, was ihre menschlichen Nachbarn im Schilde führen, müssen sie natürlich deren Sprache beherrschen. Ja, mein Freund, versuch dein Glück.“

      Der Schwarze Mönch stand auf, wandte sich dem Wald zu und sagte mit lauter Stimme auf Krandoranisch:

      „Späher der Xinghi. Wir wissen, dass du in der Nähe bist. Wir kommen in Frieden. Meine Begleiter hier kennen einen der Euren ganz gut. Seinen Namen können wir in eurer Sprache nicht aussprechen, er klingt in unseren Ohren wie Zpixs. Wir haben eine weite und gefahrvolle Reise gemacht, um ihn zu finden und mit ihm zu reden. Die Angelegenheit ist äußerst wichtig, nicht nur für uns Menschen, sondern auch für euch. Auch ihr seid in großer Gefahr. Wir sind gekommen, um die Xinghi vor einem heraufziehenden Unheil zu warnen und um Hilfe zu bitten.“

      Sie warteten, doch nichts geschah. Nach einer Weile setzte sich Gormen wieder ans Feuer und seufzte.

      „Immerhin war es einen Versuch wert. Versucht nun, ein bisschen zu schlafen. Ich halte die erste Wache.“

      Sie wickelten sich in ihre Decken und rollten sich zusammen, bis auf den Schwarzen Mönch, der sich auf einen Stein hockte und ins herunterbrennende Feuer starrte. Nach einer Weile vernahm er die regelmäßigen Atemzüge von Cora und Spin und das röchelnde Schnarchen von Boc, der durch seine verstopfte Nase keine Luft bekam und deshalb mit offenem Mund atmete.

      Mittlerweile gab das Lagerfeuer kaum noch Rauch ab, da das brennende Holz durch die Hitze getrocknet war. Die Flammen tanzten ihren feurigen Tanz, und durch die aufsteigenden heißen Gase sah Gormen den Waldesrand dahinter in rötlichem Licht flimmern und wabern, als bestünde er aus kochendem Wachs oder heißer Lava. Inmitten dieses gespenstischen Hintergrunds materialisierte plötzlich eine Gestalt, ein kleines, menschenähnliches Wesen.

      „Ich bin Zpixs. Du hast mich gerufen“, sagte es.

      Cora freute sich sehr, das kleine, freundliche Waldwesen wiederzusehen. Sie drückte dem Xinghi einen Kuss auf die Stirn. In dessen Minenspiel zeigte sich keine Emotion, aber die Bewegung seiner Ohren verriet seine Freude.

      Spin stellte ihm Gormen Helath vor. Als der Waldläufer erklärte, Gormen gehöre dem Schwarzen Orden aus Vulcor an, legte Zpixs die Ohren eng an den Kopf, ein Zeichen der Verwirrung, wie Cora vermutete.

      „Das verstehe ich nicht“, wunderte sich der Waldbewohner. „Ist nicht der Schwarze Abt, der Führer dieses Ordens, euer Feind, der wiedergeborene Semanius? Seid ihr nicht aufgebrochen, um ihn zu besiegen? Jetzt ist einer seiner Brüder euer Gefährte. Was ist geschehen? Warum sind Traigar, Gother, Winger und die beiden Soldaten nicht bei euch? Sind sie umgekommen? Konntet ihr diesen Nunoc Baryth nicht bezwingen?“

      Gormen antwortete ihm:

      „Nunoc, mein Bruder und väterlicher Freund, ist leider tot. Traigar und Gother haben ihn getötet, wie es ihr Plan vorsah. Aber manchmal trügt der Schein, Zpixs. Traigar und seine Freunde wurden von Gother und dessen Herrn getäuscht. Die Wahrheit ist: Nicht Nunoc Baryth, sondern der Lord von Shoala, Athlan Gadennyn, ist der wiedergeborene Lordmagier Semanius.“

      Die langen Ohren des Xinghi schwirrten wie die Flügel einer Libelle. Für einen kurzen Augenblick flimmerte die Luft, dann war er verschwunden, doch einen Lidschlag später tauchte er fast an derselben Stelle wieder auf.

      „Verzeiht, meine Freunde, dass ich euch verließ. Ich bin eine Weile durch den Wald gestreift, um der Verwirrung meiner Gefühle Herr zu werden.“

      ‚Eine Weile?’, dachte Gormen, aber dann fiel ihm ein, dass dieses Wesen ja die Zeit beherrschte. Es mochte nach seinem eigenen Zeitempfinden stundenlang umhergeirrt sein.

      „Erzählt mir alles, was geschehen ist, seit wir uns vor vielen Monaten getrennt haben“, bat Zpixs.

      Cora gab einen groben Abriss der Geschehnisse. Sie berichtete

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