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in den Augen des Kosaken im Grunde genommen ein ungesittetes, verächtliches Geschöpf. Muster dieser Art hat er in den russischen Hausierern kennengelernt, die gelegentlich bei ihm vorsprechen, sowie in den kleinrussischen Ansiedlern, die von den Kosaken geringschätzig »Schopfträger« genannt werden. Seine schmucke Kleidung hat der Kosak vom Tscherkessen übernommen. Die besten Waffen bekommt er von den Bergbewohnern, die schönsten Pferde kauft oder stiehlt er in ihrem Aul. Der richtige, schneidige Kosak spielt sich gern als Kenner des Tatarischen auf, und ist er in der rechten Stimmung, so spricht er selbst mit seinesgleichen tatarisch. Gleichwohl hält dieses christliche Völkchen, das in jenen Erdenwinkel versprengt ward und rings von halbwilden mohammedanischen Stämmen und Soldaten umgeben ist, sich für hochzivilisiert und erkennt einzig den Kosaken als Vollmenschen an; auf alles übrige blickt es geringschätzig von oben herab. Der Kosak verbringt seine Zeit zum größten Teil in den Wachthäusern, auf Streifzügen, auf der Jagd oder beim Fischfang. Häusliche Arbeit verrichtet er fast niemals. Sein Aufenthalt im Dorfe ist eine Ausnahme von der Regel; ist er dort, so verbringt er seine Zeit auf höchst vergnügte Weise. Jeder Kosak hat seinen eigenen Weingarten, und die Neigung zum Trunke ist nicht sowohl ein allen anhaftendes Laster, als vielmehr ein Brauch, dessen Nichtbeachtung als Abtrünnigkeit gelten würde. Das Weib betrachtet der Kosak als das Werkzeug, das seinen Wohlstand schafft; nur dem Mädchen gestattet er müßig zu gehen, die verheiratete Frau muß von Anfang an bis ins hohe Alter hinein für ihn arbeiten, und wie der Orientale verlangt er von ihr Gehorsam und Fleiß. Die Folge einer solchen Auffassung ist, daß das Weib, das sich bei seiner Beschäftigung leiblich und sittlich kraftvoll entwickelt, bei aller äußeren Unterordnung doch, wie überhaupt im Orient, weit mehr Einfluß und Ansehen in der Häuslichkeit besitzt als das Weib des Westens. Der Ausschluss der Frau vom öffentlichen Leben und ihre Gewöhnung an schwere Männerarbeit verleiht ihr um so größeres Gewicht im häuslichen Betriebe. Der Kosak, der es für unpassend hält, in Gegenwart Fremder mit seiner Frau ein freundliches oder auch nur ein überflüssiges Wort zu reden, empfindet unwillkürlich ihre Überlegenheit, sobald er mit ihr unter vier Augen zusammen ist. Das ganze Haus, das ganze Vermögen, die ganze Wirtschaft ist durch die Frau erworben und wird einzig durch ihre Arbeit und Fürsorge zusammengehalten. Obschon der Kosak fest davon überzeugt ist, daß die Arbeit für einen Kosaken eine Schmach ist und sich nur für den nogajschen Knecht und für die Frau ziemt, hat er doch das unbestimmte Gefühl, daß alles, was er genießt, und was er sein nennt, ein Erzeugnis ihrer Arbeit ist, und daß es in der Macht der Frau, sei es seine Mutter oder seine Gattin, liegt, ihn alles dessen zu berauben, was ihm Genuss bereitet. Überdies hat die beständige schwere Männerarbeit und die ihr anvertraute Sorge um das ganze Hauswesen der Frau des Grebenj-Kosaken einen ganz besonders selbständigen, mannhaften Charakter verliehen und ihre körperliche Kraft, ihr gesundes Urteil, ihre Entschlossenheit und Charakterfestigkeit in überraschender Weise entwickelt. Die Frauen sind zum größten Teil stärker, klüger und stattlicher als die Männer. Die Schönheit der grebenjschen Frau fällt namentlich dadurch auf, daß sie den reinsten tscherkessischen Gesichtstypus mit dem breiten und kräftigen Körperbau der Frau aus dem Norden verbindet. Die Kosakenfrauen tragen tscherkessische Kleidung: das lange tatarische Hemd, den Beschmet1 und die Tschuwjaks2; doch binden sie sich nach russischer Sitte Kopftücher um. Prunk, Sauberkeit und Schönheit in Kleidung und Wohnungsausstattung sind für sie ein unabweisliches Lebensbedürfnis. Im Verkehr mit den Männern genießen die Frauen, besonders aber die Mädchen, große Freiheit. Das Dorf Nowomlinsk galt als der Stammsitz des grebenjschen Kosakentums. Dort haben sich die Sitten der alten Grebenjzer reiner als sonstwo erhalten, und die Frauen dieses Dorfes waren von jeher ihrer Schönheit wegen im ganzen Kaukasus berühmt. Die Mittel zum Unterhalt der Kosaken liefern die Wein- und Obstgärten, die Melonen- und Kürbispflanzungen, der Fischfang, die Jagd, der Anbau von Mais und Hirse und die Kriegsbeute.

