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indem er sich etwas vorpfiff, oder er saß irgendwo, mit einer Handarbeit beschäftigt; entweder formte er Puppen aus Ton oder flocht Körbe aus Zweigen, denn in allen solchen Kunstfertigkeiten war Schilin Meister.

      Einmal hatte er wieder eine Puppe aus Ton modelliert mit einer Nase, mit Händen und Beinen in tatarischem Hemd. Diese Puppe stellte er aufs Dach.

      Als die Tatarinnen zum Wasserholen kamen, sah Dina, die Tochter des Hausherrn, die Puppe und rief ihre Freundinnen herbei. Alle stellten ihre Eimer beiseite und beguckten lachend die Puppe. Schilin nahm sie herab und reichte sie ihnen. Die Mädchen lachten und freuten sich über die Puppe, wagten aber nicht, sie anzunehmen; deshalb stellte er sein Machwerk am Hause auf, zog sich in die Scheune zurück und wartete dort ab, was nun weiter erfolgen werde.

      Nach kurzer Zeit kam Dina wieder herbei, blickte sich scheu nach allen Seiten um, ergriff rasch die Puppe und lief mit derselben davon.

      Als Schilin am nächsten Morgen durch die Spalte der Scheunenwand blickte, sah er, wie um die Morgenröte Dina aus dem Hause trat, mit der Puppe im Arm, die sie mit bunten Lappen geschmückt hatte. Sie wiegte dieselbe wie ein Kind, das eingeschläfert wird.

      Da kam eine alte Frau scheltend aus dem Hause, nahm ihr die Puppe weg, zerschlug sie und schickte Dina an die Arbeit.

      Schilin verfertigte eine andere, noch reizendere Puppe und gab sie Dina.

      Einmal brachte Dina ein Blechgefäß, stellte es vor Schilin hin, setzte sich daneben und blickte ihn an, lächelnd auf das Gefäß deutend.

      »Was macht sie denn so heiter?« fragte sich Schilin, ergriff das Gefäß und trank daraus, in der Meinung, daß es Wasser enthalte: es war aber mit Milch gefüllt. Mit Vergnügen trank er sie vollends aus und sagte: »Charascho!« Gut.

      Darüber war Dina sehr erfreut. »Charascho, Ivan, charascho!« sagte sie und in die Hände klatschend sprang sie auf, entriß ihm das Gefäß und lief davon.

      Seit jener Zeit brachte sie jeden Tag ein Kännchen mit Milch, die sie heimlich entwendet hatte.

      Die Tataren bereiten aus Ziegenmilch eine Art Käse in Fladen, die sie auf die Dächer in freier Luft trocknen. Auch solche Fladen brachte sie ihm heimlich. Als einmal ein Hammel geschlachtet wurde, brachte sie ihm auch ein Stück von dem Hammelfleisch im Ärmel, warf es ihm hin und lief rasch davon.

      Ein anderes Mal erhob sich ein großer Sturm und es regnete den ganzen Tag über wie aus Eimern; alle Flüsschen schwollen an, wo vorher eine Furt gewesen, strömte jetzt das Wasser drei Arschinen tief und riß große Steine mit sich fort, überall strömten reißende Wassermassen dahin und von den Bergen herab hörte man ihr Brausen.

      Als endlich das Unwetter vorüber war, rieselten kleine Bäche von allen Seiten durch das Dorf. Schilin erbat sich ein kleines Messer, schnitzte damit eine Walze und ein Brettchen aus und fertigte ein kleines Schiffchen mit einem Rad. An beiden Enden desselben stellte er Püppchen auf und schmückte diese mit bunten Läppchen, welche die Mädchen ihm zutrugen. Die eine der Puppen stellte einen Muschik2 vor, die andere eine Baba3. Er befestigte sie so, daß sie bei jeder Bewegung des Schiffchens zu tanzen schienen.

      Das ganze Dorf kam herbeigelaufen, Knaben, Mädchen, Weiber und Männer, mit der Zunge schnalzend: »Ai, Uruss! – Ai, Iwan!« –

      Abdul besaß eine zerbrochene russische Uhr. Er rief Schilin zu sich und zeigte sie ihm unter Zungenschnalzen.

      »Gib sie her«, sagte dieser, »ich werde sie zurechtmachen.«

      Er nahm sie, zerlegte sie mit Hilfe eines kleinen Messers und setzte sie wieder zusammen. Die Uhr ging wieder.

      Der Tatar war darüber hoch erfreut; er schenkte dem Künstler seinen alten ganz zerlumpten Beschmet4. Schilin konnte nichts besseres tun als ihn annehmen. Er war immerhin noch gut genug, um sich damit während der Nacht zuzudecken.

      Seit dieser Zeit, wo Schilin sich als Meister erprobt hatte, hatte er bessere Tage. Aus entfernten Dörfern kam man, seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Einer brachte ein Schloss von einer Flinte oder Pistole zur Reparatur, ein anderer seine Uhr. Sein Gebieter gab ihm etwas Handwerkszeug, eine kleine Zange, eine Feile, einen Bohrer.

