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auf. Warum auch. Vordergründig musste ich den erfolgreichen Abschluss des Studiums hinbekommen, der Tropf an dem ich hing, zwang ja dazu. Aber auch wenn das Wühlen in den Kissen mit uns eine hormonelle Entspannung erzeugte, so war es nicht dazu angetan, nachhaltige Eindrücke zu erzeugen. Von Richard hatte ich lange Zeit kein Sterbenswörtchen gehört. Aus Briefen meiner Schwester wusste ich nur, dass er recht bald nach jener Nacht ein Mädchen aus dem Nachbardorf gefunden und geheiratet hatte. Zwei kleine Kinder waren kurz hintereinander dieser Verbindung entsprungen. Richard hatte sich mit dem Technikwandel abgefunden und eine richtige Lehre als Techniker für Landmaschinen begonnen. Und so war er auf dem Gut meines Vaters zum Fuhrparkspezialist avanciert. Es war nichts Berauschendes, aber mit dem Einkommen brachte er seine Familie durchs Jahr.

      Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Vaclav Havel

      Drei Jahre später

      Als ich in den Semesterferien, drei Jahre waren zwischenzeitlich vergangen, das erste Mal wieder den Hof meines Vaters betrat, stand er vor einem Traktor und werkelte daran. Er war so vertieft in seiner Arbeit versunken, dass er nicht aufsah. Nur mit einer Arbeitshose und einem Achselshirt bekleidet konnte ich nach langer Zeit wieder einen muskulösen männlichen Oberkörper bewundern. Das Spiel seiner Muskeln hatte wieder jene Signalwirkung auf mich, die wie damals, die sinnlichen Seiten in mir ansprachen. Um mich bemerkbar zu machen, pfiff ich laut mit zwei Fingern und drehte mich zum Hoftor um. So taten es vor Jahren die Jungs immer, wenn sie uns Mädels narren wollten. Auch diesmal zeigte es Wirkung. Als ich mich nämlich zurückdrehte und über den Hof hinweg in sein Gesicht sah, konnte ich ihm die Überraschung aus seinem Gesicht lesen. Sein Mund öffnete sich ein kleines Stück und blieb offen, seine Arme sackten plötzlich parallel zum Körper herunter und seine Hände ließen das Werkzeug los, so dass es scheppernd auf das Hofpflaster fiel. Ich winkte ihm zu und grüßte ihn, nahm mein Gepäck wieder auf und ging ins Haus. Er konnte mich hinter der Tür nicht mehrsehen, doch als ich durch das kleine Fenster der Eingangstür zurück schaute, sah ich, dass er immer noch wie angewurzelt im Hof stand. Hatte ich es bislang nur vermutet, so wusste ich seit eben, dass die Ereignisse von damals in ihm ebenso verwurzelt waren, wie sie es auch in mir waren. Ich war zurückgekommen. Mein Auftritt eben hatte Wirkung gezeigt und sollte nur das Entree sein. Doch nicht nur bei meinem Zielobjekt hatte mein unvermittelter Auftritt Wirkung gezeigt, auch in meinem Elternhaus. Auch hier herrschte eitel Freude mich zu sehen. Diese Wiedersehensfreude wurde durch ein langes Gespräch untermauert, in dem ich aus Berlin und vom Studium zu erzählen hatte. Aus fürsorglichen Gründen und um das Herz meines kranken Vaters zu schonen, verschwieg ich natürlich, dass in unserer WG und in meinem Bett auch Platz für einen jungen Mann war. Erst nach dem Abendbrot fand ich Zeit, an mich zu denken. Ich räumte mein Zimmer ein und meinen Koffer aus und verabschiedete mich zu einem kleinen Spaziergang. Gesagt hatte ich, eine Runde durchs Dorf zu ziehen und angekündigt, dass es spät werden könnte. Mein Ziel für den ersten Abend stand schon fest, da saß ich noch im Zug. Ich wollte an den Ort zurückkehren, an dem mein erstes und doch unerfülltes Abenteuer seinen Anfang nahm. Als ich aus dem Haus trat war der Hof leer- gefegt. Nur ein großer bunter Hahn stolzierte einer Gruppe von gackernden Hühnern hinterdrein. Als ich in die Dorfstraße einbog, bot sich auch da ein trostloser Anblick. Die Tages- schau hatte begonnen. Keine Menschenseele war zu sehen. Und so schlenderte ich gemäßigten Schrittes dem Dorfausgang zu, um am letzten Haus nach rechts auf dem Feldweg Richtung Weiher abzubiegen. Was ich nicht wusste war, dass Richard im Dachgeschoss eine Wohnung mit seiner Familie bewohnte, die er sich selbst ausgebaut hatte, und dass ein paar Augen hinter der Gardine eines der Fenster mich beobachteten. Nichts, aber auch gar nichts hatte sich verändert. Außer vielleicht, dass wegen der Fruchtfolge die Felder anders bestellt waren. Am Weiher das gleiche Bild. Ich zog meine Kleidung bis auf die Schlüpfer aus, legte alles etwas abseits ans Schilf und stieg ins Wasser. Es war wie damals in jener Nacht, erfrischend. Kaum dass ich ein paar Züge geschwommen war, hörte ich das Geklapper eines Fahrrades. Ich suchte Deckung am Schilfrand. Doch es war unnötig sich zu verstecken. Ich erkannte in dem Radfahrer jenen Menschen, der in meinem Innern schon so vieles zum Schwingen gebracht hatte. Und so schwamm ich ins offene Wasser. Als er mich sah hielt er an und stieg vom