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Und dennoch: „Ein cooler Typ“, dachte sie und verdrängte das eben Erlebte, „mit so tollen Liebestricks, wie einer, der zaubern kann! Und nach einer Weile (völlig unvermittelt) ganz leise: „Ja, ich will Deine Stute sein!“Was sollte das denn schon wieder sein? Sie kicherte wie verwirrt vor sich hin und schaute hoch zu den Wolken, die sich bereits zu handfesten Gewitterwolken dunkelblau aufgetürmt hatten. Ihre Skrupel waren wie ausgelöscht.

      Nach einer kurzen Zeit schaute sie erneut zu ihm und es trafen sich ihre Blicke. Nun erschrak sie vollends. Was waren das da für Augen, die sie da anblickten. Geheimnisvoll, unerklärlich, wie zwei tiefe Abgründe. Sybille musste wegschauen, weg von diesen Augen, die nicht mehr grün sondern eher schwarz schienen. Sie spürte, dass von diesen Augen etwas Unheimliches aber auch etwas Wunderbares ausging. Sybille riss sich eine Sekunde davon los! Doch ihr Blick wanderte wieder hinüber zu ihm, sie konnte von diesem Mann nicht mehr lassen! Wie eine Unbeteiligte, die im Kino nur als Zuschauer die Handlung verfolgt, spürte sie den Beginn einer unbekannten Wandlung in sich. Sybille saß plötzlich wie neben sich selbst. Sie bemerkte zwar wie der Wagen seine Fahrt verlangsamte und schließlich in einer mächtigen Staubwolke anhielt. Sie registrierte zwar noch alles, was um sie herum geschah, befand sich jedoch urplötzlich nicht mehr in der Lage irgendein Ton, geschweige denn ein Wort sagen zu können.

      „Sybille wir sind da“, rief Siegfried euphorisch, der ihren veränderten Zustand überhaupt nicht zu bemerken schien, und sprang aus dem Wagen, um ihr die Tür zu öffnen. Sybille stieg, wie eine hölzerne Marionette aus und stand völlig unbeteiligt vor ihrem Freund. Sie war von einer Sekunde auf die nächste wie in einen tiefen Strudel der Gefühle und Geschehnisse gestürzt. Ein Strudel, der sich ihrer bemächtigt hatte, und der sich nun um sie herum gegenläufig zu bewegen begann. Immer schneller und schneller. Schneller als ein Karussell auf einem Volksfest und rasanter, als eine Loopingbahn in einem Freizeitpark. „Wie ist mir nur“, dachte sie bestürzt, “was ist mir nur so fremd an dieser Situation. Siegfried, Greis, das Cabrio, die ganze Gegend und ich, alles ist so traumatisch verzerrt, ist so anders. „Hilfe“, rief sie in ihrer großen Not, „kann mir den niemand helfen?“ Sie wusste aus Ihrer Konfirmanden-Zeit, dass es einen Gott geben soll aber auch seinen Gegenspieler den Teufel! “ Nein lieber Gott, Du kannst mir so etwas nicht antun. Bitte, bitte stehe mir bei und hilf mir! Nimm den Teufel weg von mir! Ich glaube, ich habe mich mit dem eingelassen! Ist dieses Wesen da der Teufel? Aber ich wusste das doch nicht, bitte bitte hilf mir“! schrie ihre innere Stimme, die nichts Gutes ahnte, laut und eindringlich.

      Sie schluchzte laut und voller Verzweiflung: “ wenn Siegfried nur noch einmal mit der Zunge so komisch schnalzt, dann geschieht irgend etwas mit mir, was ich nicht mehr kontrollieren kann“. Und weiter wie ein trotziges und bockiges kleines Kind: „Ich weiß es genau, denn ich fühle das. Ich fühle mich so seltsam, wie noch nie in meinem ganzen Leben und ich kann überhaupt nichts gegen diesen Zustand unternehmen. Irgendwie ist alles so seltsam beklommen, aber dennoch ungemein schön, so schön wie eben oder so schön wie in der letzten Nacht...!“ Auf einmal interessierte Sybille die Wiese, auf der sie standen, am vordringlichsten. Das saftige Gras, die bunten Blumen, der frische Duft von Gras und Erde: nur das schien wichtig; alles andere hatte sie einfach vergessen. Siggi, Greis, Gott, Teufel, Liebe, Cabrio, Sommer, Hitze, Grillen - ja ihre eigene Existenz war in ihr wie erloschen. Einzig und allein die Wiese und das widernatürliche Verlangen von diesem Gras zu essen, ja zu essen, sich einfach auf allen Vieren niederzulassen, um genüsslich Gras zu kauen, standen im Mittelpunkt ihres Denkens. Nur einmal noch, wie von ferne, hörte sie ihre eigenen Worte:

      “Was geschieht nur mit mir“,

      Siegfried, der Sybille die ganze Zeit über beobachtet hatte, fragte mit einer unheimlich aber dennoch gleichgültigen Stimme: “Wollen wir einen kleinen Ausritt machen?“ Plötzlich begannen sich, so als hätte sie nur auf dieses Wort von ihm gewartet, Sybilles Nasenflügel heftig zu dehnen und zu schließen. Sie sog die Luft ein, wie eine Erstickende, die ihr nahes Ende spürt... Sie fühlte sich plötzlich wie beengt in ihrer Haut, in ihren Kleidern. Wie im Traum fuhr sie sich unter die Kleidung und fuchtelte wild umher. Sie schien die Kontrolle über ihre Hände gänzlich verloren zu haben. Dennoch, Sybille wollte antworten, weil sie nichts von diesen Geschehnissen begriff:

      „Womit wollen wir denn reiten, wir haben doch überhaupt keine Pferde?“.Aber aus ihrem Mund kam nichts weiter als ein klägliches Wiehern und Schnauben“. Sie schüttelte heftig mit dem Kopf. Sollte heißen:“Was machst Du mit mir! Nein, ich will das nicht“, jedoch ein heftiger Speichelfluss trat aus ihrem Mund und Ihre braunen Locken flogen wie wild um ihren Kopf. Sie wollte davonlaufen! Doch Ihre Füße schlugen und scharrten immerfort auf dem Gras. Sie wollte schreien! Doch sie wieherte. Sie wollte kämpfen! Doch ihre Bewegungen erstarben langsam. So lange, wie Ihre Augen auf Siggi gerichtet waren, dann erstarrten sie. Sklavisch auf ihn gerichtet!

      Dieser schnalzte erneut so seltsam mit der Zunge und wiederholte im selben monotonen Tonfall wie zuvor: „Wollen wir einen Ausritt machen“, und schaute Sybille unverwandt an. Und Sybille erwachte plötzlich aus ihrer Starre: Alles ging sehr schnell: So begannen sich ihre Hände, die eben noch wild an ihrem schulterfreiem Sommerkleid unschlüssig herum genestelt hatten, selbstständig zu werden. Sie fetzten jede Faser Stoff von ihrem Körper. Sybille ächzte und stöhnte, schrie und stampfte. Sie kämpfte gegen die Macht, die sie zwang nicht mehr aufrecht auf ihren Beinen stehen zu dürfen: Doch dieser Kampf währte nicht lange! Sybille sank geschlagen, bebend und stöhnend mit unschuldigem bittendem Blick ihrer großen braunen Kinderaugen splitterfasernackt auf ihre Hände und Füße. Dabei musste sie ihren Kopf immer aufwärts gerichtet halten, aufwärts im Blickkontakt zu ihm. Von diesen Augen ging alles aus! Sie befahlen nunmehr Sybilles Körper. Unsichtbar und unvermeidbar. Ihr Leib zitterte erneut doch diesmal anders: er dehnte und streckte sich. Sybille hob den Hintern, wie für die Liebe einem unsichtbaren Galan entgegen, jedoch ihr Po platzte aus allen Nähten, er wurde prall und voll und bald geziert von einem langen Pferdeschweif. Sybilles Hände, Arme, Oberschenkel und Füße veränderten sich zu schlanken Vorder- und Hinterläufen und formten sich hinab zu vollendeten Fesseln und Hufen. Das Gesicht, die nunmehr traurig und hilflosen Augen, die Augenbrauen, die Nase, die Wangenknochen, Ohren, Haare kurz der ganze Kopf verlor die natürliche Schönheit des Mädchens, verlor alles Menschliche und wich unausweichlich einem Pferdekopf. Ihre (plötzlich wie im Milchfieber) angeschwollenen Brüste barsten und schoben sich zu einem mächtigen Brustkorb auseinander. Der zarte Flaum ihrer Haut, die Kopf-, Achsel- und Schamhaare schlossen und vereinigten sich auf ihrem Leib zu dem dichten Fell eines Pferdes. Doch das alles währte nur wenige Sekunden und es gab dieses Mädchen nicht mehr, das Mädchen, das sich gegen diesen Pferdeleib so gewehrt hatte. Alles hatte nichts geholfen; Sybille stand da stolz und makellos als wunderhübsche rehbraune Stute, mit Flanken, die schweißnass weißschaumig dampften, und die sich im Schein der heißen Augustsonne wiederspiegelten. Sie schnaubte wild durch die Nüstern, schlug mit wehender Mähne heftig mit den Kopf auf und ab, kratzte mit den Hufen tiefer Löcher in die Grasnarbe und stieg wild wiehernd steil in die Höhe. Siegfried beobachtete sie sichtlich zufrieden lächelnd und ließ sie einen Augenblick gewähren. Schließlich zog er sie sanft herab, nahm sie nah zu sich heran tätschelte ihr den Hals und flüsterte ihr ins Ohr: „Ruhig meine Sybille jetzt bist Du meine schöne Stute und ich kann Dir etwas zeigen, was Du noch nie zuvor gespürt oder erlebt hast. Wollen wir einen kleinen Ausritt machen?“ Das hatte Sybille bereits zweimal an diesem Tag gehört. Nun klang es jedoch, so ruhig und vertrauenserweckend vorgetragen, irgendwie befreiend; denn: sie besaß nur noch den Drang zu laufen, laufen und laufen - einfach wegzulaufen. Die Stute Sybille wirkte immer noch stark beunruhigt, warf den Kopf, schlug mit dem Schweif und schlug heftig mit der Hinterhand. Siegfried schwang sich auf ihren sattellosen Rücken, trieb seine Fersen sanft aber bestimmt in ihre Flanken und stob mit ihr über die saftige Wiese dem schattigen Wäldchen entgegen.

      Sie warf sich unruhig auf ihrem Lager hin und her. Kopf, Armen und Beinen alles arbeitete in hektischer Betriebsamkeit und ihr Busen hob und senkte sich schwer, wie bei einem Kampf auf Leben und Tod. Das Laken ihres Bettes lag zerknittert am Fußende. Die Stirn von der jungen schönen Frau erschien mal zerfurcht, wie ein aufgewühltes Meer, mal glatt, wie ein See und trug zahllose Schweißperlen. „Siggi, was machst Du mit mir?"

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