      Schilin lernte mit der Zeit ihre Sprache einigermaßen verstehen, und manche von den Tataren gewöhnten sich an ihn und riefen ihn an mit »Iwan!« wenn sie irgendein Anliegen hatten.

      Andere aber sahen ihn mit bösen Blicken an wie ein gefährliches Tier. Namentlich der rote Tatar war Schilin feindlich gesinnt. Wenn er ihn sah, so verfinsterte sich sein Gesicht, er wandte sich dann ab und stieß Schimpfworte aus.

      Da war auch ein Greis, welcher nicht im Dorfe selbst wohnte, aber häufig von den Bergen herabkam. Schilin sah ihn nur, wenn er vorüberging, um in der Moschee zu beten. Er war von kleinem Wuchs. Seine Mütze war mit einem weißen Tuch umwunden, sein kurz gestutzter Bart war weiß wie Flaum, sein Gesicht ziegelrot und faltig, die Nase hakenförmig gebogen, wie der Schnabel eines Raubvogels zwischen seinen grauen stechenden Augen, der Mund zahnlos. Zuweilen ging er mit seinem Turban, auf einen Krückstock gestützt, vorbei, indem er sich mit bösen Blicken wie ein Wolf umsah. Wenn er Schilin sah, murmelte er Schimpfworte und wandte sich ab.

      Einmal stieg Schilin den Berg hinan, um zu sehen, wo der Alte wohnte. Einen schmalen Pfad entlang gehend, stieß er auf einen kleinen Garten von einer Steinmauer umgeben, hinter welcher Kirschen- und Aprikosenbäume sichtbar wurden sowie auch eine kleine Hütte mit flachem Dach. Als er näher trat, entdeckte er einen Bienenkorb aus Strohgeflecht. Die Bienen schwärmten summend umher. Der Alte kauerte davor und war mit dem Bienenstock beschäftigt. Schilin beugte sich etwas vor, um genauer zu sehen und rasselte dabei unwillkürlich mit seinem Fußblock. Der Alte hörte das Geräusch, blickte sich um, schrie erschrocken auf, riß aus dem Gürtel eine Pistole und feuerte sie auf Schilin ab, welcher kaum Zeit hatte, hinter der Mauer Deckung zu suchen.

      Der Alte kam zu Schilins Gebieter, um sich über jenen zu beklagen. Abdul rief Schilin und fragte ihn wieder lachend: »Warum gingst Du zu dem Alten hinauf?«

      »Ich habe ihm nichts Böses getan«, erwiderte Schilin. »Ich wollte nur sehen, wie er lebt.«

      Der Alte ward darauf noch erboster, zischte und murmelte etwas, fletschte seine Zahnreste und deutete mit der Hand nach Schilin. Dieser verstand nicht alles, aber es ward ihm klar, der Alte verlangte, Abdul sollte den Russen töten und nicht ferner im Aul dulden. Darauf entfernte sich der Alte.

      Schilin fragte seinen Gebieter, was das für ein alter Mann sei.

      »Das ist ein bedeutender Mann«, war dessen Antwort. »Er war der erste Dschigit und hat viele Russen getötet. Er war früher ein reicher Mann und hatte drei Frauen und acht Söhne. Alle lebten in demselben Dorfe beisammen. Dann kamen die Russen, zerstörten das Dorf und töteten sieben seiner Söhne; der achte Sohn hatte sich den Russen ergeben. Der Alte ging selbst, sich den Russen zu unterwerfen. Er verbrachte drei Monate bei ihnen, fand dort seinen Sohn, erschlug ihn selber und lief davon. Seit jener Zeit hörte er auf, zu kämpfen und pilgerte nach Mekka, um zu Allah zu beten. Seitdem trägt er auch einen Turban. Wer in Mekka war, erhält den Titel Ghadshi und hat das Recht, einen Turban zu tragen. Er liebt euch Russen nicht und hat soeben verlangt, ich solle Dich töten. Aber das kann ich nicht tun; denn ich habe Geld für Dich bezahlt und zudem bin ich Dir wohl gewogen, Iwan. Es fällt mir nicht ein, Dich zu töten; ja, ich möchte Dich sogar gern frei lassen, wenn ich nicht mein Wort verpfändet hätte.«

      Dabei lachte er und wiederholte auf russisch sein: »Du bist gut, Iwan, und ich, Abdul, bin auch gut!«

       IV.

      Wieder verging so ein Monat. Des Tags über ging Schilin überall umher, immer mit etwas beschäftigt. Aber wenn die Nacht kam und ringsumher alles Geräusch verstummte, dann grub er den Boden seiner Scheune auf. Die Steine machten ihm das Graben schwer, welche er oft mit seinem kleinen Messer unterhöhlen mußte. Auf diese Weise stellte er unter der Mauer einen Durchgang her, geräumig genug, um bei gelegener Zeit hindurchkriechen zu können.

      »Aber jetzt wird es Zeit«, sagte er sich, »mich selbst darüber zu orientieren,

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