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hatte. Zudem ging bei der Wohnungsbaugesellschaft währenddessen auch niemand ans Telefon, um mir den Eingang meiner Unterlagen zu bestätigen - weil dort nämlich grundsätzlich niemand ans Telefon geht während Kundschaft da ist. Und das ist eigentlich den ganzen Tag über der Fall.

      Von meinem heimischen Festnetztelefon aus bemühte ich mich weiter um die Klärung meiner Angelegenheiten. Abwechselnd hatte ich mit einer bestimmten Sachbearbeiterin und ihrem männlichen Kollegen zu tun, je nachdem, wen von beiden ich irgendwann zufällig an die Leitung bekam. Versprochene Rückrufe fanden nicht statt und ein Mal wurde der Hörer weggelegt und ich glatt für zehn Minuten vergessen. Immerhin bekam ich den Eingang meiner Faxe bestätigt. Laut der Sachbearbeiterin sei jedoch mein Schufa-Eintrag über das Insolvenzverfahren ein Problem. Ich versuchte hervorzuheben, dass ein abgeschlossenes Insolvenzverfahren bedeutet, dass keine offenen Forderungen mehr bestehen. Schließlich teilte man mir mit, dass ich eine Einverständniserklärung unterschreiben müsse, damit man online meine Schufa-Daten selbst noch einmal abfragen könne.

      Ich hatte ja kurz zuvor per Fax bereits die Bescheinigung meines Vermieters über meine Mietschuldenfreiheit geschickt, zusammen mit einer beidseitigen Kopie meines Personalausweises, meinem vierseitigen Sozialhilfebescheid, meinem Rentenbescheid, meiner ebenfalls mehrseitigen Schufa-Auskunft und einem Begleitschreiben. Das volle Programm also: nackig machen und vorbeugen, bitte! Und nun wollte man außerdem eine unterschriebene Erklärung von mir, um meine Schufa-Daten, die ausgedruckt auf deren Schreibtisch lagen, zusätzlich auch auf elektronischem Weg von der Schufa anfordern zu können! Und natürlich sei es viel zu zeitaufwändig, mir diesen zu unterschreibenden Wisch als Brief zukommen zu lassen, er müsse per Fax an mich gesendet werden. Allerdings wurde diese Angelegenheit auf den morgigen Tag verschoben. Die Sachbearbeiterin kündigte an, mich dann in dieser Angelegenheit zurückzurufen. Aufgrund meiner heutigen Erfahrungen mit den von ihr und ihrem Kollegen in Aussicht gestellten Rückrufen habe ich diesbezüglich zwar meine Zweifel. Dennoch fragte ich in dem Callshop nach, ob ich mir ein Fax auch dorthin senden lassen könnte und ließ mir die Nummer des Anschlusses geben.

      Nach dieser Farce begab ich dann noch zum Einkaufen in den Supermarkt. Seit geraumer Zeit tummelten sich dort im Eingangsbereich Marketing-Fuzzis eines Internet-Providers. Mit einer gewissen Abscheu hatte ich bereits seit einiger Zeit beobachtet, wie sie auf die Leute zurannten, um sie mit aufgesetztem Lächeln zu belästigen. Einige ihrer Opfer fühlten sich gar genötigt zu erklären, warum sie keinen Vertrag unterschreiben wollten. Als ob man sich dafür zu rechtfertigen hätte!

      Als ich das Gebäude betrat, nahm mich eine dieser Schmeißfliegen ins Visier und eilte geradewegs auf mich zu. Ich wusste, was jetzt kommen sollte, und ich täuschte mich nicht.

      «Darf ich Ihnen eine Frage stellen?»

      Gleichzeitig näherte er sich mir körperlich noch weiter und versperrte mir dadurch halb den Weg.

      «Nein, danke!», antwortete ich nicht gerade freundlich.

      «Aber sie wissen doch gar nicht, warum!»

      Nein, natürlich wusste ich das nicht! Ich winkte mit erhobenem Arm ab, ohne mich umzudrehen oder auch nur langsamer zu gehen. Ich dachte, das wäre an Deutlichkeit nicht zu überbieten.

      Aber als ich nach lediglich fünf Minuten den Supermarkt wieder verließ, da stürzte dieser Typ doch tatsächlich erneut mit seiner Schleimfratze auf mich zu! Ich war gerade damit beschäftigt, im Gehen meinen Rucksack zu verschließen und ranzte ihn an: «Lass es lieber!»

      «Aber wieso denn?», fragte er und schob sich mir erneut in den Weg. Eigentlich war ich schon fast an ihm vorbeigegangen, doch nach dieser dummdreisten Frage drehte ich mich schnaufend um und stellte mich direkt vor ihn hin. Dann forderte ich ihn auf, lieber mal zu lernen, die Grenzen anderer Menschen zu respektieren. Ich deutete auf das Werbebanner des Providers, das den Eingang des Supermarkts in dessen gesamter Breite überspannte und sagte, ich wisse sehr gut, war er von mir wolle. Aber ich sei zufrieden mit meinem Anbieter. Ob jetzt endlich alles klar sei.

