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zog sie mit in die Gruppenumarmung.

      Für Taavi roch Saliah nach Leben. Die Kälte hatte ihren Duft überdeckt, doch die Note von Gräsern und Feldern war schwach vorhanden. Ihr langes, leicht welliges, kastanienbraunes Haar trug sie, anders als vor einem Jahr, offen und es fiel ihr bis unter die Schulterblätter. Ihr saphirblauer Mantel verhüllte ihre ganze Figur, sodass Taavi nicht erkennen konnte, ob sie ein ruhiges Jahr gehabt und viel gegessen hatte oder ob es anstrengend gewesen war. Ihre Augen hatten dieselbe Farbe wie der Mantel, die besonders im Winter ein schönes natürliches Strahlen hatten.

      Sie lebte.

      Und er war gerade bei ihnen und konnte eine Nacht lang Teil von ihrem Leben sein.

       „Wir Drei, verbunden auch durch den Nyrkus und den Tod, für immer.“

      *

      Im Dorf Souhir hatten sich die Bewohner nach der Dämmerung aus ihren Häusern begeben und im Stadtkern zusammengefunden. Während sie bei Einbruch der Nacht in ihren engen Kreisen waren, so bildete nun das ganze Dorf eine große Gemeinschaft und feierte das Wiedersehen mit den Verstorbenen. Heizstrahler umrundeten den Platz und kein Schnee berührte diesen warmen Ort des Wiedersehens. Es wurde getanzt, gesungen und gelacht.

      Während Saliah und Kilian am Rand der Tanzfläche auf Kisten saßen und sich das selbstgemachte Gebräu des Dorfes einflößten, tanzte Taavi mit der Menge. Er drehte sich im Kreis. Mittlerweile war er wieder leichtfüßig und sprang von einen Bein auf das andere und drehte sich immer wieder. Die Lagen seiner Kleidung umkreisten ihn und sein Lachen klang hell wie Glocken.

      Seine Freunde beobachteten ihn. Sie sahen all diesen Leuten zu. Wie sich immer wieder neue Gespräche auftaten, wie Leute in den Armen anderer lagen und weinten, wie sie lachten und andere in die Mitte des Platzes zogen und tanzten.

       „Das tat gut.“

      Taavi lehnte sich an die Häuserwand, die sich neben den Kisten seiner Freunde befand und schnappte sich Kilians Flasche und nahm einen großen Schluck.

      Kilian selbst stand auf und ging sich zwei neue Flaschen holen, die er allein für sich selbst besorgte. Taavi ließ sich neben Saliah auf die Kiste nieder und wagte es gar nicht erst, Kilian noch etwas streitig zu machen.

       „Er hat sich also nicht verändert?“

      Saliah blickte ihn über ihre Schulter an und schüttelte dann den Kopf. Die Antwort kannte Taavi eigentlich auch schon. Wieso sollte ein uralter Ruhhil sich innerhalb eines Jahres ändern.

      Taavis Blick streifte die Menge. Er ließ Kilian wieder Platz nehmen und Saliah Scherze erzählen, zu denen die beiden jungen Männer grinsten und lachten. Doch er sah sie beide dabei nicht an. Er wollte ihre Nähe spüren, aber sie zu sehen machte ihm nur noch mehr bewusst, dass dieser Moment flüchtig war.

      Eine kleine Frau schritt zwischen den Tanzenden hindurch. Niemand schien sie wahrzunehmen und doch stieß niemand gegen sie. Sie war zierlich, hatte langes platinblondes Haar, das über ihr Gewand gefächert fiel. Jede Strähne und jedes Kleidungsstück schienen genau da zu sitzen, wo sie es haben wollte. Und kein Wind oder Wetter schien darauf Einfluss zu nehmen.

      Als wäre das noch nicht genug, so ließen der weiße Kimono und die vielen Unterröcke sie noch mächtiger, rein und weise aussehen. Als wäre sie eine Priesterin aus einer alten Zeit. Was hinsichtlich der weißen Kleidung durchaus möglich war.

      Taavis Blick lag auf ihr. Um ihn herum lachten seine Freunde, doch er verstand nicht mehr, über was sie scherzten. Seine Konzentration lag ganz bei der kleinen Frau.

      Sie kam bei den dreien entlang und als sie fast vorbei gegangen war, fiel ihr Blick auf ihn.

      Taavi stockte kurz, doch sie sah nicht ihn an, sondern Kilian. Dieser spürte ihren Blick und lächelte höflich. Doch ihre Miene wurde ernst.

