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Worin besteht mein Glaube. Лев Толстой
Читать онлайн.Название Worin besteht mein Glaube
Год выпуска 0
isbn 9783752995701
Автор произведения Лев Толстой
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Jakobus ermahnt die Brüder keinerlei Unterschied zwischen den Menschen zu machen. Wenn ihr einen Unterschied macht, so διακρίνετε, so werdet ihr Richter und machet bösen Unterschied. Ihr habt entschieden, der Arme sei schlechter als der Reiche. Der Reiche aber ist im Gegenteil der Schlechtere. »Sind nicht die Reichen die, die Gewalt an euch üben und ziehen euch vor Gericht?« So ihr nach dem Gesetze der Nächstenliebe, nach dem Gesetze der Barmherzigkeit lebt (welches Jakobus zum Unterschiede von dem andern das »königliche« nennt), so tut ihr wohl. So ihr aber die Person ansehet und Unterschiede macht, so werdet ihr zu Verbrechern an dem Gesetze der Barmherzigkeit. Und im Hinblick wahrscheinlich auf das Beispiel der Ehebrecherin, die zu Christus gebracht ward, auf dass sie nach dem Gesetze gesteinigt werde, oder auf das Verbrechen des Ehebruchs überhaupt, sagt Jakobus, dass derjenige der die Ehebrecherin mit dem Tode strafen würde, sich des Totschlages schuldig machen und das ewige Gesetz übertreten würde. Denn dieses ewige Gesetz verbietet den Ehebruch und verbietet den Totschlag. Er sagt: und also redet und also tut als die da sollen durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden. Denn es gibt keine Barmherzigkeit für den, der nicht selbst barmherzig ist und deshalb hebt die Barmherzigkeit das Gericht auf.
Wie könnte das noch klarer, noch bestimmter ausgedrückt werden; jeder Unterschied zwischen den Menschen, jedes Richten dessen, dass dieser gut und jener schlecht sei, wird verboten; es wird gerade auf das menschliche Gericht hingewiesen, welches unzweifelhaft schlecht ist, es wird gezeigt, dass dieses Gericht selbst verbrecherisch sei, indem es Verbrechen strafe, und dass folglich das Gericht von selbst zunichte werde durch das Gesetz Gottes – die Barmherzigkeit.
Ich lese die Epistel des Apostels Paulus, der durch die Gerichte gelitten, und gleich im 1. Kap. an die Römer lese ich seine Ermahnung an die Römer über alle ihre Laster und Verirrungen; darunter auch über ihre Gerichte: 32. Die Gottes Gerechtigkeit wissen (dass, die solches tun, des Todes würdig sind) tun sie es nicht allein, sondern haben auch Gefallen an denen, die es tun.
Kap. 2, 1–11. 1. Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du bist, der da richtet; denn worin du einen andern richtest, verdammest du dich selbst; sintemal du eben dasselbige tust, das du richtest. 2. Denn wir wissen, dass Gottes Urteil ist recht über die, so solches tun. 3. Denkest du aber, o Mensch, der du richtest die, so solches tun, und tust auch dasselbige, dass du dem Urteil Gottes entrinnen werdest? 4. Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmütigkeit? Weisst du nicht, dass dich Gottes Güte zur Busse leitet?
Der Apostel Paulus sagt: sie kennen das gerechte Gericht Gottes und handeln selber ungerecht und lehren die anderen desgleichen tun, und deshalb kann man den Menschen, der da richtet, nicht rechtfertigen.
Solche Beziehungen zu den Gerichten finde ich in den Episteln der Apostel; in ihrem Leben jedoch, wie wir alle wissen, erschienen ihnen die menschlichen Gerichte als jenes Böse und jenes Übel, das man mit Festigkeit und mit Ergebenheit in Gottes Willen ertragen müsse.
Wenn man in seinen Gedanken die Vorstellung von der Lage der ersten Christen inmitten der Heiden wachruft, wird jeder leicht begreifen, dass es den Christen nicht in den Sinn kommen konnte die Gerichte der durch menschliche Gesetze Verfolgten zu verbieten. Nur gelegentlich konnten sie dieses Übel berühren, indem sie dessen Grundlage verwarfen, wie sie es auch noch tun.
Ich wende mich an die Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte und sehe, dass sie alle stets ihre Lehre, die sich von allen anderen Lehren unterschied, dadurch feststellen, dass sie keinen zu etwas zwangen, keinen richteten (Athenagoras, Origenes), keinen töteten, sondern nur die Martern ertrugen, die ihnen von den menschlichen Gerichten auferlegt wurden. Alle Märtyrer haben dasselbe durch die Tat bekannt.
