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sie überrascht an, da sie sonst immer der Meinung war, dass man helles und dunkles Eis nicht mischen sollte. Die Bedienung schaut mich fragend an und mir fällt auf, dass ich ja noch bestellen muss: „Ähh, einen Caramel-Machiato und zwei Kugeln Mokka, bitte.“ Als die Bedienung Richtung Tresen läuft, frage ich Emilia: „Seit wann mischst du denn hell und dunkel, Liebling?“, und schaue sie fragend an. Sie schaut aus dem Fenster und dreht sich nun zu mir: „Ach, Omi, weißt du, dass sich dieser Staat ganz schön verändert hat? Früher, als ich klein war, war alles noch so klar sichtbar. Man wusste, dass die Bösen die Piraten waren und die Guten die Feen, Prinzessinnen und was es alles gibt. Aber heute? Jetzt sieht man nicht mehr klar, es gibt die Politiker, die Dinge versprechen und die Presse, die alles so hinbiegt, dass es sich gut verkaufen lässt. Außerdem stecken wir mitten im Klimawandel, gegen den auch viel zu wenig getan wird und die Terroristen, die Anschläge auf verschiedene Städte ausüben, weil sie der Meinung sind, dass sie damit etwas Gutes tun. Warum tut sich die Menschheit so schwer damit, einfach nur Mensch zu sein? Wir befinden uns in einer Art Krieg, manche nennen ihn auch den modernen Krieg, hab ich gelesen. Wie können Menschen so grausam sein und viele unschuldige Menschen töten? Was bewegt diese Leute dazu?“ Als Emilia fertig war, muss ich etwas verdutzt aus der Wäsche geguckt haben, weil sie darauf meint: „Alles gut bei dir Omi?“ „Ja klar, Süße! Weißt du, es ist so, dass wenn man etwas älter wird, wie du jetzt, dass man da anfängt zu verstehen, dass die Welt nicht nur schön ist und es keine bösen Piraten mehr gibt. Sondern es gibt verschiedene Kulturen und Religionen, die manchmal Probleme mit einander haben. So ist das heute und so war das auch immer schon, du fängst bloß jetzt erst an zu verstehen, was in der Welt passiert und entdeckst die Zusammenhänge.“ Emilia guckt mich etwas traurig an und ich merke, dass diese Dinge sie schon öfter beschäftigt haben müssen. Sie scheint viel über das hier und jetzt nachgedacht zuhaben, wahrscheinlich auch über den Verbleib ihres eigenen Vaters. Nach einer kurzen Weile meint sie: „Warum leben wir Menschen überhaupt, wenn wir sowieso irgendwann sterben müssen? Man will doch nicht, dass irgendjemand aus seiner Familie oder seinem Freundeskreis gehen muss. Es tut nur schrecklich weh und man muss irgendwie selbst damit fertig werden.“ „Och, Süße, jetzt sei mal nicht so traurig. Das ist der Lauf der Dinge, irgendwann werden wir alle einmal sterben.“, antworte ich daraufhin und tätschele ihren Arm. Kurz danach kommt auch die Bedienung mit einem vollen Tablett an unseren Tisch und serviert die zwei Eisbecher und den Caramel-Machiato. Nun sitzen wir schweigend da, essen jeder für sich sein Eis und hängen in unseren Gedanken. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht gedacht hätte, dass Emilia dieses ganze Thema so beschäftigt. Es ist für mich auch nicht grade schön zu sehen, wie langsam alles wieder den Bach runter geht. Aber so sind die Menschen nun einmal. Kaum klappt etwas, muss es auch schon wieder geändert werden. Es war sicher nicht einfach damals, monatelang haben wir all die Trümmer weggeschleppt und das Land wieder aufgebaut. Wir haben keinerlei Geld oder sonstiges für das alles bekommen, wir wollten nur wieder ein sicheres Zuhause, so war das eben nach dem 2. Weltkrieg. Wir waren froh, wenn wir genug zu Essen für die gesamte Familie hatten. Es tut schon weh zu sehen, wie heute Stück für Stück wieder etwas eingerissen wird, was wir damals, nach einer schweren Zeit wieder aufgebaut haben. Auch das heute wieder mehr und mehr rechte Parteien gewählt werden. Aber so ist das Leben, denke ich und sehe aus dem Fenster auf den friedlichen Marktplatz.

      Lernen aus der Vergangenheit, Lieben in der Gegenwart

       Emilia

      Hoffentlich war mein Referat gut genug, um die bessere Note in Geschichte zu bekommen. Die Klasse applaudiert, scheint ihnen gefallen zu haben. Andererseits klatschen sie auch, wenn sie nicht zu gehört haben und nur mitbekommen, dass das Referat vorbei ist. Also kann ich auf den Applaus nicht wirklich was geben. Ich muss wohl auf die Reaktion meines Lehrers warten. Herr Apostel benotet eigentlich relativ gut, aber dieses Halbjahr meinte er, dass es für eine Zwei nicht mehr reichen würde. Darauf sagte er aber auch sofort, dass er sich mit einem Referat noch umstimmen lassen könnte. Also stehe ich jetzt hier vor der Klasse und warte auf die Reaktion von Herrn Apostel. Er sitzt auf meinem Platz, den er eingenommen hat nachdem ich zur Tafel gegangen war. Nun sitzt er da und klatscht. Als die Klasse wieder zur Ruhe gekommen ist, sagt er nur: „Danke Emilia, für dieses sehr interessante Referat. Du kannst dich nun auch wieder setzen.“, und deutet mit der Hand auf meinen Platz.