Rad. „Ich habe gehofft, dich hier zu treffen“, redete ich ihn an. Doch genauso sprachlos, wie am Nachmittag im Hof, stand er da und schaute nur. „Was ist? Siehst du ein Gespenst? Bist nur zum Schauen gekommen, oder fällt dir noch etwas anderes ein“? Er drehte sich in Richtung Dorf um. Gerade, als wollte er schauen ob ihm jemand gefolgt war. Das Rad fiel polternd um. Richard verlor in Windeseile seine Kleidung und anders als vor Jahren sprang er nackt und ungeniert mit einem Kopfsprung in das doch gar nicht so tiefe Wasser. Wie damals tauchte er schniefend kurz vor mir auf und sah mich forschend an, gerade als ob er fragen wollte, darf ich dich küssen. Ach du Dummer…, ich sehn mich danach. Um ihn aufzufordern mutiger zu sein, schloss ich langsam und erwartungsvoll die Augen. Mein schüchterner Freund schien diese Geste tatsächlich zu verstehen. Er neigt sein Gesicht zu mir, und ohne mich mit den Händen zu berühren, beginnt er, seine feuchten Lippen auf meinen Mund zu pressen. Ich öffnete meinen Mund. Es sollte für ihn die Aufforderung sein, das Spiel mit den Zungen zu beginnen. Mein Herz begann wilder zu schlagen und ein merkwürdiges Gefühl begann in mir zu wachsen. Es war, als hätte er wieder die richtigen Seiten in mir angestoßen, die nun zu schwingen begannen. Ein Phänomen, das ich schon gespürt hatte, es aber schon eine Ewigkeit nicht mehr wahrgenommen hatte. Diesmal schlang ich meine Arme um ihn und zog ihn an mich. Die entstandene Nähe ließ mich seine Erregung spüren, das Herz in seiner Brust spüren, und fast explosionsartig hatte ich wieder den Druck auf meiner Bauchdecke, der mir über die Jahre hinweg, schon bei dem bloßen Gedanken an die Situation von damals, den Verstand raubte. So ein kleiner Kuss war doch nur ein erstes intimes erkunden, und es waren doch nur die Münder, die Zungen die miteinander spielten. Und trotzdem spürte ich wieder von jener Stärke. Es befeuerte meine Sinne und damit den Grad meiner Erwartungen. Die drei Jahre WG in Berlin waren ja gewiss keine Klosterjahre für mich gewesen, und in Punkto Kopfkissen- zerwühlen hatte ich mit Steffen auch schon einige wenige Erfahrungen sammeln können. Und trotzdem war heut einiges anders. Nicht nur weil heut der erste Schritt von mir ausging. Richard war zögerlich, ja geradezu zurückhaltend. Doch mit jeder Sekunde unserer Berührung änderte sich dies, gerade so, als ob mit den Sekunden auch sein Mut und seine Entschlossenheit größer werden würden. Wie damals spürte ich seine suchende Zunge, nur diesmal küsste er irgendwie anders. Es war ein Kuss, zärtlich und doch kraftvoll, mit Leidenschaft und trotzdem voller Gier. Und ichglaubte etwas Forderndes zu spüren. Obwohl ich nicht genug bekommen konnte, musste ich ihn bremsen, nahm sein Gesicht in die Hände und drückte ihn weg. „Darf ich auch mal Luftholen“. Und wieder entschuldigte sich Richard für etwas was er gar nicht musste. Ich schaute tief in seine blauen Augen. Sie trugen etwas Leuchtendes in sich, das ich so noch nicht wahrgenommen hatte. „Was ist?“, fragte er. „Das Blau in deinen Augen ist wie das der Kornblumen“, versuchte ich ihm ein Kompliment zu machen. Aber er wollte dies gar nicht hören, denn er antwortete mir, dass dies gar nicht gut wäre, denn die Kornblumen verblühen ja so schnell, und außerdem werde es sie bald nicht mehr geben. Er wollte nicht wie die Kornblumen enden. Das Blau des Meeres wäre ihm angenehmer. Und so erzählte er mir, dass er noch nie das Meer gesehen hatte, dass er manche Nacht, in der er nicht schlafen konnte, davon träumte, wie es wohl wäre, dem Spiel der Wellen zu zusehen, dem Rauschen der Wellen zu lauschen. Ja …, genau so sagte er es. Da stand er. Ein Hüne von Mann, mit Augen so blau wie das Meer, die noch nie aufs Meer gesehen hatten. Ich nahm sein Gesicht in die Hände und versprach ihm, dass wir es eines Tages uns gemeinsam ansehen werden. Und seine treuen blauen Augen begannen zu leuchten. Hoffentlich kannst du dieses Versprechen auch halten, dachte ich mir in jenem Moment. Aber zu mehr denken kam ich nicht. Denn wieder spürte ich seine Zunge an meinen Lippen, die um Zugang baten. Ich gewährte ihm diesen, hatte ich ihn doch bereits schon einmal dazu ermuntert. Er küsste heiß und gierig, so als wolle er das Versäumte der letzten drei Jahre mit einem Schlage nachholen. Es ließ mich glauben, dass auch er sich, wie ich ja schließlich auch, über die Zeit hinweg eine starke emotionale Bindung bewahrt hatte. Nun waren wir erwachsene Menschen gereift und hatten die Lebenserfahrung, um einschätzen zu können, was da mit uns geschah. Aber es gab für mich auch einen moralischen Aspekt, schließlich hatte er zu Hause eine Frau und zwei kleine Kinder. Was wäre, wenn unser Tun für ihn Konsequenzen

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