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Die Seelenräuberin. Michael Hamberger
Читать онлайн.Название Die Seelenräuberin
Год выпуска 0
isbn 9783847662044
Автор произведения Michael Hamberger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Als Layla den Boarding Pass in der Hand hatte, beschloss sie erst einmal einen Kaffee zu trinken. Der würde ihren Nerven gut tun. Deshalb schlug Layla auch gleich die Richtung zu einer Cafeteria ein, die mit großen, gut beleuchteten Leuchtbuchstaben vorgab, dass beste Frühstück in der Schweiz anbieten zu können.
Am Ende der Schlange stand ein Polizist mit einem Hund. Es war ein sehr schöner, gut gepflegter Deutscher Schäferhund. Offensichtlich ein Drogenhund. Da Layla keine Drogen hatte und ihr als Werwolf die Hunde normalerweise sehr wohl gesonnen waren, sah sie auch keinen Grund, einen Bogen um die beiden zu machen.
Doch als sie näher kam, sah sie der Hund auf einmal sehr bedrohlich an, knurrte aggressiv und riss sich von dem verdutzten Polizeibeamten los. Er rannte in großen Sprüngen und mit gefletschten Zähnen auf Layla zu. Nur ihren schnellen Reflexen und einem Sprung zur Seite verdankte sie es, dass der Angriff des Schäferhundes ins Leere ging. Bevor der Hund sich umdrehen konnte, griff Layla zu, packte ihn am Kragen und drückte ihn zu Boden. Das war für sie als Werwolf eine eher leichtere Übung, was sie aber überraschte war, dass der Hund sie überhaupt angegriffen hatte und das er selbst jetzt, als er am Boden fixiert war und seine Chancenlosigkeit spüren müsste, nicht aufgeben wollte. Wenn er sich losriss, würde Layla ihn töten müssen. Der Polizeibeamte kam bei den beiden an und wollte nach der Leine greifen. Dabei kam seine Hand nahe an der Schnauze des tobenden Tieres vorbei. Bevor es Layla verhindern konnte, biss der Hund zu. Der Mann schrie auf und Layla sah, dass er zu bluten begann. Der Hund verbiss sich nahezu in die Hand des Mannes. O.K. es half nichts, sie musste zu drastischeren Mittel greifen. Ohne den Hund loszulassen, griff Layla mit der anderen Hand nach dessen Schnauze und drückt auf die Backentaschen. Dadurch war der Hund gezwungen, den Mann loszulassen. Er versuchte natürlich sofort, nach seinen ursprünglichen Opfer, sprich Layla zu schnappen, aber Layla änderte ein wenig die Stellung der zweiten Hand und hielt nun verbissen die Schnauze des rasenden Tieres zu. Mittlerweile hatte der Tumult weitere Polizeibeamte angelockt, die die Szene mit staunenden, fast ungläubigen Blicken betrachteten. Es musste schon ein eindrucksvolles Bild sein, das eine halbe Portion, wie Layla, so wie es schien mühelos einen ausgewaschenen Schäferhund auf diese Art und Weise kontrollierte.
Als sich mehrere Polizisten um den Hund versammelten und das Tier mit vereinten Kräften fixierten, wagte sich auch Layla loszulassen. Der Hundeführer, der seine blutende Hand hielt, sah sie peinlich berührt an:
„Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Wenn Sie eine Anzeige erstatten wollen, stehe ich Ihnen gerne als Zeuge zur Verfügung.“
Da Layla aber weder Lust noch Zeit für eine Verzögerung hatte, winkte sie nur ab und sagte, dass ihr ja nichts passiert sei. Überraschenderweise willigte der Beamte auch gleich in ihre Entschuldigung ein, ohne auf eine genauere Untersuchung zu beharren, was das Erreichen ihres Fluges wohl unmöglich gemacht hätte. Offenbar hatte er Angst vor den Konsequenzen. Layla tat der Hund leid. Für ihn würden die Konsequenzen noch wesentlich ungemütlicher werden. Nur warum hatte das Tier sie angegriffen? Wie gesagt: Normalerweise liebten die Hunde sie. Es schien da eine instinktgesteuerte Verbindung zwischen Hunden und Werwölfen zu geben. Nur dieser Hund hatte offensichtlich etwas gegen sie. Er riss immer noch wie rasend an seiner Leine und versuchte, sich wieder auf Layla zu stürzen. Nur mit der vereinten Kraft von drei Zollbeamten gelang es, ihn davon abzuhalten. Nachdenklich drehte sich Layla um, und ging in Richtung Kaffee. Noch eine Sache mehr, die ihre Gedanken fesselte. Der Tag hatte es ganz schön in sich!
In der Cafeteria war Layla dann auch so geistig abwesend, dass sie der Kellner dreimal ansprechen musste, bevor sie es letztendlich auch mitbekam. Layla entschuldigte sich bevor sie ein großes Frühstück bestellte. Sie hatte Hunger bekommen. Sie würde wohl auf dem langen Flug über die Geschehnisse nachdenken müssen. Layla bestellte sich ein großes Frühstück mit extra viel Kaffee.
