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Im Südwesten Kretas. Ralph Schroff
Читать онлайн.Название Im Südwesten Kretas
Год выпуска 0
isbn 9783752922165
Автор произведения Ralph Schroff
Жанр Книги о Путешествиях
Издательство Bookwire
Giorgis war das Herz und Seele des Hotels und des Kafeneios. Sein Schreibtisch stand neben der Theke, von dort organisierte er das Hotel und überblickte das Kafeneio. Zusammen mit seinen Brüdern teilten sie sich die Arbeit im Kafeneio auf. Aris am Morgen zur Frühstückszeit, Stavros vor und nach der Siesta. Wir ließen uns meistens während des Nachmittags oder am frühen Abend im Kafeneio nieder, vor oder nach dem Schwimmen, entweder auf einen Kaffee und Frappe, Bier oder Ouzo, dazu kamen früher oder später gerne ein paar Raki. Es waren stets unterhaltsame Stunden, ein wenig das Kommen und Gehen zu beobachten oder mit Giorgis zu plaudern, entspannt im Schatten des Baums zu sitzen, die Seele baumeln zu lassen und die Zeit zu genießen. Wir fühlten uns stets herzlich in seinem Kafeneio aufgenommen und je länger der Urlaub dauerte, desto heimischer wurden wir.
Das Kafeneio liegt an einer unübersichtlichen Kreuzung, wie es sie nur in Sfakia geben kann. Auf der linken Seite ist der Tamariske mit den Tischen und Stühlen des Kafeneios, rechter Hand geht eine schmale Gasse hinauf zur Kirche. Geradeaus kommt man zu weiteren Apartmenthäusern sowie dem Strand von Chora Sfakion. Unglücklicherweise knickt sie aber ein wenig ab, was die Kreuzung hier so unübersichtlich macht, wie es am anderen Ende durch die steile Rampe geschieht. Zudem haben viele Touristen oft Schwierigkeiten die Steilheit in ihren Mietwagen zu manövrieren.
Nach unserer Hochzeit buchten wir bei Giorgis das andere Zimmer ohne Balkon und Meeresblick für die Kinder, was auch kein Problem darstellte, obwohl das Hotel ausgebucht war und er selbst langjährigen Stammgästen kein Zimmer anbieten konnte. Seine Gastfreundschaft kannte keine Grenzen und er hatte einen großen Anteil daran, dass wir uns so wohl in Chora Sfakion fühlten.
Kantina
Es gibt zwei Souvlakirestaurants im Ort, die sich weder in der Qualität noch im Preis voneinander unterschieden, beide waren gut wie preiswert. Dass wir am Ende ausschließlich in der Kantina aßen, lag an seiner Lage und dem Gebäude, in dem wir uns wohler fühlten. Man saß bequemer, das Auge konnte in die Weite schweifen, auf das Meer hinaus oder die Anopolis-Straße hinauf zu den beiden markanten Sendemasten unterhalb ihres Gipfels. Wann immer wir eine preiswerte herzhafte Mahlzeit wollten, die Leib und Seele beieinanderhält, landeten wir in der Kantina und wurden nie enttäuscht. Es war immer gut, wir wurden stets freundlich empfangen und gingen wahrscheinlich öfter dorthin als uns guttat. Je länger der Urlaub dauerte, desto größer die Ungläubigkeit, dass wir noch da waren und es in Sfakia aushielten, obgleich wir ihnen versichert hatten, dass wir vorhatten drei Monate hier zu verbringen.
Nachdem ich angefangen hatte, die Strecke am neuen Hafen wegen der relativen Ebene dort in meine täglichen Läufe aufzunehmen, sahen wir uns noch häufiger. Jeden Morgen begrüßten wir uns, wenn ich am Ende meines Laufes an der Kantina vorbeikeuchte. Je länger der Urlaub andauerte und je leerer der Ort wurde, desto deutlicher wurde, wie viele Einheimische sich dort zu treffen pflegen. An manchen Tagen war es sehr lebendig, während es an anderen entspannend ruhig war. Wir fühlten uns immer wohl dort, bis zu jenem Tag im November als uns erklärt wurde, dass es dieses Jahr kein Gyros mehr gäbe. Das traf uns fast ins Herz, da dies unsere Leib- und Magenspeise war, aber die Kantina hatte weiterhin offen und wir noch manches Bier oder Kaffee dort, um uns von den Astrengungen des Urlaubs zu erholen.
