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Der Regulator und ich. Peter J. Gnad
Читать онлайн.Название Der Regulator und ich
Год выпуска 0
isbn 9783752990287
Автор произведения Peter J. Gnad
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Hans war nicht der Typ, dem man zutraute, einen phantasievollen Krimi zu schreiben, er war eher Realist. Auch in beruflichen Dingen waren es Dokumentation, an denen er arbeitete, nicht Fiktion. Er wirkte immer sehr abgeklärt und unaufgeregt, sachlich und nüchtern und ohne jegliche Ambitionen, die Welt zu belehren, ihr persönliche Botschaften zukommen zu lassen oder sie gar läutern zu wollen.. Er wusste, dass dies sinnlos war. Dennoch gab es da diese ganz persönliche Geschichte, mit dieser bemerkenswerten Entwicklung, weg von kühlen Kommentator, hin zum kalten Täter – seine "Kräfte", sein Lernen und sein Weg – alles ganz genau geschildert.
Seine Erzählung diente, wenn überhaupt, ja ohnedies nur noch als eine Art von Nachruf. Denn, Hans Maier war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Das stand fest, beglaubigt, von der Polizei in Griechenland, wo das traurige Ereignis stattgefunden hatte.
Ich hatte dann auch bald sein Manuskript in Händen und konnte alles nachlesen.
Sein Leichnam war noch vor Ort, in Kalamata, verbrannt worden. Wozu den Leichnam "nach Hause" transportieren, wenn der Körper auch hierzulande ohnedies nur eingeäschert werden sollte.
Hans Bruder hatte es so verfügt, als einzig verbliebener Verwandter, welcher ja logischerweise auch gleichzeitig Erbe aller Hinterlassenschaften war. Das war nicht unwichtig zu wissen, denn ich würde den Mann vielleicht noch besuchen müssen, um in Hans Unterlagen zu kramen, um weitere Details des Puzzles zusammentragen zu können. Dieses Rätsel musste gelöst werden.
Es gab eine offizielle Trauerfeier, mit einer Quasi-Bestattung, bei der die Urne in einem Bannwald, unter einer alten Eiche, vergraben wurde, ein Gitarrist spielte klassische Musik dazu.
Der Bruder hatte ausgerechnet mich gebeten, doch noch einige salbungsvolle Worte zu sprechen, den Verblichenen noch einmal zu ehren. Was mir nicht leicht fiel, denn ich hatte da ja bereits einen Teil seiner Aufzeichnungen gelesen, wusste genau, dass alles was man hier nun, an seinem Grab sagen konnte, weit von der Wahrheit entfernt bleiben musste. Aber schließlich willigte ich ein, sprach von den intellektuellen Fähigkeiten meines Freundes Hans Maier. Schon in der Schule, aber auch später, auf der Universität, hatte man seine Fähigkeiten bald erkannt. Er promovierte sogar "Sub-Auspiciis", selbst der Bundespräsident war gekommen, hatte Hans die Hand geschüttelt, wie es bei studentischen Sonderleistungen üblich war.
Die Luft in der Kaschemme in der wir saßen war zum Schneiden dick, es roch nach altem Bier und Rauch. Hans trug ein schiefes Grinsen im Gesicht, es wollte nicht so recht Platz greifen, und eigentlich war da auch nichts zu lachen, die Situation durchaus traurig. Mit einem Mal stand mir vor Augen, dass dies ein Abschied war.
Aber Hans ließ keine Sentimentalität aufkommen, was auch zu verstehen war, denn er brauchte, gerade nun, alles andere, als eine Trauerweide neben sich, die alle ihre trauernden Zweige noch tiefer als sonst sinken ließ.
Noch immer lächelnd sagte er, dass sein Anwalt den Auftrag habe, mir seine Geschichte auszuhändigen, sollte etwas Dramatisches geschehen, er das Zeitliche gesegnet haben.
"Schau, ich bin nicht sonderlich stolz auf die ganze Geschichte… Ich habe meine eigenen Bedenken und Zweifel, aber… ich glaube, das die Geschichte so außergewöhnlich ist, dass man sie dir entweder aus der Hand reißen wird oder dich als Lügner diffamiert - sei vorsichtig damit, überlege gut, was du damit machst."
Ich hatte nur den Kopf geschüttelt, die Hände abwehrend ausgestreckt, war aber dann doch auch neugierig geworden. Wenn Hans sagte, dass die Geschichte eine Sensation sei, dann musste man sich gefasst machen, tatsächlich genau das zu finden. Er neigte nur selten zu Übertreibungen, viel eher schon zum Gegenteil. Er hatte es nicht nötig sich oder den Nachrichtenwert aufzublähen, Eitelkeit hatte noch nie zu seinen Eigenschaften gehört. Ich musste des Öfteren Nachfragen, Details aus ihm herausquetschen, damit ich ein vollständiges Bild einer aktuellen Erzählung erfassen konnte. Nein, Hans war kein aufgeblasener Schaumschläger, wie man sie sonst so oft in dieser Klientel der Journalisten fand. "Journalisten und sonstiges Gesindel."