Dann sah sie sich in der Cafeteria um. Es bestand aus einem einzigen großen Raum. Die Stühle waren genau so unbequem, wie sie aussahen. Aber wenigstens war das Lokal sauber. Das eindrucksvollste an der Cafeteria war das große Panoramafenster mit einem atemberaubenden Blick auf die Landebahn, wo gerade unter ohrenbetäubendem Lärm eine 747 der Lufthansa startete. Ansonsten gab es nichts, das die Cafeteria wohnlicher gemacht hätte. Keine Bilder, kein Schmuck, nichts. Naja, typisch funktionell, dachte sich Layla. Sie konnte sich nicht vorstellen, hier arbeiten zu müssen. Es waren auch nur sehr wenige weitere Gäste anwesend. Ein Mann, der es offensichtlich eilig hatte, beschwerte sich lautstark darüber, dass der Kellner immer noch nicht bei ihm gewesen war, um abzukassieren.
Laylas Blick fiel auf einen Mann, der in einer der hinteren Ecken saß. Der sah sie auf eine Art und Weise an, der ihr einen Schauer den Rücken hinunterjagte. Nein, es war kein geiler Blick, sondern ein eher abschätzender, feindseliger Blick. Irgendwo hatte sie diesen Blick schon einmal gesehen. Da fiel es ihr siedend heiß ein. Der Hund, der sie vor kaum fünf Minuten attackiert hatte, hatte sie genau so angesehen. Was war da nur los? Lied sie jetzt schon unter Paranoia? Nein, das sicher nicht. Sie erwiderte den Blick des Mannes, gespannt, wie er sich jetzt verhalten würde. Dieser wendete den Blick jedoch nicht ab, obwohl es ihm klar sein müsste, dass Layla ihn bemerkt haben musste. Dabei zeigte sein Gesicht keine Regung. Kein Muskel zuckte. Es sah fast aus, wie eine Maske. In diesem Moment kam ihr Frühstück. Layla bezahlte dieses auch gleich. Die Erfahrung mit dem anderen Gast, der offensichtlich noch immer nicht sein Geld losgeworden war, zeigte ihr, dass dies wohl besser wäre.
Als sie den Blick zu dem seltsamen Mann zurückwendete, sah sie gerade noch, wie der wegging. Wäre es besser, wenn sie ihm folgen würde, fragt sich Layla. Leider hatte sie aber keine Zeit mehr dazu. Sie würde gerade noch in Ruhe ihr Frühstück verspeisen können, bevor sie durch die Passkontrolle musste. Durch die strengeren Richtlinien dauerte dies jetzt viel länger und Layla wollte nicht plötzlich hetzen müssen. Also machte sie sich über ihr Frühstück her, wie ein halb verhungerter Löwe. Nun, seid sie ein Werwolf war, war dies ihre Art zu essen. Ein Werwolf hatte einen wesentlich höheren Energieverbrauch. Sie brauchte also wesentlich mehr Kalorien. Sehr viel mehr. Das Essen konnte sie deshalb nicht mehr genießen. Es diente nur noch zur Energiezufuhr. Je nachdem, wie lange sie schon ohne diese Energiezufuhr geblieben war, konnte es sehr dringend werden. Es war ihr in ihrer Anfangszeit in Mexiko auch schon passiert, dass sie ein Tier hatte jagen müssen, das sie dann roh verzerrt hatte. Dies war zum Glück aber seither nicht mehr geschehen. Dies war eben der Preis, denn sie für die übermenschlichen Fähigkeiten bezahlen musste. Am höchsten war der Energieverbrauch natürlich in ihrer Werwolfgestalt. Da musste sie sich in sehr kurzen, sehr regelmäßigen Abständen Kalorien zuführen. Dies war dann auch eine der großen Probleme. Ging ihr in der Werwolfgestalt die Energie aus, musste sie sich in einen Menschen zurückverwandeln, egal, ob es ihr in diesem Moment genehm war, oder nicht.
Aus diesen Gründen konnte Layla auch gut und gerne das Doppelte bis Dreifache eines normales ausgewachsen Mannes verdrücken, ohne je richtig satt zu werden. Dabei nahm sie aber niemals zu.
Rasch beendete Layla ihr Frühstück. Nicht einmal ein Brotkrümel blieb zurück. Mittlerweile war es auch an der Zeit zu gehen, also nahm Layla ihre Tasche und ging in Richtung Sicherheitskontrolle. Da sah sie plötzlich wieder den Mann, der sie in der Cafeteria so ausgiebig beobachtet hatte. Also dann doch! Layla ging schnellen Schrittes auf den Mann zu, der auch keine Anstalten macht, zu fliehen. Er sah sie weiterhin mit diesem unheimlichen, maskenhaften Blick an. Er schien wie hypnotisiert durch Layla hindurch zu sehen. Layla spürte Wut in sich aufsteigen und beschleunigte ihren Schritt nochmals. Der Mann machte immer noch keine Anstalten zu fliehen. Da sah Layla einen weiteren Zollbeamten mit Drogenhund. Auch dieser Hund sah sie mit diesem unheimlichen Blick an. Diesmal, vielleicht weil Layla speziell darauf achtete, sah sie die Aggressivität, die von dem Hund ausging. Sie fühlte instinktiv, dass auch dieser Hund nahe daran war, sie zu attackieren. Was war denn da für eine Kacke am Dampfen, fragte sich Layla. Was wollten diese Gestalten von ihr? Und was bedeutete dieser unheimliche, leere Blick. Layla wollte jedoch keine weitere Attacke riskieren.