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war.

      Eine Woche später saß ich im Flugzeug nach Neu-Delhi und ein paar Tage später – ich wollte mich langsam an die asiatische Welt gewöhnen – saß ich im Flugzeug nach Srinagar, der Hauptstadt von Kashmir, von wo der Weg über Land fortgesetzt werden sollte. Ich verbrachte eine Nacht in einem der berühmten, schwimmenden Hotels, auf dem nicht minder berühmten Dal-See, in einem Zimmer, in dem schon Mahatma Gandhi geschlafen haben soll, aber derlei Legenden sollte man hier nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken, das war unserem "Jägerlatein" sehr verwandt. Ich erwachte vom Plätschern des Wassers, es war alles sehr friedlich und die Sonne, die da über dem Himalaya aufging, war Belohnung genug für das äußerst frühzeitige Erwachen und Aufstehen. Es war die pure Erregung, die mich nicht länger schlafen ließ, am liebsten wäre ich sofort nach Norden aufgebrochen, aber ich musste mir erst ein Transportmittel, bzw. auch ein oder zwei Träger organisieren, denn dass ich dann in der bereits dünneren Luft, wenn der Weg zu Fuß fortgesetzt werden musste, keine physischen Hochleistungen vollbringen konnte, war klar, wie das Wasser im See.

      Aber ein Tag reichte aus, um diese Vorbereitungen zu treffen, die Leute im Hotel waren mir behilflich, man war froh vermittelnd eingreifen zu können. Einer der Träger sah auch ganz so wie ein Sohn des Hotelbesitzers aus, die Zeiten waren schlecht, gerade wegen der politischen Wirren und der islamistischen Anschläge, denen hier in der Stadt, schon unzählige Menschen zum Opfer gefallen waren. Es kamen auch keine Touristen mehr, von nirgendwo, auch die Inder kamen nicht mehr, alles lag brach. Die schmucken Hotels zerfielen langsam, für notwendige Renovierungen war kein Geld mehr vorhanden.

      Auch ich musste zusehen, hier wieder wegzukommen, wie man mich warnte, die Islamisten nahmen nur all zu gern Ausländer als Geiseln, um dann, wie billige Gangster, ein Lösegeld erpressen zu können und dies dann als "großen Sieg" zu feiern. In deren Hände zu fallen hatte ich überhaupt keine Lust. Ich verbrachte die folgende Nacht in einem anderen Hotel, betrieben von einem Bruder des Besitzers vom ersten Hotel. Noch vor Tagesanbruch startete man den Jeep, wo auch zwei bewaffnete Uniformierte Platz nahmen, es war ein bisschen eng, aber besser so, als anders. Die Straße nach Norden war gut, der Motor schnurrte, ein russischer Jeep, der war an harte Bedingungen gewöhnt, wie man alsbald auch feststellen konnte, nämlich als man ein Flussbett, mit relativ schneller Strömung durchquerte, wozu man eine Manschette mit einem Schlauch an den Auspuff anbrachte, sodass seine Öffnung nicht unter Wasser geriet. Es schaukelte bedenklich, aber das Gefährt holperte ohne Zwischenfall durch die Furt. Auch über felsiges Gelände, die Straße war nach einem Attentat der Islamisten unbefahrbar, man musste einen Umweg über das rauhe Gelände nehmen, kein Problem, der Jeep hielt allem Stand.

      Die Straße war so gut, dass wir zügig vorankamen, am zweiten Tag waren wir in Leh angekommen, wo bereits das erste große Kloster meine Aufmerksamkeit erregte. Gewaltig saß es auf der Spitze eines steinernen Hügels. Einige Kilometer südlich zweigte ein Feldweg nach links ab, nun ging's in die Berge, aber richtig. Auch wieder an Klöstern vorbei, Chemrey, dann hinauf nach Chang La, weiter nach Osten, am heiligen Berg Kailash vorbei, den die Gläubigen, wie schon immer, völlig ungenügend bekleidet und barfuß umrundeten. Aber so nahe an den Berg kamen wir nicht heran, unsere Route führte weiter in die Einöde. Ich will jetzt nicht länger mit Wegbeschreibungen Langeweile erzeugen, die Landschaft war so gewaltig und urtümlich groß, dass man sich unwillkürlich klein und unbedeutend fühlte. Ich konnte verstehen, dass die Einheimischen, diese Berge als Sitz der Götter ansahen. Wenn die Götter zürnten, dann spürte man das hier unmittelbar und mit unbarmherziger Gewalt. Man konnte nicht anders als Ehrfurcht haben, vor der Majestät dieser Berge. Wir passierten den letzten Kontrollpunkt des Militärs, in Tangtse, fuhren weiter auf einer noch engeren Straße, Feldweg, Trampelpfad, wäre die korrektere Bezeichnung. Es wurde immer schwieriger, teilweise abschüssig, einmal stieg ich aus, traute dem Jeep nicht mehr, aber alles ging gut, ich stieg wieder zu.

      Als mein Telefon läutete, war ich nicht verwundert, ich hatte unterwegs, schriftlich – per SMS – bereits mitgeteilt, dass wir auf dem Weg waren, dass wir Tangtse bereits passiert hatten und nun weiterfuhren. Die Antwort aus der Schweiz kam umgehend - wir wurden erwartet, ein Komitee sei bereits an der Straße, um mich an einem bestimmten Punkt in Empfang zu nehmen. Alles lief wie geplant, keine Störung im Getriebe.