      Sein Lächeln wich bis zum letzten Moment nicht aus seiner Fresse, aber immerhin gab er am Ende ein «In Ordnung» von sich. Für uns beide hoffe ich, dass er beim nächsten Mal schlauer ist, wenn er mich in den Supermarkt hineinkommen sieht. Ich kann so etwas einfach nicht ab!

      Mittwoch, 17. Oktober 2007, 23 Uhr 52

      Nachdem ich heute morgen von der Sachbearbeiterin der Wohnungsgesellschaft keinen Anruf erhalten hatte, drang ich nach zahlreichen Versuchen schließlich zu ihrem Kollegen durch. Dieser sicherte mir zu, mir das Formular für die Einverständniserklärung an den Callshop in meiner Nachbarschaft zu faxen. Dort wartete ich vergebens auf den Eingang des Schriftstückes. Wieder bei mir zu Hause, erreichte ich den Mann aber zum Glück sofort wieder. Er sagte mir, er habe das Fax erfolgreich versendet, würde es jedoch noch einmal versuchen. Ich sollte mein Handy in den Callshop mitnehmen. Dort angekommen, musste ich dann mitanhören, wie das Fax mit viel Gepiepe in Berlin rausging und anschließend erleben, dass hier in Aachen einfach nichts davon ankam. Es klingelte, es wurde abgehoben, irgendwas tat sich, aber Papier wurde nicht bewegt, geschweige denn bedruckt.

      Der Inhaber des Shops, der in meinem Augen bereits am Vortag stark an Kompetenz eingebüßt hatte, drückte in loser Folge irgendwelche Tasten und forderte dabei mit «Nochmal!»-Rufen meinen Berliner Gesprächspartner immer wieder zu einer erneuten Sendung des Faxes auf. Schließlich hatte das Gerät sogar etwas empfangen und in seinen Innereien gespeichert. Nun aber stellte sich der tumbe Ladeninhaber doch allen Ernstes vor mich hin und eröffnete mir, dass das Faxgerät das erhaltene Dokument nicht ausdrucken würde! Er wisse auch nicht, warum!

      Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es mir gerade noch, dem Sachbearbeiter der Wohnungsgesellschaft ruhig den Stand der Dinge mitzuteilen und ihm anzukündigen, dass ich mich um eine Faxnummer aus einem anderen Telekommunikationsladen bemühen und ihn danach erneut anrufen würde. Er schnaubte daraufhin verhalten, ich solle mich dann aber bitte mit seiner Kollegin in Verbindung setzen, die bis vierzehn Uhr anwesend sei, denn er selbst sei nun außer Haus. Artig bedankte ich mich sowohl bei ihm als auch bei dem Meister der Datenfernübertragung und verließ den Ort des Geschehens schnellstmöglich, solange ich noch ein Gesicht zu verlieren hatte.

      Zu Hause suchte ich im Netz ein Internetcafé in der Innenstadt heraus und ließ mir von dort telefonisch eine Faxnummer durchgeben. Dann versuchte ich, die Frau von der Wohnungsgesellschaft anzurufen, um ihr diese Nummer zu übermitteln. Doch dort hob wieder niemand ab. Ich zweckentfremdete eine meiner beiden im Voraus für die Selbsthilfegruppe gekauften Tageskarten und nahm den Bus. Im Internetcafé angelangt, überzeugte ich mich durch ein Gespräch mit der Angestellten, dass meine Faxe dort bei ihr besser aufgehoben waren als bei jener Dumpfnuss, mit er ich kurz zuvor konfrontiert worden war. Aus einer der Café-eigenen Telefonzellen heraus machte ich einen erneuten Versuch, meine Sachbearbeiterin zu erreichen - Fehlanzeige. Also fuhr ich - innerlich kochend - wieder nach Hause. Dort erwischte ich die Frau eine Minute nach deren Feierabend. Es gelang mir dennoch, ihr die Faxnummer unterzujubeln und sie zum sofortigen Absenden dieses verdammten Formulars zu bewegen. Fünf Minuten später rief ich im Internetcafé an und erfuhr, dass das Fax tatsächlich dort angekommen war. Daraufhin fuhr ich also noch einmal mit dem Bus in die Stadt, füllte das Formular aus und ließ es endlich zurücksenden. Was für ein verschissenes Affentheater!

      Immerhin konnte ich die Tageskarte dann aber doch noch ihrem ursprünglichen Verwendungszweck zuführen, nämlich einem Besuch bei meiner Selbsthilfegruppe. Dort war ich jedoch alleine mit der Gründerin der Gruppe und nach einer halben Stunde verabschiedeten wir uns wieder voneinander. Nach mehr als einem Jahr scheint sich die Sache nun langsam aufzulösen. Aber das ist nicht mehr wirklich mein Problem.

      Wenn man im Internet nach dem Begriff Zuckersucht recherchiert, dann stößt man auf einige interessante Texte. Meiner Meinung nach hat dieser Ausdruck durchaus eine Existenzberechtigung. Zucker hat wirklich Suchtpotential. In letzter Zeit konnte ich an mir eines der typischen Anzeichen einer Sucht beobachten, nämlich die sich endlos erneuernden Vorsätze, am jeweils nächsten Tag aufzuhören. Nicht an diesem, aber ganz bestimmt am nächsten Tag.

      Bereits seit längerem habe

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