      Nach dem Unterricht bin ich hier im Klassenraum geblieben, weil Herr Apostel mich noch sprechen wollte. Ich stehe am Lehrerpult und gucke meinem Lehrer dabei zu wie er irgendetwas ins Klassenbuch einträgt. Nach einer Weile guckt er auf und meint: „Emilia, dein Referat war wirklich relativ gut, du scheinst dich für das Thema zu interessieren.“, „Naja, es ist ein sehr wichtiges Thema. Wir müssen über den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg reden.“, antworte ich nur darauf. Wirklich für das Thema interessiert habe ich mich anfangs nicht. Aber man hat sich schnell in dem Wikipedia-Artikel festgelesen und so verging die Zeit und es wurde immer interessanter. Nach nur kurzer Zeit hatte ich genug Informationen zusammen. Herr Apostel räuspert sich und reißt mich so aus den Gedanken. „Ist alle gut bei dir?!“, fragt er und schaut mich besorgt an. „Jaja, alles bestens. Welche Note bekomme ich denn nun auf dem Zeugnis?“, frage ich um etwas abzulenken. Herr Apostel denkt nach und meint: „Das Referat war sehr gut. Ich denke schon, dass wir dir noch eine Zwei auf dem Zeugnis geben können.“, „Danke, schönen Tag wünsche ich Ihnen.“, „Danke, dir auch.“, sagt Herr Apostel noch, klappt das Klassenbuch zu und ich verlasse den Raum. Vor dem Klassenraum steht Jan, ein Klassenkamerad von mir. Er scheint auf mich zu warten und guckt mich erwartungsvoll an. „Was gibt‘s?“, frage ich und schaue ihn an. Er lächelt und meint: „Nichts, ich wollte dir nur zu dem gelungenen Referat gratulieren.“, ich schmunzele: „Du hast mir zugehört, ich hatte eher das Gefühl, die Klasse scheint das Thema nicht wirklich zu interessieren?!“ „Die Klasse vielleicht nicht, mich schon“, meint er und wir fingen an ein paar Schritte zusammen den Schulflur runter zugehen. „Danke“, sage ich, warum weiß ich selber nicht so genau. Er sagt nur: „Für dich immer.“, und wir gehen einfach schweigend weiter den Schulflur runter. Irgendwie muss ich lächeln.

      Die letzte Stunde war vorbei und ich mache mich auf nachhause, so schnell ich kann. Ich bin an der Bahnhaltestelle vor der Schule angekommen und steige in die schon wartende Bahn. Die Bahn ist wie immer nach Schulschluss relativ voll, dennoch habe ich noch einen Platz bekommen. Zwar zum Gang hin und nicht am Fenster, aber ich kann sitzen. Die Bahn fährt los und ich fange an, meinen Gedanken einfach freien Lauf zu lassen. Ich denke über Jan und unseren kleinen Spaziergang über den Schulflur nach, über mein Referat, von dem ich noch Mama erzählen will und über meinen bevorstehenden Krankenhaustermin. Die Bahn hält plötzlich ziemlich abrupt an und reißt mich aus meinen Gedanken. Nach zwei Schrecksekunden fällt mir auf, dass das hier ja schon meine Station ist. Ich springe auf und drängele mich durch die volle Bahn zur Tür, um auszusteigen. Kurz bevor die Tür schließt, springe ich heraus. Komplett aus der Puste warte ich zwei Minuten am Bahnsteig, bis sich mein Atem wieder beruhigt hat und gehe dann langsam nachhause. Auf dem Weg fallen meine Gedanken wieder zu Jan und ich frage mich, was er gerade wohl macht. Kurz darauf stehe ich schon vor unserer Wohnungstür und meine Mutter öffnet mir: „Na, mein Schatz! Wie war‘s in der Schule? Hat dein Referat alle umgehauen?“ „Hey Mama, ja war ganz gut.“, antworte ich nur kurz angebunden, in der Hoffnung, dann einfach gleich in mein Zimmer verschwinden zu können. Auf einmal habe ich keine Lust mehr, mit ihr über mein Referat zu sprechen. Aber falsch gedacht: „Och Emilia, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen? Hast du die bessere Note bekommen?“, hakt Mama nochmal nach und ich antworte ihr, während ich schon halb in meinem Zimmer bin: „Klar, ich hab die bessere Note bekommen.“ Ich schließe die Tür hinter mir, lasse mich auf mein Bett fallen und meinen Gedanken wieder freien Lauf. Von Jan, über Oma Astrid bis hin zu meinem Geburtstag, der ja bald ist. Ob Jan weiß, dass ich demnächst Geburtstag habe?! Mit den Gedanken an Jan und meinen Geburtstag versinke ich langsam, aber sicher in einen wunderschönen Tagtraum und döse vor mich hin.

      Kaputte Herzen machen traurig

       Emilia

      Jetzt stehe ich wieder mit meiner Mutter vor der Glastür des Krankenhauses,

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