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folgen Sie mir!“

       *

      Nun bin ich also wieder in meinem Käfig, wieder eine Flucht ohne Erfolg, wenn ich doch nur mit den anderen Objekten reden könnte. Aber das haben wir längst aufgegeben, obwohl wir uns Tag und Nacht im selben Raum aufhalten, gesprochen wird nie. Der Grund dafür ist die Angst, etwas falsches zu sagen. Wir werden rund um die Uhr abgehört.

      Unsere Käfige sind in dem großen Labor an einer Wand aufgereiht, immer im Abstand von zwei Metern. Flüstern kann man nicht. Mir ist schlecht, gleich werde ich wohl sediert werden, das macht mir Angst. Mein Kopf fühlt sich dann an, wie wenn er mitten in einem Herbstnebel stecken würde, da fühle ich mich immer so hilflos und verletzlich. Dabei habe ich noch Glück, Dr. Parell hat mich abgeholt, bei jedem anderen Arzt wäre ich sofort sediert worden. Sie überlegt noch, ich hoffe, sie tut es nicht.

      Sie hat mich mit einem Seufzen wieder in den Käfig stecken lassen. Sie ist also unschlüssig.

      Jetzt steht sie davor und schaut mich an. „Acht, Acht, was machst Du nur für Sachen. Du weißt schon, dass jetzt eigentlich die Sedierung dran wäre?“ Ich gebe keine Antwort, aber ein Schauer läuft mir über den Rücken, bitte nicht. „Ich lasse es im Moment mal bleiben, aber die anderen Ärzte könnten darauf bestehen, es ist also noch nicht ausgestanden.“

      Ich rühre mich immer noch nicht, aber ihre Worte lassen mich erleichtert zusammensacken. Ich schließe kurz die Augen. Als ich sie wieder öffne, sieht sie mich neugierig an. Gut, sie hat mir eine Reaktion entlockt, aber ich habe mich wieder gefasst. Ich straffe mich und versuche, sie emotionslos anzusehen.

      „Wenn Du nur mal ein Wort sagen würdest, hätte ich es ein bisschen leichter. Ich könnte deine Haltungsbedingungen vielleicht etwas verbessern, wer weiß, aber solange Du stumm bleibst...“ So macht sie es immer, sie will mich unbedingt zum Reden bringen, aber wozu, was verspricht sie sich davon?

       *

      Anita schaute sich Acht genau an, irgendetwas war anders an diesem Versuchsobjekt. Sie hatte noch nie gesprochen. Jeden Tag redete Anita auf sie ein und versuchte Acht aus der Reserve zu locken, aber nichts. Wie konnte ein Mensch nur so lange stumm sein, dass sie reden konnte, stand in ihrer Akte. Heute hatte sie ihr zum ersten Mal eine Reaktion entlockt, Acht hat Angst davor sediert zu werden, will sich aber nichts anmerken lassen. Darauf könnte sie aufbauen.

      Sie trat ein Stück vom Käfig weg und betrachtete Acht, eine junge Frau mit braunen langen Haaren, sehr dünn, fast knochig. Die Wangenknochen stehen leicht hervor. Ein paar Pfund mehr auf den Rippen würden nicht schaden. Sie verstand nicht, warum die Objekte nicht besser behandelt wurden. Man war doch auf sie angewiesen. Diese ganze Käfighaltung hielt sie für falsch. Selbst sie war inzwischen dazu übergegangen, nur noch Objekte in den menschlichen Versuchspersonen zu sehen. Sie schämte sich auf einmal, wie hatte es so weit kommen können? Das war sonst nicht ihre Art.

      Acht war bis jetzt völlig resistent. Alle Objekte hatten den Virus verabreicht bekommen, einer war gestorben, zwei hatten sich davon erholt, die anderen Sieben litten noch an den Symptomen. Acht hatte als Einzige kein Symptom gezeigt. Eigentlich ein Wunder. Sie verstand nicht, warum nicht schon längst versucht worden war, einen Impfstoff herzustellen. Diese junge Frau hier vor ihr, war doch der Schlüssel dazu. Wenn sie weiter so gesund blieb, würde sie in eine neue Runde kommen, so lange hatte noch nie jemand durchgehalten. Noch einmal vier Monate oder mehr im Käfig, Anita schüttelte sich, das war unmenschlich. Sie würde sich ihre Akte noch einmal ansehen, vielleicht verhalf ihr das zu neuen Erkenntnissen.

       *

      Anita ist sehr interessiert an mir, warum? Das weiß ich nicht, aber sie ist die Einzige, die immer wieder versucht mich zum Sprechen zu bringen. Fast wünsche ich mir, einmal auf ihre Fragen zu antworten, aber immer wenn ich kurz davor bin, hält mich etwas zurück. Dabei denke ich, Dr. Parell mag mich irgendwie, aber sicher bin ich natürlich nicht, ich traue meinen Gefühlen nicht mehr so richtig. Ich bin schon so lange isoliert, dass ich vielleicht nur auf ihre Freundlichkeit reagiere. Aber ist sie echt?

