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und Taufe des kleinen Sohnes der von Minden. Haffner knallte das restliche Geld auf den Tisch und trat wütend ab.

      Vor der Kirche traf er auf die Seinen. Er schaute in erwartungsfrohe Gesichter, schluckte seinen Ärger runter und verkündete: „Es ist vollbracht.“ Auf dem Heimweg konstatierte er trocken: „Kinder, wir sind pleite.“

      Zu Hause war ein Festmahl vorbereitet. Eine Taufe will gefeiert und begossen sein. Ottilie hantierte an Töpfen und Pfannen, Margarete ging ihr zur Hand und stellte Geschirr und Trinkbecher auf den Tisch. Otto brachte die Kerzen und legte Herbstblumen als Dekoration auf das weiße Tischtuch. Vater Jörgen Haffner, die Knechte Artur und Marcus saßen abseits und probierten vorab schon mal den schweren Branntwein. Besuch wurde nicht erwartet. Sie hatten keine Verwandten in der näheren Umgebung. Nachbarn ließen sich schon gar nicht herbei. Wer gastiert schon gern bei einem Scharfrichter?

      Als sie alle satt und träge wurden, nahm Mutter Ottilie das Wort: „Leider, Ihr Lieben, werden wir die nächste Zeit etwas sparen müssen. Aber das schadet nichts. Wir schaffen das schon, bis Vater wiedermal einen guten Fall hereinbekommt.“ - „Es wird zu wenig geklaut und gemordet in dieser Gegend“, gab der angetrunkene Hausherr mit schwerer Stimme zum Besten. Die Knechte lachten wiehernd. Die Mutter erzwang sich mit einem missbilligenden Blick erneut Ruhe: „Wir lassen beim Schlachter, beim Bäcker und auf dem Markt anschreiben. Wer verwehrt dem Scharfrichter schon eine Bitte?“ Das leuchtete ein. Sie werden schon zurechtkommen. Man hatte keine Lust, sich den schönen Tag mit düsteren Gedanken zu verderben.

      Margarete fasste den Plan, von hier fortzugehen. Was musste sie den lieben Menschen auf der Tasche liegen?

      Die von Minden in Tangermünde

      Das Stammhaus der von Minden in der Straße Schlossfreiheit in Tangermünde war ein großes Wohn- und Geschäftshaus mit drei Etagen übereinander. Im Erdgeschoss des Hauses hatten sich die von-Minden-Männer ihre Arbeitsräume eingerichtet. Gäste, Geschäftspartner und Agenten wurden hier empfangen, angehört, beraten, beauftragt und über den Tisch gezogen. Im ersten Obergeschoss spielte sich das Familienleben ab. Mehrere Zimmer dienten dem Aufenthalt und der Behaglichkeit des Hausherrn Baltasar, des Sohnes Caspar und seiner Frau Juliana sowie deren kleinen Töchtern, der Agnes und der Rosi. Im Dachgeschoss wohnte wie eh und je der Stammvater Conrad von Minden. Neben dem Haus gab es eine Auffahrt zu den rückwärtigen Anlagen: Ein Hof mit Stallungen für Pferde und Schuppen für Wagen und Gerät, Warenspeicher, ein kleines Wohnhaus für ständige oder temporär anzumietende Arbeitskräfte und seitlich einen Garten.

      Nachdem der alte Conrad die Geschäfte in die Hände seines Sohnes Baltasar gelegt hatte, wurde der Großvater in ein Stübchen unterm Dach verwiesen. Zunächst war der Alte empört, wollte sich wehren, dem egoistischen Sohn einen Denkzettel verpassen. Allerdings fehlte ihm die Kraft dazu und mit der Zeit erschien ihm das einsame Domizil sogar recht angenehm: Von hier oben kann man die Dinge mit Abstand betrachten und sie gelassen annehmen. Was kümmern mich die Geschäfte meiner Kinder, wenn ich satt zu essen bekomme und ein Dach überm Kopf habe? Conrad war niemandem verpflichtet, zumal er schon seit vielen Jahren Witwer war. Er richtete sich unterm Dach gemütlich ein.

      Seinen Altersruhesitz lobte sich der Mann umso mehr, als vor etwa zwanzig Jahren sein zweitgeborener Enkelsohn Albrecht in die Kammer nebenan einzog. Das Kind war damals gerade mal neun Jahre alt gewesen. Die Räume in der Wohnetage gaben angeblich nicht genügend Platz her. Kurz und gut: Albrecht und der Großvater bewohnten einträchtig die schrägwandigen Kammern und näherten sich allmählich einander an. Sie verbrachten viele Stunden miteinander, tauschten ihre Erfahrungen und Träume aus, fanden aneinander Halt. Conrad merkte mit der Zeit immer mehr, dass Albrecht das empfindsame Wesen seiner Mutter Ursula geerbt hat und eigentlich so gar kein echter von Minden ist. Das konnte den alten Mann allerdings nicht davon abbringen, seinen Enkelsohn abgöttisch zu lieben.

