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Mädchen hatte die Männer durch ein Schlüsselloch beobachtet. Die meisten von ihnen sahen hässlich und brutal aus, aber ihr Anführer war ein prachtvoller Bursche, hellhäutig und mit aschblondem langem Haar. Seine blauen Augen strahlten wie Saphire. Ein so schöner Mann konnte nicht böse sein. Er würde sie vor den anderen beschützen. Sutana hatte gehört, dass er nach ihr gefragt hatte. Das meiste von dem, was er gesagt hatte, hatte sie nicht verstehen können, wohl aber, dass er sie als südländische Prinzessin bezeichnete. Das gab den Ausschlag, den Befehl ihres Vaters zu ignorieren. Sie spürte ihr Herz klopfen, hörte das Blut in ihren Adern rauschen und fühlte die Röte im Gesicht aufsteigen, als sie die Türklinke niederdrückte.

      Auf der Straße näherte sich ein weiterer Reiter, ein Mann wie ein Berg, auf einem riesigen Pferd. Der Reiter, der einmal Orec geheißen hatte und ein zorniger, junger Heißsporn gewesen war, erinnerte sich nicht an seinen Namen. Er erinnerte sich an gar nichts mehr, außer an die Schmerzen und deren Verursacher. Doch Gadennyn, seinen Folterer, betrachtete er nicht als Widersacher. Mit ihm war er einen Bund eingegangen gegen seinen wahren Feind: einen jungen Mann in Schwarz, dessen Bild als Fratze vor seinem inneren Auge schwebte. All die Schmerzen und die Pein hatte er nur seinetwegen erleiden müssen. Der Hass auf diesen Menschen, dem er nie begegnet war, dominierte seine anderen Gefühle: die tiefe Traurigkeit und das grenzenlose Sehnen nach etwas, was er nie haben würde: Liebe, Geborgenheit und Freundschaft. Doch im Augenblick machte ihm ein profanes Bedürfnis zu schaffen: Hunger. Er hatte seit Tagen nichts gegessen. Und er roch den Bratenduft, der aus dem Kamin des seltsamen Gebäudes, nicht weit vor ihm, herüberwehte. Er ließ den Klepper einfach im Schnee stehen und trat in den Vorraum des Gasthofs. Die gut geölte Tür der Wirtsstube öffnete sich geräuschlos.

      Wäre er ein anderer gewesen, wäre noch ein Rest von Menschlichkeit und Mitgefühl in ihm übrig geblieben, so wäre er bei diesem Anblick zutiefst erschrocken. Zwei Männer rissen gerade dem Wirt einen Säbel aus der Hand und packten ihn. Einer von ihnen hielt dem dunkelhäutigen Mann mit den erschrocken aufgerissenen Augen ein Messer an die Kehle, sodass er nicht wagte, sich zu rühren. Auf dem Boden lag eine Frau im mittleren Alter, schrie und schlug mit den Fäusten auf einen Mann ein, der rittlings auf ihr saß und höhnisch lachte. Schließlich bekam er ihre Handgelenke zu fassen und drückte sie auf den Boden. Er rief:

      „Ich nehme mir erstmal die Alte vor. Lasst mir aber noch was übrig von dem Mädchen!“

      Die junge Frau, von der er sprach, lag halb entblößt auf einem Tisch, gepackt und festgehalten von zwei weiteren Männern, die versuchten, die Beine des strampelnden Mädchens mit Gewalt zu spreizen. Ihr Gesicht drückte entsetzliche Angst aus. Ein sechster Mann stand zu ihren Füßen am Tisch und nestelte an seinem Hosenschlitz.

      „Schiebt sie ein bisschen näher zu mir“, befahl er den zwei anderen.

      Jeder der Menschen in der Gaststube war so beschäftigt mit sich selbst, dass keiner den neuen Besucher bewusst zur Kenntnis nahm. Der ignorierte alles, was in diesem Raum geschah, trat auf den Tresen zu und sagte zu dem festgehaltenen und vor Todesangst schwitzenden Wirt: „Ich habe Hunger!“

      Stille trat ein. Alle Augen wandten sich dem Ankömmling zu. Haseth blickte den merkwürdigen Riesen, der geistig behindert zu sein schien, fassungslos an, dann bat er: „Bitte helft mir. Ich …“

      Bevor er weiterreden konnte, fiel ihm der Anführer der Söldner, der es noch nicht geschafft hatte, seinen Hosenschlitz zu öffnen, ins Wort:

      „Siehst du nicht, dass du störst? Hau ab, bevor ich deine Zähne an meine Kette hänge.“

      In diesem Augenblick fiel ihm aber ein, dass es nicht so gut wäre, den neuen Gast entkommen zu lassen, damit er womöglich Hilfe holte.