Ich sehe, dass die ganze Christenheit bis Konstantin nie anders auf die Gerichte gesehen hat, als auf ein Übel, das man geduldig ertragen müsse, dass es aber keinem einzigen Christen aus jener Zeit in den Sinn kommen konnte, ein Christ könne sich am Gerichte beteiligen.
Ich sehe, dass Christi Worte: richtet nicht und verdammet nicht, von seinen ersten Jüngern ebenso aufgefasst worden sind, wie ich sie jetzt, in ihrer geraden Bedeutung auffasste: richtet nicht in den Gerichten – nehmet nicht teil an Gerichten.
Alles bestätigte unzweifelhaft meine Überzeugung, dass die Worte »richtet nicht und verdammet nicht« heissen sollen: richtet nicht in Gerichten; die Erklärung jedoch, dass sie bedeuten sollen: verleumdet nicht euren Nächsten, ist eine so allgemein angenommene und die Gerichte gedeihen mit solcher Kühnheit und solchem Selbstbewusstsein in allen christlichen Staaten, sich sogar auf die Kirche stützend, dass ich lange an der Richtigkeit meiner Auffassung zweifelte. Wenn alle Menschen so urteilen und dennoch christliche Gerichte einsetzen konnten, so mussten sie doch irgend eine Begründung dafür haben, und da muss etwas sein, was du nicht verstehst – sagte ich zu mir. Es muss Gründe geben, nach denen diese Worte in dem Sinne der Verleumdung aufgefasst werden, und es muss Gründe geben, auf die sich die Errichtung der christlichen Gerichte stützt.
Und ich wandte mich an die Erklärungen der Kirche. In allen diesen Erklärungen fand ich, vom 5. Jahrhundert an, dass es angenommen ist diese Worte in dem Sinne der Verdammung des Nächsten in Worten aufzufassen, d. h. als Verleumdung. Und da es angenommen ist diese Worte nur als Verdammung seines Nächsten in Worten zu verstehen, so entsteht die Schwierigkeit: wie soll man nicht verdammen? Es ist nicht möglich das Böse nicht zu verdammen. Und deshalb drehen sich alle Erklärungen um das, was man verdammen und um das, was man nicht verdammen soll. Es heisst, die Diener der Kirche können das nicht als Verbot des Richtens auffassen, da selbst die Apostel gerichtet haben (Johannes Ev., Chrysostomus und Theophylax). Es heisst, dass Christus mit diesen Worten wahrscheinlich auf die Juden hindeuten wollte, die ihren Nächsten der geringen Sünden beschuldigten und selbst grosse Sünden begingen.
Nirgends aber ist die Rede von menschlichen Einrichtungen, von Gerichten oder von den Beziehungen dieser Gerichte zu dem Verbote des Richtens. Verbietet Christus diese Gerichte oder gestattet er sie? – Auf diese natürliche Frage gibt es keine Antwort, als wäre es bereits zu augenscheinlich, dass, sobald ein Christ einen Platz im Gerichte eingenommen, er nicht nur seinen Nächsten nicht verdammen, sondern ihn auch nicht richten dürfe.
Ich wende mich an griechische, katholische, protestantische Schriftsteller, an die Schriftsteller der Tübinger und historischen Schule. Von allen, selbst von den am freiesten denkenden Erläuterern werden diese Worte als Verbot des Verleumdens aufgefasst. Weshalb aber werden diese Worte, im Gegensatz zu der ganzen Lehre Christi, in so engem Sinne aufgefasst, dass das Verbot des Richtens das Verbot der Gerichte ausschliesst? Warum wird angenommen, dass Christus, indem er das Verdammen des Nächsten, das einem unwillkürlich entschlüpft, als eine schlechte Tat verbietet, ein eben solches Verdammen, das bewusst und mit Gewalttätigkeit gegen den Beschuldigten ausgeführt wird, nicht als eine schlechte Tat ansieht und es nicht verbietet? Darauf gibt es keine Antwort und nicht die geringste Andeutung darüber, dass man unter diesem Verdammen auch dasjenige Verdammen verstehen könne, welches in den Gerichten stattfindet und worunter Millionen von Menschen zu leiden haben. Mehr als das – um dieser Worte willen: richtet nicht und verdammet nicht, wird dieses grausamste Verfahren der gerichtlichen Verdammung sorgfältig umgangen und sogar entschuldigt. Die Ausleger, Theologen, sprechen davon, dass Gerichte in christlichen Staaten bestehen müssen und dass sie dem Gesetze Christi nicht entgegen sind.
Als ich dies bemerkte, zweifelte ich bereits an der Aufrichtigkeit dieser Auslegungen