      Das Dorf Nowomlinsk liegt etwa drei Werst vom Terek entfernt und ist durch einen dichten Wald von ihm getrennt. Auf der einen Seite des Weges, der durch das Dorf führt, zieht sich der Fluß hin, auf der andern Seite liegen üppig grünende Wein- und Obstgärten, hinter denen die Sanddünen der Nogajschen Steppe sichtbar werden. Das Dorf ist mit einem Erdwall und einer stacheligen Dornenhecke umgeben. Hohe, auf Pfeilern ruhende Torwege mit kleinen, schilfgedeckten Dächern bezeichnen die Einfahrt ins Dorf und die Ausfahrt aus ihm, und neben dem Torweg steht auf einer Holzlafette eine Kanone, ein unförmliches Ding, das die Kosaken irgendeinmal irgendwo erobert haben, aus dem aber seit hundert Jahren kein Schuß abgegeben wurde. Ein Kosak in voller Ausrüstung, mit Säbel und Gewehr, steht zuweilen neben dem Torweg auf Posten, zuweilen auch nicht; das eine Mal macht er vor dem vorübergehenden Offizier Front, das andre Mal nicht. Unter dem Dache des Torwegs steht auf einem weißen Täfelchen mit schwarzer Farbe geschrieben: »266 Häuser, 897 Seelen männlichen Geschlechts, 1012 Seelen weiblichen Geschlechts.« Die Häuser der Kosaken ruhen alle auf Pfählen, eine Elle hoch oder mehr über der Erde; sie sind sauber mit Schilfrohr gedeckt und mit hohen Giebelbalken versehen. Alle sind, wenn nicht neu, so doch gut im Stande und sauber, mit mannigfach geformten Treppen und Aufgängen. Sie sind nicht eng aneinandergereiht, sondern bilden in geräumiger, malerischer Lage breite Straßen und Gassen. Vor den hellen, großen Fenstern vieler Häuser ragen hinter den Zäunen dunkelgrüne Pappeln und zartbelaubte Akazien in duftig weißer Blütenpracht über die Dächer empor; grell schimmernde gelbe Sonnenblumen wachsen ebenda zwischen rankenden Weinreben und Winden. Auf dem geräumigen Marktplatze sieht man drei Läden mit Schnittwaren, Sämereien, Johannisbrot und Pfefferkuchen, und hinter einer hohen Pallisade und einer Reihe alter Pappeln erhebt sich, länger und höher als alle übrigen Häuser, das mit zweiflügeligen Fenstern versehene Haus des Regimentskommandeurs. Nur wenige Menschen sieht man an den Wochentagen, zumal im Sommer, in den Straßen des Dorfes. Die Kosaken sind im Dienst, in den Wachthäusern und auf Streifzügen; die Alten sind auf die Jagd, auf den Fischfang oder mit den Weibern zur Arbeit in die Gärten gegangen. Nur die Allerältesten, die Kinder und die Kranken bleiben daheim.

      1 Obergewand

      2 tatarische Schuhe

      5

      Es war einer jener ganz besonderen Abende, wie sie nur im Kaukasus vorkommen. Die Sonne war hinter die Berge gesunken, doch war es noch hell. Das Abendrot bedeckte wohl ein Drittel des Himmels, und von seinem lichten Hintergrund hoben sich die mattweißen Massen der Schneeberge scharf und deutlich ab. Die Luft war dünn, unbewegt, wie akustisch gestimmt. Der tiefe Schatten der Berge fiel in einer Länge von etlichen Werst auf die Steppe. In der Steppe, jenseits des Flusses, auf den Wegen, überall war es still und leer. Wenn einmal da oder dort eine Gruppe von Reitern auftauchte, blickten auch schon die Kosaken aus dem Wachthause und die Tschetschenzen aus dem Aul voll Verwunderung und Neugier nach ihnen hin und suchten zu erraten, wer die verdächtigen Leute wohl sein mögen. Sobald es Abend geworden, ziehen sich die Menschen aus Furcht voreinander in ihre Wohnungen zurück, und nur das Raubtier und der Vogel schweifen frei, ohne den Menschen zu fürchten, durch die Einöde. Unter munterem Geplauder eilen die Kosakenfrauen aus den Weingärten, wo sie die Ranken angebunden haben, noch vor Sonnenuntergang heim. In den Gärten, wie in der ganzen Umgegend, wird es einsam; im Dorfe dagegen herrscht um diese Stunde ein lebendiges Treiben. Von allen Seiten ziehen die Leute zu Fuß, zu Pferde oder auf knarrenden Wagen dem Dorfe zu. Die Mädchen eilen in aufgeschürzten Hemden, mit Gerten in der Hand, fröhlich schwatzend nach dem Tor, dem Vieh entgegen, das in einer Wolke von Staub und Mücken, die ihm aus der Steppe folgen, dicht gedrängt heranzieht. Die satten Kühe zerstreuen sich in den Straßen, und die Kosakenmädchen in den bunten Beschmets laufen zwischen ihnen hin und her. Man hört ihr lautes Gespräch, ihr munteres Lachen und Kreischen, und zwischendurch tönt das Brüllen des Viehs. Dort kommt hoch zu Pferde ein Kosak in Feldausrüstung, der sich Urlaub erbeten hat, vom Wachthause her nach seiner Hütte, neigt sich zum Fenster und klopft daran. Auf dieses Zeichen erscheint sogleich der hübsche Kopf einer jungen Kosakin, und man hört sie beide lachen und vertraulich miteinander sprechen. Da kommt ein zerlumpter nogajscher Knecht mit scharf vorspringenden Backenknochen auf einem Wagen herangefahren: er hat Schilfrohr in der Steppe geholt, fährt den kreischenden Wagen auf den sauberen großen Hof des Jessauls1, nimmt den die Köpfe bewegenden Ochsen das Joch ab und ruft dem Hausherrn auf tatarisch irgend etwas zu, worauf jener ihm in derselben Sprache antwortet. An der Pfütze, die fast die ganze Straße einnimmt, und neben der

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