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Im Auge der Kamera. Orkania
Читать онлайн.Название Im Auge der Kamera
Год выпуска 0
isbn 9783847612346
Автор произведения Orkania
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Erich war richtig unwohl geworden. Rosi kann unmöglich recht haben, dachte er. Das ist bloss Zufall, dass sie im Rauschen dasselbe Muster erkennt wie ich. Er nahm sich fest vor, gleich zum Arzt zu gehen. Das musste heute eben ohne Termin gehen. Er brauchte dringend ein paar Stunden erholsamen Schlaf.
Donnerstag
Er war also in die Stadt gefahren, hatte bei einem Bäcker, der früh öffnete, ein paar Brötchen und einen Kaffee bestellt und sass nun dort im Stehcafe und blätterte in einer Zeitung. Noch ein paar Minuten, dann würde die Arztpraxis öffnen und er könnte sich dort melden. Eine einzige Schlaftablette, damit er mal wieder durchschlafen konnte, würde genügen. Vielleicht könnte er auch mal bei dem Heilpraktiker anrufen, der ihm die Akupunkturnadeln gesetzt hatte. Möglicherweise gab es ja auch etwas bei Schlafstörungen. Erich hoffte sehr, dass ihn der Arzt ernst nehmen würde. Die Alpträume machten ihm zu schaffen. Sie hatten etwas so bedrohliches, dass sein Herz immer wie verrückt raste. In seinem Alter musste man aufpassen. Nur noch ein paar Jahre bis zur Pensionierung, dachte er sich. Er legte die Zeitung zurück und erhob sich.
Im Wartezimmer war es so früh am morgen noch recht leer. Nur ein Mann im Anzug sass ihm gegenüber und sah alle fünf Minuten auf die Uhr. Anscheinend musste er gleich im Anschluss zur Arbeit, neben ihm stand eine Aktentasche aus Leder. Erich würde gleich ins Bett gehen. Er schmunzelte.
Die Helferin rief den Mann im Anzug auf und Erich war allein. Dann kam ein älteres Ehepaar hereingeschlurft und nahm Platz. Der Mann im Anzug kam kurz darauf zurück, die Hemdsärmel hochgerollt. Er presste einen Wattebausch in die Armbeuge.
Die Helferin rief Erich auf. „Kommen Sie schnell rein. Aber viel Zeit hat der Doktor nicht. Nächstes Mal müssen Sie einen Termin machen.“
Er nickte. „Ich brauch nicht lange,“ versprach er.
Der Arzt wirkte gehetzt. „Na, wo drückt der Schuh?“ Er blätterte in der Krankenakte. „Immer noch Schlafprobleme?“
„Die Alpträume sind noch schlimmer geworden. Mein Herz rast, wenn ich aufwache. Ich bin schweissgebadet. Und jetzt träume ich auch schon, wenn ich nur kurz ein Nickerchen machen will. Ich hab seit Tagen nicht mehr geschlafen. Sie wissen ja, ich will keine Medikamente nehmen, aber haben Sie vielleicht doch eine Schlaftablette oder so für mich? Dann kann ich mich bis zum nächsten Termin mal wieder ausschlafen. Das frisst an meinen Nerven und beeinträchtig inzwischen schon meine Arbeit.“ Erich verschränkte die Hände im Schoss und sah den Arzt erwartungsvoll an.
Der machte sich Notizen. „Ich geb Ihnen ersteinmal was pflanzliches, nur ein leichtes Beruhigungsmittel. Davon nehmen Sie eine direkt vorm Schlafengehen. Haben Sie Allergien?“
Erich schüttelte den Kopf.
„Gut, dann probieren wir es doch mal damit.“ Er schrieb etwas auf einen Rezeptblock, das Erich nicht lesen konnte. „Und vorn kriegen Sie einen Termin für nächste Woche, dann sprechen wir noch einmal in aller Ruhe darüber.“ Der Arzt gab Erich den rosafarbenen Zettel. „Dann sehen wir uns nächste Woche. Hoffentlich ausgeschlafen und in alter Frische.“ Er gab ihm die Hand und verabschiedete sich.
Zuhause legte sich Erich ins Bett, nahm die Tablette mit einem Glas Wasser und griff nach einem Buch. Das war schon immer seine bevorzugte Einschlafhilfe gewesen. Er hatte erst drei Seiten gelesen, als ihm die Augen schwer wurden. Tapfer hielt er noch eine weitere Seite aus und genoss die bleierne Schwere und die angenehme Ruhe. Dann legte er das Buch auf den Nachttisch und fiel in ein tiefes schwarzes Loch.
Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als die Träume begannen. Diesmal träumte er anfangs wieder den üblichen Traum. Er stand im Krankenhausflur und suchte seine Frau. Nachdem er eine Weile durch die Gänge gelaufen war ohne ein lebendes Wesen anzutreffen, blieb er einfach stehen. Es lohnte sich nicht, weiterzugehen. Auf einmal wusste er, dass er seine Frau nicht finden würde. Sie war nicht mehr hier.
