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Rolands Lied. Jochen Schmitt
Читать онлайн.Название Rolands Lied
Год выпуска 0
isbn 9783847605355
Автор произведения Jochen Schmitt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Gemessenen Schrittes, seine drei Chassas mit einem Schritt Zwischenraum in Reihe dahinter, trat er vor den König, verneigte sich in fünf Meter Abstand vor ihm tief und formvollendet höflich. Dann trug er in fließendem Latein die auswendig gelernte Ansprache vor. Er berichtet vom Ruhm des Königs und seines Volkes, der bis zu den Mauren gedrungen. Das habe die Gesandtschaft ausgelöst. Die Mauren wollten dem mächtigsten König Europas ihren Respekt bezeugen und ihre Freundschaft anbieten. Kurzum, er tischte gewandt den üblichen wertlosen Diplomatenschmu auf, den zwar auch hier keiner glaubte, der aber bei solchen Anlässen allgemein als unentbehrlich galt und gilt.
Am Ende seines Sermons gab er zwei seiner Chassas den von ihnen erwarteten Wink. Sie traten vor, legten je eine Rolle Seidenstoff auf den Boden, und - Abrakadabra - zauberten aus ihnen die beiden Schwerter hervor. Die wurden natürlich über den geöffneten Tüchern am Boden ausgelegt, auf den dazu gehörigen kleinen Perserteppichen. Abdallah bat den König, ihm die Schwerter überreichen zu dürfen Er fügte an, seine Fürsten hätten ihm befohlen, beide Schwerter dem König zu überreichen, damit der eines seiner Wahl an den berühmten Markgrafen Roland weiterreiche. Der Ruhm dieses unübertrefflichen Heldenkriegers sei auch im Maurenland bereits eine Sage, und daher wolle sein mächtiger Emir dem Grafen durch dessen eigenen Königs Hand eine Auszeichnung zukommen lassen.
Karl reichte Zepter und Reichsapfel seiner Königin, die nun für einen Augenblick zur Regentin wurde. Sie nutzte den, und gab je ein Machtsymbol an die Söhne weiter. Der bucklige Pippin schwenkte fröhlich sein Zepter. Der unglückliche kleine Karl hätte beinahe den Reichsapfel fallen lassen. Für seine kleinen Hände war der noch zu dick. Rechtzeitig konnte er sich fangen und den unheilverkündenden Ablauf verhindern.
Der König bemerkte nichts davon. Er war von den prachtvollen Waffen geblendet. Er hob sie in die Höhe und gab sie dem Gefolge zur Bewunderung frei. Rauschender Beifall erklang. Da sprang ihm der Schalk in seinen Nacken. Im Voraus schon schmunzelnd winkte er den Markgrafen heran.
„Vetter sag, welches Schwert wünschest du?“
Der stand verzückt, konnte sich nicht entscheiden, wies dann entschlossen auf das mit dem Rubin.
„Schön, dass du mir Auswahl und Entscheidung abnahmst!“ sprach der König, und drückte ihm das andere, das mit dem, grünen Smaragd in die Hand, lachte brüllend los, und alle stimmten ein. Säuerlich, weil wieder mal auf einen Ulk Karls hereingefallen, grinste auch Graf Roland.
Ein weiterer Wink von Abdallah zum Flur hin, und im Gänsemarsch traten die schmuckbehängten nackten Vierlinge vor den König. Abdallah musste eine Weile warten, ehe er sie dem König übereignen konnte. Der Saal tobte. Nur langsam trat wieder Ruhe ein. Gnädig überrascht verschlang des Königs Blick die nackten weiblichen Formen von seltener Perfektion. Dann kam Lust auf. Gleich darauf fühlte er einen eisigen Hauch, eine Drohung von links zu ihm wallen. Zwar waren seine bisher drei Ehefrauen daran gewöhnt, dass er ihre Schwangerschaften mit jeder einigermaßen gerade gewachsenen Jungfrau zu überbrücken wusste. Das spielte sich jedoch immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Hier und vor dem Hofstaat, das konnte brenzlig werden. In diesem einen einzigen Jahr ihrer Ehe war die junge Königin, 19 Winter und vier Schwangerschaften lagen hinter ihr, ausnahmsweise mal nicht in anderen Umständen. Da wurden ihm lautlos 14 Tage Ehekrieg angedroht. Kleinlaut verzichtete er. Schnelles Handeln war gefragt.
Erneut winkte er seinen Busenfreund heran. „Such dir eine aus!“ drängte er den, einerseits um seinen Scherz von vorhin abzumildern, andererseits um der Königin seinen guten Willen zu bezeugen. Der Markgraf zögerte diesmal nicht. Er hatte sich bereits bei dem Blick von hinten her von vier gleichermaßen vorhandenen preiswürdigen Hinterbäckchen überzeugt. Er griff die Nächststehende bei der Hand und führte sie zu seinem Platz in der vordersten Reihe rechts vom Thron. Blieben noch drei. Hilfesuchend sah der König in den Saal.