      „Nein, warte. Bleib hier und genieße es. Weißt du überhaupt, was ich meine? Du siehst ein bisschen verblödet aus. Pass auf: Schau am besten einfach zu. Vielleicht lassen wir dich hinterher auch ran. Doch das Vergnügen, eine Jungfernschaft zu beenden, steht mir zu. Dann kommen meine Männer dran und das, was übrig bleibt, überlassen wir dir. Bin mal gespannt, ob das arme Mädchen das überlebt, hihi.“

      Der Namenlose würdigte die Söldner keines Blickes. Er blickte immer noch den Wirt an und wiederholte:

      „Ich habe Hunger.“ Seine Stimme klang drohend.

      „Aber seht Ihr nicht, was hier los ist? Ich kann Euch nichts zu essen geben, solange diese Verbrecher …“

      Einer der Männer, die Haseth festhielten, schrie:

      „Halt die Klappe, sonst schneide ich dir die Kehle durch!“ und drückte sein Messer ein wenig fester an den Hals des Wirts, sodass es die Haut ritzte und ein Blutstropfen an der Schneide entlang perlte.

      Der Hüne mit dem Gesicht eines zurückgebliebenen Kindes runzelte die Stirn und schien angestrengt nachzudenken. Dann drehte er sich um und verließ die Schankstube.

      „He!“, rief der Anführer. „Haltet ihn auf!“

      Die Söldner, die Haseth bewachten, ließen ihre Opfer los, zückten ihre Streitäxte und wollten gerade zur Tür stürmen, als diese sich öffnete. Der Mann, der wie ein Troll aus alten Sagen wirkte, trat wieder ein, in der Hand ein riesiges Schwert. Der erste Söldner, der auf ihn einstürmte, der Mann, der auf Hanah gekniet hatte, verlor seinen Kopf, der bis vor die Füße der am Boden sitzenden und schreienden Wirtin kullerte. Der Riese packte mit einer Hand einen schweren Eichentisch und schleuderte ihn gegen zwei weitere Angreifer, die unter der Wucht des Aufpralls zu Boden gingen. Er sprang hinterher, traf mit seinem vollen Gewicht die Tischplatte und man hörte das hässliche Knacken brechender Brustkörbe. Mit unglaublicher Geschwindigkeit sprang er auf den Tisch, auf dem das weinende Mädchen lag und stellte sich schützend über sie. Die Unmenschen, die sie festhielten, ließen sofort los und zogen ebenfalls ihre Waffen. Gemeinsam hackten sie auf die säulenartigen Beine ihres Gegners ein. Doch der parierte ihre Streiche mühelos mit seinem gewaltigen Schwert. Danach schlug er einem den Arm ab. Der Mann blieb entgeistert stehen und starrte auf seinen am Boden liegenden Schwertarm, dessen Hand noch fest den Griff umklammerte, dann auf den Stumpf, aus dem das Blut schoss. Der andere Söldner wollte davonrennen. Die scharfe Klinge des Kolosses durchbohrte ihn von hinten und trat durch die Bauchdecke aus, und als es der Hüne wieder herauszog, fielen die Eingeweide durch die klaffende Wunde auf den Boden. Der Mann sank auf die Knie und versuchte, sie mit den Händen wieder hineinzustopfen.

      Jetzt war nur noch der Anführer übrig. Die aufgerissenen Augen in seinem leichenblassen Gesicht drückten blankes Entsetzen aus. Aus seinem Hosenschlitz hing der Zipfel seines Hemdes. Er hatte sein Schwert gezogen, ließ es aber jetzt aus der Hand fallen.

      „Bitte verschone mich“, stammelte er, zitternd vor Angst. Der riesenhafte Berserker legte sein Schwert zu Füßen des Mädchens auf den Tisch, stieg mit einem Schritt herunter, nahm den Kopf des Söldners in die Hände, als wolle er ihn trösten, und drehte dann mit einem Knacken dessen Hals um. Dann ging er hinüber zu dem immer noch dastehenden Amputierten und tat mit ihm dasselbe. Schließlich erlöste er auch den Mann, der seine Eingeweide in den Händen hielt, auf die gleiche, gnadenvolle Weise. Von den beiden, mit gebrochenen Knochen unter dem Tisch liegenden Söldner war nur noch einer am Leben. Dem anderen hatte eine zersplitterte Rippe das Herz durchbohrt. Der lebende Mann schaute mit schmerz- und angstverzerrtem Gesicht zu dem furchtbaren Gegner auf. Er fand einen schnellen und schmerzlosen Tod.

      Dann setzte er sich der neue Gast an einen Tisch und sagte.

      „Bekomme ich jetzt endlich etwas zu essen?“

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