Trauzeuge
Nach einem erholsamen, sonnigen und warmen ersten Wochenende in Sfakia mit viel Schwimmen und Sonnenbaden, Souvlaki und Raki, ein wenig Laufen und herrlichen Ausblicken von der Terrasse, waren wir am Montagmorgen bereit für mehr Bürokratie, um die Hochzeit auch behördlich zu Ende zu bringen. Bevor wir gen Rathaus aufbrechen konnten, hat uns Giorgis zurückgehalten und gemeint, es würde ein wenig länger dauern, aber er würde uns Bescheid geben, wenn es so weit wäre. Er hat es in die Hand genommen und sehr einfach für uns gemacht. Man mag nicht daran denken, wie unser Urlaub ohne ihn verlaufen wäre. Vor vier Jahren hatten wir ihn nicht kennengelernt, sondern das Hotelzimmer unten im Alkyon gebucht. In das Kafeneio sind wir nur am Morgen zum Frühstücken gegangen und ihm somit nicht begegnet, was schade war, ohne dass wir wussten, was uns entging. Gegen Mittag nahm er uns mit auf den Weg durch das Dorf und wurde von Gott und der Welt dabei gegrüßt. Wahrscheinlich wunderten sie sich die Leute, wohin er mit diesen beiden Fremden ging oder was er mit ihnen auf dem Rathaus vorhatte. Dort angekommen dauerte es länger und wurde bürokratisch. Die Unterschrift von Giorgis war noch der einfachste Teil der Übung. Bis alle Dokumente ausgefüllt, unsere Antworten ins Griechische übersetzt und die Urkunden ausgedruckt und unterschrieben waren, verging gut und gerne eine weitere Stunde. Giorgis wartete stoisch bis uns die Heiratsurkunden ausgehändigt wurden. Ruhig und gleichmütig, gelassen saß er da und ließ die Dinge seinen Lauf nehmen, ohne eine Miene zu verziehen als hätte er nie etwas anderes erwartet oder gar besseres zu tun. Die Wartezeit konnte ihm nichts anhaben. Er half mit den Übersetzungen, erklärte uns wie und wo wir in Chania die Apostille bekommen würden und wie wir am besten dorthin kommen könnten. Mir war es unangenehm wie viel Zeit und Mühe er sich für uns nahm, aber wir waren ebenso froh wie dankbar darüber. Zurück im Kafeneio hatten wir erneut etwas zu feiern und einen weiteren Raki darauf getrunken – das Brautpaar mit seinem Trauzeugen. Giorgis war der Anfang und das Ende, die gute Seele unseres Urlaubs in Chora Sfakion und zu beschreiben, was er alles für uns getan hat, könnte ihm nicht ansatzweise gerecht werden.
Chania 20.09.
Nach zehn Tagen in Chora Sfakion verließen wir zum ersten Mal den Ort und machten unseren ersten Ausflug nach Chania. Zum einen wollten wir unsere Heiratsurkunde beglaubigen lassen und andererseits Elena und Felix abholen. Zunächst gelang es uns ein Leihauto für den Tag zu bekommen, was im Nachhinein eine glückliche Fügung war und keinesfalls so selbstverständlich wie es klingt, was einige vergebliche Versuche später noch zeigen sollten. Mit einem Tiropita zur Stärkung sind wir frühzeitig losgefahren und haben die weißen Berge Richtung Norden nach Vrisses und Chania überquert, wo ich hartnäckig eine Autobahnausfahrt nach der Anderen ignorierte, bis Chania hinter uns lag, was mir einen verwunderten Blick einbrachte, aber wir kamen gut an und fanden einen Parkplatz an der Markthalle; was wir hingegen vergeblich suchten, war ein Taxi für die Fahrt zum Apostillenamt in Souda. Kreuz und quer liefen wir durch Chania und sahen nirgends ein Taxi, weder auf der Straße noch an den Taxiständen, wie wenn der Erdboden alle verschluckt hätte, bis uns nach einer gefühlten Ewigkeit das Glück hold war und ein Taxi uns nach Souda hinausfuhr. Der Rest der Aufgabe war hingegen überraschend schnell von Erfolg gekrönt. Nach fünf Minuten hatten wir alle Stempel auf unseren Urkunden und ein Taxi für die Rückfahrt wurde uns obendrein bestellt.
Anschließend haben wir uns ein wenig in Chania umgesehen, Oliven und Kaffee gekauft, aber vergeblich den Schreibwarenladen gesucht, in dem wir einst mein erstes Komboloi gekauft hatten. Dann war es an der Zeit zurück zum Busbahnhof zu gehen und Elena und Felix in Empfang zu nehmen. Als wir ankamen, warteteten sie bereits, waren fünf Minuten zuvor mit dem Bus aus Heraklion angekommen und blickten sich neugierig um. Es war schön in Elenas strahlendes Gesicht zu schauen, sie in meine Arme zu schließen und wir freuten uns, dass sie sich die Zeit genommen haben uns in Chora Sfakion Gesellschaft zu leisten, bevor sie sich daheim auf ihr Abschlussexamen vorzubereiten hatten.
Unter der Führung von Karen gingen wir zur Markthalle, um das Gepäck im Auto zu verstauen. Anschließend führte sie uns durch Chania und zeigte den Kindern auf ihren teils verschlungenen Wegen die Stadt. Wir gingen an diesem warmen sonnigen Nachmittag an der Plateia von 1821 vorbei hinunter zum Hafen und kamen am Fischereihafen heraus. Dort hat man einen schönen Blick auf die Hafenbefestigung, die sich hinaus zum Leuchtturm erstreckt, sieht die Boote im Hafen und die eindrucksvollen Arsenale um den Hafen herum, welche es mir in besonderem Maße angetan haben. Von den einst 23 Tonnengewölben, die einst dem Schiffsbau und als Lagerräume dienten, sind sieben erhalten geblieben; fünf auf der südlichen Seite und