„Denk an deine Söhne!“ zischte es neben ihm, und die vierte will ich!“
Brav folgte der König der ehefraulichen Intervention. Wie alle Ehemänner wusste er, dass es Situationen und Augenblicke im Eheleben gibt, in denen Gehorsam statt Widerspruch angebracht ist. Obwohl er nicht verstehen konnte, was die noch nicht einmal Halbwüchsigen mit dieser Gabe wohl anfangen könnten. Darum ging es der Königin auch nicht. Seine Gemahlin hatte eiligst zugeschlagen, ehe der wertvolle Schmuck am Leibe der Exotinnen in andere Hände geriet!
Graf Roland beendete spontan die Audienz. Er begann kräftig zu klatschen. Noch einmal rauschte donnernder Beifall durch den Saal. Dann strebten alle ins Freie. Das Erlebte musste erst mal geistig verdaut werden. Abdallah konnte mit dem Ablauf zufrieden sein. Der mögliche Erfolg seiner Mission hatte ein festes Fundament erhalten.
Karl zögerte nicht lange. Noch am selben frühen Vorabend lud er Abdallah zu einer Aussprache unter sechs Augen. Nur Roland war dabei, als der König direkt zur Sache kam.
„So, Amir Abdallah“! eröffnete er in fließendem Latein, das alle drei beherrschten, „nun trag uns vor, was dich wirklich zur mir geführt!“
Ebenso kurz und bündig kam Abdallahs schon länger erwogene Antwort:
„Mein Emir steht mit einigen Verbündeten im Aufstand gegen unseren Ober-Emir in Cordoba. In der kommenden Auseinandersetzung können wir jede helfende Hand brauchen. Wir bitten um eine unterstützende Hilfstruppe der Franken und bieten dafür vertraglich Frieden und Ruhe an eurer Südgrenze!“
„Und was geht wirklich bei euch vor? Was sind eure Absichten, eure Aussichten, wie stark seid ihr und wer steht zu euch?“
Karls Sturzbach an Fragen erschütterte den gut vorbereiteten Emissär des Emirs nicht. Es folgte ein längerer Vortrag zur allgemeinen Lage südlich der Pyrenäen, und zur besonderen in der nördlichen Hochebene, welche die Aufrührer beherrschten. So präzise und zielgerichtet vorgetragen, dass seine beiden aufmerksam lauschenden Zuhörer nicht nur ein gutes Bild der Lage bekamen, sondern auch ein gleichwertiges von der Befähigung ihres Gesprächspartners.
„Ich kann dir noch keine feste Antwort geben“, wies Karl darauf hin, dass der Reichstag das letzte Wort habe. Aber diese Formulierung ließ Abdallah erkennen, dass er siegreich im Zieleinlauf war. Sie brachen ab und gingen gemeinsam zur abendlichen Schau in den Königssaal.
Am folgenden Morgen saßen König Karl und sein Freund Roland allein und unter sich beim gemeinsamen Frühstück. Dies war einer der Augenblicke privater Zweisamkeit, der ihnen den intimen, vertraulichen und fruchtbaren Gedankenaustausch möglich machte. Nachdenklich sah der Graf in sein Bier.
Schon zum Frühstück gab es Bier, Wein, Met oder sonstiges Alkoholhaltiges. Zu jener Zeit war das nicht Alkoholismus sondern Vorsicht. Hygiene war noch kein Lehrfach, aber Erfahrung genügte. Die Umweltverschmutzung des Menschen hatte die Flüsse zu Kloaken gemacht. Im Wortsinn! Wenn überhaupt, dann entsorgte der Mensch die städtischen und sonstigen Abwasser, Tierleichen und alle Abfälle ins nächste Fließgewässer.
Als trinkbar galt nur Quellwasser. Zur Herstellung von Getränken benutzte man aufgefangenes Regenwasser. Das galt als einziges als absolut gesund. Aber dazu musste es auch erst mal regnen. Kuh- Schafs- oder Ziegenmilch wurde ebenso genutzt. Die gab es nur in beschränktem Umfang, denn die Tiere gaben nicht viel her, und das auch nur zu Hause. Wer unterwegs war, konnte nur alkoholhaltigen Getränken vertrauen. Von Geburt an tranken Mann wie Frau überwiegend Alkoholhaltiges - und war daher ständig guter Laune.
„Wir haben zum ersten Male ein volles Jahr der Ruhe vor uns. Hast du schon ein neues Ziel für unsere Rabauken? Wir müssen denen in 778 wieder was bieten, damit sie beschäftigt sind und nicht auf dumme Gedanken kommen!“
„Hmh, na ja, da wird sich schon was finden,“ mauerte Karl.
„Du solltest aber dem Reichstag etwas dazu anbieten“, bohrte Roland nach.
„Na ja, wir könnten mal die Awaren im Land hinter der Donau besuchen gehen. Die sollen einen enormen Goldschatz