      Seit sie mich abgeholt haben, vermeide ich es mit diesen unpersönlichen Ärzten zu reden, aber Anita ist nicht so, sie ist definitiv anders. Aber soll ich es wagen? Nein, wer weiß was dann passiert. Vor einem Jahr hatte ich noch ein ganz normales, recht oberflächliches Leben. Ich habe mich nur für irgendwelchen Blödsinn interessiert, Partys, Klamotten und Smalltalk. Wie alle jungen Leute eben. Ein Wunder, dass ich es geschafft habe, regelmäßig zu meinen Vorlesungen zu kommen... aber das war in einem anderen Leben und jetzt? Versuchskaninchen im Labor, Laborratte, was weiß ich, als was die Ärzte mich ansehen. Ich erinnere mich noch an meinen letzten Tag in Freiheit...

      ...ich bin in meiner Küche gewesen und habe aus dem Fenster geschaut, mir war schlecht. Am Vorabend hatte ich auf einer Party eine Menge Zeugs getrunken, ein wildes Durcheinander bunter Getränke. Die Straße lag verlassen im Mittagssonnenschein, kein Mensch unterwegs. Aber das war in der letzten Zeit völlig normal. Nachdem alle Haustiere und anschließend alle anderen Säuger dieser Seuche zum Opfer gefallen sind, hatten nur noch Wenige einen Grund vor die Tür zu gehen. Ich ging ja auch nicht mehr zur Uni, keine Lust, die Schutzanzüge waren unbequem, allein bis man den jeden Morgen angezogen hatte... Im Radio sprachen sie von einer Pandemie, die leicht auf die Menschen übergreifen könne. Aber das hielt ich für Unsinn, wenn bis jetzt noch niemand krank geworden war, ein Jahr nach der Seuche, dachte ich, wäre es auch nicht mehr möglich. Ich habe mich schwer geirrt, das ist auch der Grund, warum ich hier bin, sie suchen ein Gegenmittel, einen Impfstoff.

      Als es an meiner Tür klingelte, wunderte ich mich zwar, seit dem Virus bekam ich so gut wie nie Besuch, aber öffnete, nachdem ich die Kette vorgelegt hatte, dennoch.

      „Anna Casset?“

      „Ja?“ Zwei Männer in schwarzen Schutzanzügen standen vor der Tür, sie wirkten bedrohlich auf mich, ängstlich trat ich zurück und wollte die Tür wieder zu machen, aber dazu kam ich nicht. Einer der Beiden trat gegen die Tür, die Kette riss sofort und er packte mich am Arm. Panisch versuchte ich mich loszureißen. Aber sein Griff umklammerte mich fest.

      Der andere Mann leierte monoton seinen Satz herunter. „Der Staat hat angeordnet, alle Personen, die bis jetzt noch keine Symptome zeigen, zur Untersuchung in die Klinik zu bringen. Hier ist der Beschluss!“ Ich sah ihn verwundert an, was sollte das? Das half mir meine Angst in den Griff zu bekommen, jetzt wurde ich eher wütend. Das können die doch nicht machen.

      „Was soll das? Ich habe mich doch schon einmal untersuchen lassen, mir fehlt nichts.“

      Der Mann sah mich streng an. „Machen Sie keinen Aufstand, sonst müssen wir Gewalt anwenden. Wir haben dafür zu sorgen, dass sie in die Klinik gebracht werden. Kommen Sie mit!“ Die meinten das ernst, man ließ mir gar keine Wahl, mir brach der Schweiß aus. Was sollte ich jetzt nur machen? Ich versuchte es hinauszuzögern.

      „Moment, ich brauche noch ein paar Sachen...“

      Der Mann, der meinen Arm immer noch hielt, schüttelte den Kopf.

      „Jetzt sofort! Sie werden nichts mitnehmen, kommen Sie!“ Jetzt packte mich auch der Andere am Arm, ich wehrte mich natürlich, hatte aber keine Chance. Ehe ich mich versah, war ich gefesselt und hatte eine Kapuze über dem Kopf.

      Ich konnte kaum atmen und zitterte, ich fühlte mich so hilflos. Gleichzeitig wurde ich auch wütend, woher nahm der Staat dieses Recht.

      Ich schrie. „Hey, es gibt Grundrechte, Sie können mich doch nicht einfach so mitnehmen.“ Das brachte mir einen Schlag ins Kreuz ein, sonst nichts. Ich sackte zusammen, wurde die Treppen hinuntergeschleift, und in ein Auto geworfen. Man brachte mich ins Gesundheitsamt, wo sie mich untersuchten und mein Kom entfernten. Stattdessen bekam ich einen Ortungschip. Dann wurde ich sediert und wachte hier wieder auf. Nach Hause kam ich nie mehr.

       *

      Anita nahm die Akte mit nach Hause, ob sie das durfte? Sie hatte nicht gefragt. Aber sie wollte

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