       „Was macht ein Ruhhil hier?“

      Taavi schluckte schwer, Saliah sprang von ihrem Sitz auf und stellte sich schützend vor Kilian, der anfing zu lachen. Verdutzt hielten Saliah und Taavi inne und warteten auf eine Erklärung für sein Verhalten.

       „Und was macht eine uralte Dame wie du hier?“

      Kilians Freunde sahen ihn verwundert an. Die kleine Frau sieht nicht alt aus. Oder meinte er, dass sie vor Ewigkeit gestorben sein muss?

      Er zuckte nur mit den Schultern und die beiden drehten sich wieder ihr zu.

       „Er meint es sicher nicht so...“, versuchte Saliah höflich abzulenken.

       „Sag mir junge Dame, was ist dein Vergehen?“

      Verwundert sah Saliah die Frau an. Sie streifte ihr über ihr linkes Schulterblatt bis hin zum mittleren Rücken. Dort wo sich ihr Mal befand. Das Abbild ihrer Verurteilung.

       „Wer sind Sie?“

      Während Saliah ihr die Frage stellte, schob sich Taavi zwischen die Frauen.

       „Bei allem Respekt, aber rühren Sie meine Freunde nie wieder an.“

      Nun, zum ersten Mal, fasste sie auch Taavi in ihren Blick. Sie sah ihn sich an. Ihr Blick wanderte über ihn und am Ende sah sie ihm in die Augen.

       „Du bist tot“, stellte sie trocken fest.

      Verärgert ballte er seine Hände zu Fäusten: „Wenn Sie meinen, deswegen könnte ich nichts gegen Sie unternehmen, täuschen Sie sich aber gewaltig!“

      Sie lächelte schelmisch und tippte ihm gegen die Stirn. Kilian sprang auf und fing Taavi auf, ehe ihm die Beine ganz wegsackten. Seine Augen waren geschlossen.

       „Nicht weil du tot bist, hast du keine Chance gegen mich.“

      *

      Kilian hatte sich Taavi über die Schulter geworfen und die beiden Frauen waren ihm gefolgt. In einer Hütte am Rande des Dorfes zogen sie sich zurück. Heuballen lagen auf dem Boden und nicht weit vom Eingang entfernt waren einige von ihnen zu einem Kreis angeordnet. Glut befand sich in einer Feuerstelle, in der Mitte des Kreises, und die weiß gekleidete Frau entfachte sie zu einem Feuer.

       „Sie sind eine Esper?“, fragte Saliah.

      Eine Esper. Eine Person mit magischen Fähigkeiten. Wie Saliah selbst eine war.

       „Solltest du mich nicht zuerst fragen, ob ich tot bin?“

      Daran hatte sie gar nicht gedacht. Saliah sah zu Kilian, der sich auf einen Heuballen niederließ und offenbar Taavi bereits woanders abgelegt hatte.

       „Sie ist nicht tot. Sie ist uralt.“

      Saliah nickte. Sie hatte Kilian schon vor Minuten verstanden. Und trotz der weißen Kleidung der Frau, hatte sie nicht angenommen, dass diese tot sein könnte. Vielleicht war es das Band zu Kilian, was Saliah nicht daran hatte glauben lassen.

       „Ich bin eine Esper. Eine, die vor etlichen Jahren ein Vergehen beging und seitdem eine Resynd ist.“

      Kilian wusste ganz genau, was diese kleine Frau war und was dieser Titel bedeutete. Ihre Zeit wurde ihr damals genommen. Ihr Leben hielt an und sie bekam eine Aufgabe über die Zeitalter hinweg. Ein Resynd war dazu bestimmt ein sehr langes Leben zu führen. Er konnte nicht sagen, welche Aufgabe sie trug, aber unberührt von der Zeit wandelte sie zwischen den Orten, um einer Aufgabe nachzugehen, die weitaus mehr Zeit in Anspruch nahm als ein Leben.

       „Ich weiß nicht so genau, was das bedeutet,“ gab Saliah zu.

       „Das werde ich dir und dem Ruhhil auch nicht erläutern.“

      *

      Taavi spürte ein leichtes Kratzen im Gesicht und strich mit seinen Händen über den Untergrund. Dann roch er das Heu und öffnete schlagartig die Augen.

       Wo bin ich?

      Er drehte sich um seine eigene Achse und sah dann in die Gesichter der drei Leute, die um das Feuer saßen.

       „Wo sind wir

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