      Gerade als wir den großen See von Ladakh erreichten, den Pangong Tso, ein Naturereignis für sich, sahen wir die kleine Gruppe von Mönchen, sie hatten Tragtiere dabei, eines davon wartete auf mich.

      Die Mönche bedeuteten dem Fahrer, den Uniformierten und den Trägern, dass man sie ab hier nicht mehr benötigte, sie würden für das weitere Fortkommen sorgen, hatten deshalb ja auch ihre Tiere mit dabei, um die Lasten zu tragen. Wobei ich anmerken muss, ich war sparsam ausgerüstet, hatte nur zwei Gepäckstücke, meinen eigenen Rucksack und einen weiteren Rucksack mit Geschenken, teilweise von Rimpong aus der Schweiz, teilweise von mir gekauft,als Gastgeschenke. Ich wollte nicht mit leeren Händen kommen. Ihre Unterstützung würde ich von nun an wohl brauchen, ohne sie war ich hier verloren, in dieser von Eis und Schnee starrenden tibetischen Welt.

      Ein Detail gab es noch, das mich doch verwunderte, aber andererseits, auch das war verständlich, sie wollten keine Störungen von der Außenwelt erfahren, Touristen brachten nur Verwirrung.

      Man verband mir die Augen und die künstliche Finsternis dauerte lange an, da waren Aufstieg auf einen Berg und auch der Abstieg, dann eine lange Wanderung durch ein Tal. Erst nach einer kleinen Ewigkeit, wie es mir schien, kam ein scharfes, kurzes Kommando, die Tragtiere hielten an. Die Augenbinde wurde entfernt, das Tageslicht schmerzte in meinen Augen, man machte eine kurze Rast an dem Fluss, der da gemütlich und unaufgeregt durch das Tal plätscherte. Zwei Mönche entfachten rasch ein kleines Feuer, zwischen zusammengeschobenen Steinen, eine Kanne mit Tee wurde aufgesetzt. Bald schon gab es einen heißen wohlduftenden Trunk, der meine Geister wieder belebte. Anschließend ging's weiter, über Stock und Stein, im wahrsten Sinne des Wortes, Berg und Tal, sogar unter einem Wasserfall vorbei, der Sprühregen war eisig kalt.

      Es erinnerte mich unwillkürlich an ein Buch, das ich in meiner Jugend fasziniert gelesen hatte, die Geschichte von Shan-Gri-La, dem geheimnisvollen Ort, wo tibetische Mönche gar wunderliche Dinge vollbrachten, unter anderem sogar fliegen gelernt hatten.

      Es gab aber auch andere Erzählungen, in denen von sogenannten "Elevationen" berichtet wurde. Mönche, die schwebten, über dem Erdboden, ohne jeglichen Bodenkontakt. Das war zwar kein "Fliegen", aber dennoch ein Abheben von der Erde. Natürlich glaubte ich solche Geschichten nicht, weder damals noch heute, aber es war ein schönes Märchen gewesen, ein moderneres Märchen, ohne Hexen oder verwunschene Prinzessinnen.

      Und doch, als wir dem Kloster nahekamen - die Tragtiere beschleunigten unwillkürlich ihr Tempo, sie rochen den heimischen Stall - war es, als ob man in eine verzauberte Welt eintauchte. Der Wind trieb die Wolken über den Himmel, aber hier im Tal war es vollkommen still, kein Hauch regte sich.

      "Rimpung Che !" sagte der Führer der kleinen Karawane, deutet auf einen Hügel, der sich an den Berg schmiegte, von ihm gewissermaßen den Rücken frei gehalten bekam. Die linke Seite des Hügels war eine steile Felsklippe, mit einem Überhang, unüberwindlich, bis vielleicht auf westliche Freikletterer, die auf solche Aufgaben geradezu spezialisiert waren. Es gab nur einen Weg hinauf, der führte in Serpentinen, in endlosen Schleifen, hinauf zu dem einzigen Tor, das Einlass zu dem Anwesen bot.

      Wir gingen den Weg hinauf zu Fuß, es wäre zu gefährlich gewesen, auf den Tieren zu reiten, ein Absturz wäre zweifellos tödlich verlaufen, für Tier und Mensch. Das Tor war schon geöffnet und ein quasi offizielles Komitee aus ehrbaren Mönchen erwartete uns. Sie schlugen Schellen, Glocken klangen aus den Räumen, die Mönche lachten übers ganze Gesicht. Es war eine Sensation in ihrem Gefüge, ein Besuch aus fremden Landen. Die meisten hatten noch nie einen Fremden gesehen, bestaunten mich mit unverhohlener Neugier, umrundeten mich sogar, um mich von allen Seiten betrachten zu können. Ich lachte sie ebenfalls an. Der Lama kam mit langsamen, bedächtigen Schritten die Treppe vom heiligen Haus heruntergeschritten, näherte sich in gemessenen, ruhigen Schritten, blieb kurz vor mir stehen.

      Er murmelte ein schnelles Gebet, sah in den Himmel hinauf und verbeugte sich anschließend vor mir. Dann kam er ganz nah an mich heran, fasste mich bei den Schultern und sah mir schweigend, fragend, in die Augen.

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