      Als dann die Sache von dem Mord an dem Wirt von Bölsdorf ruchbar wurde, glaubte Conrad am wenigstens an des Jungen Schuld: Zugegeben, Albrecht ist ein Spieler, und das ist eigentlich ein Makel. Spieler sind aber auch Glücksritter. Sie vertrauen auf das schnelle Geld. Aber warum ist das so? Es ist so, weil Spieler keine Kämpfer sind, hartes Arbeiten scheuen, sich nicht durchringen wollen, sondern das Geld möge ihnen auf einen Schlag in den Schoß fallen. Spieler sind feige, introvertiert, sensibel. Wenn der Albrecht die Mordwaffe in der Hand hatte, muss ihm jemand die Hand geführt haben. Albrecht ist kein Mörder. Nun war der Albrecht seit langem fort und der alte Mann vereinsamte zusehends.

      Ganz anders stellte sich der Mordfall dem Hausherrn Baltasar und seinem Sohn Caspar dar: Zunächst waren sie froh, den nutzlosen Kerl aus dem Hause zu haben. Eine ausgesprochen glückliche Fügung hatte ihn weggeschafft. Für den Eintritt in das kurfürstliche Heer hätte der Junge einer beträchtlichen Mitgift bedurft: Kleidung, Rüstung, Reittier, Waffen und Verpflegungsgeld. Dafür war eine Riesensumme zu veranschlagen, die sie nun sparten und sie lehnten sich zufrieden zurück. Aber dann kam es doch ganz anders: Die von Minden wurden von Geschäftsfreunden erst argwöhnisch beäugt, dann gemieden und schließlich angefeindet. Mit der Familie eines Mörders wollte niemand zu tun haben. Würde Albrecht gefasst, stünden sie mit ihm am Pranger.

      Baltasar und Caspar rafften alles zusammen, was sie aufbringen konnten, und schmierten die Ermittlungsbehörde. Albrecht entkam. Die Geschäftsfreunde und die braven Bürger der Stadt beruhigten sich wieder. Die Leute machten mit den von Minden ihren Frieden. Baltasar und Caspar besorgten künftig ihre Geschäfte mit besonderer Sorgfalt und hüteten einen nie erlöschenden Groll gegen das schwarze Schaf der Familie.

      Albrechts Mutter, die Ursula, verzweifelte an der Trennung von ihrem Kind. Sie starb kurz nachdem er fort war und seitdem ging ihre Seele im Haus um. An mondhellen oder in stürmischen Nächten erschien sie den Ihren im langen weißen Gewand. Caspar und Baltasar gaben nichts auf derartige Gespinste und wischten alle Gedanken über Ursula weg. Allein der Großvater oben im Dachkämmerchen spürte ganz genau die teure Tote durch die Räume ziehen, jammern, klagen. Manchmal erschien sie dem Alten leibhaftig, setzte sich zu ihm ans Bett, und sie verplauderten die halbe Nacht, redeten von Gott und der Welt. Das war soweit in Ordnung, denn alte Menschen brauchen nicht mehr so viel Schlaf, und sie hatten einander viel zu erzählen.

      Es war ein sehr schöner Tag Anfang Oktober als Margarete mit dem Söhnchen auf dem Arm und einem Bündel aus ihren persönlichen Sachen, Wäsche und Nahrung auf dem Rücken die Landstraße Richtung Tangermünde unter die Füße nahm. Die Sonne strahlte übermütig, ohne wirklich zu wärmen, die Gegend leuchtete bunt in den Farben des Herbstes, ein leichter Wind ging und ließ abfallende Blätter lange schweben. Es war eine Lust zu reisen. Die Straße war wenig belebt, denn um diese Zeit waren die Speicher in den Städten längst gefüllt, die Wintervorräte eingebracht und der Verkehr flaute naturgemäß ab.

      Die Haffners hätten ihre Ziehtochter gern dabehalten, sie mussten jedoch einsehen, dass Margarete eine selbstständige und selbstbewusste Frau ist. Mehr noch: Weil Sebastians Vater, der Spross einer reichen Familie war, wäre es verantwortungslos und unsinnig gewesen, das Kind drohender Armut auszusetzen. Die jungen Menschen sollten leben und sie sollten gut leben. Die Haffners steuerten Margarete mit Wegzehrung und Wäsche aus, wünschten ihr alles Glück der Welt und verabredeten, sich nicht aus den Augen zu verlieren. Tangermünde ist nicht weit, man wird sich alle Male an Feiertagen gegenseitig besuchen, auch Botschaften hin und her schicken können.

      Gegen Mittag kam Margarete vor dem nördlichen Tor zu Tangermünde an. Sie hielt eine kurze Rast und versorgte das Kind. Dann schulterte sie ihr Gepäck, nahm ihr Kind auf und schritt auf das Stadttor zu. Der Name von Minden ließ die Wache devot zurückweichen.

      Margarete fand das Haus in der Schlossfreiheit rasch. Das war unschwer nach Albrechts Erzählungen zu erkennen. Sie betrat die Geschäftsräume, grüßte und bat, zum Hausherrn vorgelassen zu werden. Die Schreiber im Kontor hörten, waren erstaunt und einer richtete einen Finger nach oben: „Die Herren sind zum Mittagstisch und wollen nicht gestört sein.“ Unwillkürlich schaute Margarete zur Decke und setzte einen fragenden Blick auf. Der Mann sagte: „Sie können warten. Die Herren sind im Haus und kommen bald.“ Sie wartete, die Schreiber arbeiteten weiter. Nach langer Zeit kamen Baltasar

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