Erich setzte sich auf eine Bank. Hinter sich hörte er Vogelgezwitscher und als er sich umdrehte, blickte er auf einen Park. Dort erschien es ihm angenehmer als im Krankenhaus, also stand er auf und ging spazieren. Er konnte das Gras unter seinen Füssen spüren und lief noch ein Stück weiter, bis er an eine Ampel kam. Hier rasten die Autos über die Kreuzung und Erich kam einfach nicht auf die andere Seite. Er wusste auf einmal mit erschreckender Klarheit, dass er zur Arbeit musste und zu spät kommen würde.
Mehrmals versuchte er, die Strasse zu überqueren, aber es wurde nicht grün und kein Auto hielt an. Erich blickte immer wieder auf die Uhr. Dabei stellte er fest, dass er vergessen hatte, seine Uniform anzuziehen und im Schlafanzug dastand. Erschrocken wollte er umdrehen und zurückgehen, aber nun waren auch hinter ihm Autos, die dicht an dicht über die Kreuzung rasten und er konnte weder vor noch zurück. Neben ihm war allerdings eine Unterführung und so stieg er die Treppen hinunter und folgte dem gekachelten Gang. Der Gang wurde immer schmaler und enger. Am Ende des Ganges brannte ein grünes Licht. Erich wurde es mulmig. Was hatte das grüne Licht zu bedeuten? Müsste er nicht am Ende aus dem Tunnel wieder herauskommen? Und wie lang war diese Unterführung eigentlich? Als er umdrehen wollte, stellte er fest, dass hinter ihm kein Licht mehr war, nur rabenschwarze Finsternis. Daher ging er weiter.
Das grüne Licht wurde heller und als der Gang eine Kurve machte und Erich um die Ecke bog, sah er eine schwere Metalltür mit einer grossen Klinke daran. Über der Tür leichtete grün das Zeichen für den Notausgang. Erich atmete erleichtert auf und öffnete die Tür.
Dahinter lag die Tiefgarage. Erich war bei der Arbeit angekommen. Er ging an den geparkten Autos vorbei und schämte sich wegen seines Schlafanzugs. Was würden die Leute wohl sagen? Er hatte ja nicht mal Schuhe an. Oder doch? Er stellte fest, dass er seine Arbeitsschuhe und Hosen anhatte. An seinem Gürtel hing sogar die Schlüsselkarte und der Bund mit den Sicherheitsschlüsseln. Eben hatte er doch noch seinen Schlafanzug getragen? Aber das hier war ja auch ein Traum, das wusste er jetzt. Da hatte er sich wohl einfach die Arbeitsuniform erträumt.
Erich ging weiter und suchte nach der Tür zum Treppenhaus, konnte sie aber nicht finden. Er lief kreuz und quer durch die ganze Tiefgarage. Es war dunkel und Erich hatte wieder einmal das Gefühl, das jemand hinter ihm her war. Seine Schritte hallten in der Tiefgarage wieder. Das Echo klang unheimlich in seinen Ohren nach. Waren da noch andere Schritte? Ja, er wurde verfolgt! Er wollte schneller gehen, aber er kam nicht voran. Seine Füsse hoben sich einfach nicht. Je mehr er sich mühte, desto langsamer wurden seine Bewegungen. Er musste seinem Verfolger entkommen!
Was ist los? dachte er. Plötzlich drehte sich alles, die Wände kippten zur Seite, der Fussboden kam auf ihn zu. Erich glaubte an ein Erdbeben und wollte sich hinsetzen, aber er lag bereits. Es war gar kein Erdbeben, er lag auf dem Zementboden und fühlte, wie Wasser durch sein Hemd drang. Er war hingefallen. Warum konnte er sich nicht wieder aufsetzen? Was war da los? Seine Arme hingen schlaff an seinen Seiten und Erich wollte sie zwingen, sich aufzusetzen, seinen Oberkörper abzustützen, damit er sich aufrichten konnte. Aber er konnte sich nicht bewegen. Er musste doch hier weg! Er musste sich verstecken! Nicht einmal sein kleiner Finger rührte sich. Nur seine Augen blinzelten hektisch ins zwielichtige trübe Funzellicht der Tiefgarage. Es roch nach Diesel und Dreck.
Erich wollte sich auf den Rücken drehen, weil er scheinbar mit dem Gesicht in Rollsplit lag, die kleinen Steinchen pieksten ihn in die Wange. Was ist hier los, verdammt noch mal? Hab ich einen Herzinfarkt? Oder Schlaganfall? Wenigstens umdrehen, das war sein Ziel. Er versuchte, die Beine anzuziehen, aber auch das ging nicht. Keine Angst, das ist bloss ein Traum. Erich wand sich und langsam reagierte sein Körper, er bewegte sich ein Stück zur Seite, sodass er das Kinn zur Brust ziehen und an sich heruntersehen konnte.
Erich erschrak. Er war vom Hals abwärts in eine feste Folie eingewickelt. Sie umschloss seinen Körper wie die Binden einer Mumie. Deshalb konnte er sich nicht rühren. Er wand sich noch ein wenig und rollte auf den Rücken. Verdammt! Hoffentlich findet mich bald einer! dachte er und versuchte, die Arme zu bewegen, aber vergeblich. Er wollte schreien, aber als er den Mund öffnete, kam kein Ton heraus. Das ist ein Traum, ich kann aufwachen! mahnte Erich sich und dachte angestrengt an sein Bett. Das ist