Hans verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, er liebte seine Kollegen nicht unbedingt und schon gar nicht alle. Er verachtete deren billige Oberflächlichkeit, bei der oft kaum tiefer, als gerade noch an der Oberfläche einer Story gekratzt wurde, die sich aber gerierten, als hätten sie die unteilbare einzig-gültige Wahrheit erfunden.
"Da ist dieser bescheuerte Subkutan-Journalismus, der Leser versteht nie das gesamte Bild, oder schlimmer, die wirkliche Geschichte dahinter, oft ist alles ganz anders... es hängt ja auch vom Medium ab, wem gehört die Zeitung, der Sender - wer zahlt schafft an."
Hans Ansatz war da anders, er recherchierte genauestens, bevor er auch nur die Absicht fassen wollte, aus den ihm vorliegenden Fakten eine Geschichte für die Zeitung oder fürs Fernsehen zu machen. Man bewunderte ihn dafür, in der Redaktion, ganz besonders in den Redaktionskonferenzen, die sich mit Kritik an Artikeln des Vortages befassten. Seine scharfe Zunge war gefürchtet, weil jeder drankommen konnte, niemand war gefeit davor, seinen Spott zu hören zu bekommen. Er konnte einen Artikel Wort für Wort auseinandernehmen, zerlegen und aufzeigen, woran die Geschichte krankte, wo der Autor Fehler, Unterlassungen oder sogar Interpretationen vorgenommen hatte. Ein verbales Fallbeil, das aber Köpfe nicht abschlug, sondern ihnen zu neuem Leben verhalf. Man liebte ihn nicht, das war klar, aber man respektierte seine fundierte Meinung, es war erstaunlich, wie oft er recht behielt, gerade wenn sich Geschichten, über Tage oder Wochen hinweg, weiterentwickelten. Er hatte ein "Nase" dafür, das konnte man nicht lernen, entweder man hatte "es" oder eben nicht, er jedenfalls hatte "es", seine Analysen waren treffend, wie die berühmte Faust aufs Auge.
Es dauerte auch nicht allzu lange, dass Hans Maier des ganzen Kleinkrams einer lokalen Zeitung überdrüssig wurde. Als die ersten Wiederholungen anstanden, sich die Arbeit auch noch in den Details zu wiederholen begann, als es Routine wurde und die sich anfangs noch gegebene Erregung zunehmend in Gähnen verwandelte, begann er nach anderen Wegen zu suchen. Es machte keinen Sinn immer wieder die gleichen oder ähnliche Situation zu beschreiben. Das war vegetierende Langeweile, meist dann auch noch mit Desinteresse gepaart, ganz einfach, weil er ja wusste, was da des Weges kam und auch wusste, was man von ihm, dem "Redakteur" nun erwartete.
"Ich bin kein Diener der bestehenden Strukturen, will nicht teilhaben an der Misere, in die sich die Gesellschaft nun zunehmend hineinmanövrieren lässt, getrieben von den Märkten, vom Konsum und deren Proponenten, den Geldhaien, das sind nicht meine, unsere 'Freunde', das sind Blutsauger, man hat das nur noch nicht so ganz erkannt."
Und wie recht sollte er behalten, er hatte auch die große Krise vorhergesehen, kommentierte sehenden, klaren Auges, das jeweilige Stadium, in dem sich der Fortschritt in Richtung Rückschritt ausbreitete. Alles deutete darauf hin, dass die Gesellschaft wieder zurückgeführt werden solle, in die Abhängigkeit der frühen Jahre des Industriezeitalters – so lautete seine Einschätzung. Natürlich mit anderen Vorzeichen, denn nun ging es nicht mehr um Mangelerscheinungen, zumindest nicht die alten, man wollte neue Mangelerscheinungen erzeugen und es klappte auch.
Aber so weit wollte ich an dieser Stelle nicht vorausdenken, dem Verlauf der Geschichte nicht vorgreifen. Es galt den Weg des Hans Maier nachzuvollziehen, den Teil des Weges zu erklären, den wir gemeinsam, als Freunde gegangen waren und was er anschließend machte, warum er es machte, wie er es machte. Er lebte ein Doppelleben, in den Augen der Welt würde er als Verbrecher gesehen werden, darüber hegte ich schon nach anfänglicher Lektüre seines Manuskriptes keine Zweifel mehr. Seine direkte, gleichlautende Aussage, die er auch ein bisschen humoristisch verbrämte, begleitet von einer Grimasse, in komödiantischem Ton vorgebracht, in der Kaschemme in der wir damals saßen, war nicht geeignet gewesen mich zu überzeugen. Ich dachte, es sei einer seiner schwarzen Scherze, als er andeutete, dass er quasi ein Triebtäter sei, aber wenigstens "edelmütig", weil er ja eben nicht aus niedrigen Motiven handelte.
Ich hatte dabei mehr an seine berufliche Tätigkeit gedacht, dass er Menschen medial "hinrichtete", aber nicht im wahrsten Sinne des Wortes, sondern nur mit seinen Kommentaren, Artikeln in der Zeitung, Berichten im Fernsehen.
Später wusste ich, dass Hans sich ganz korrekt ausgedrückt hatte. Es war nicht gelogen gewesen, die Andeutungen die er machte, bewahrheiteten