ТОП просматриваемых книг сайта:
Im Auge der Kamera. Orkania
Читать онлайн.Название Im Auge der Kamera
Год выпуска 0
isbn 9783847612346
Автор произведения Orkania
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Das kann doch nicht wahr sein!“ Marvin fluchte und versetzte dem Monitor einen Klaps.
„Hey!“ Erich schnaufte empört. “Randalieren kannst du zu Hause!”
Erich hatte es nicht gern, wenn Marvin wie jetzt genervt oder gelangweilt vor den Monitoren hing. Es waren insgesamt vier graue, alte Monitore, die in einer Reihe auf dem grossen, ausgemusterten Pult standen. Sie alle zeigten im 5 Sekunden-Takt verschiedene Bereiche der renommierten Agentur.
„Ich verstehe einfach nicht, warum es bei dieser Einstellung ständig flimmert.“ sagte Marvin wie zur Entschuldigung und fuhr fort. „Ich hab das Programm geprüft, die Hardware, sogar die Kabel habe ich ausgetauscht.“
Erich nickte nur und starrte besorgt auf den zweiten der vier Monitore. Er zeigte das erste Stockwerk, den L-förmig geschnittenen Flur mit den Bürotüren auf der rechten Seite aus zwei Blickwinkeln, das Treppenhaus mit Blick auf Treppe und Fahrstuhltüren, und den Bereich im Flur hinter der Theke, in dem sich vier grosse Schreibtische für die Sekretärinnen befanden. Assisstents, dachte Erich. Das heisst ja heutzutage nicht mehr Sekretärin.
„Hast du auch die Kamera mal überprüft?“ schlug der grossgebaute ältere Mann nun vor, obwohl er wusste, dass er den jüngeren Techniker, der sich vor ihm auf dem Drehstuhl fläzte, vermutlich gerade zur Weissglut trieb. Soll er mal glühen, dachte Erich. Er fand den jungen Techniker ein wenig unverschämt.
„Nein, das hab ich doch tatsächlich vergessen!“ Marvins Stimme tropfte vor Ironie.
Erich feixte. Junge, dich kann man aber leicht ärgern. „Hätte doch sein können,“ murmelte er und starrte wieder auf den Monitor.
Die Kamera zeigte gerade wieder die grosse Theke und schaltete dann um auf den Flur. Bei der zweiten Einstellung glitt das Flimmern über das Bild und störte kurz die Übertragung. Nach 5 Sekunden tauchte das Treppenhaus vor Erichs Augen auf. Ein Mann mit Schlips und teuer glänzenden Schuhen eilte gerade die Treppen hinunter. Erich kannte ihn gut, es war einer der wenigen Mitarbeiter, die lieber abends arbeiteten und ihm daher häufig begegneten, wenn er Schicht hatte.
Marvin fixierte den Monitor, als wollte er ihn hypnotisieren. „Wieso flimmert das Bild?“ fragte er und betrachtete erneut das Grossraumbüro mit der Theke. Der längere Flurabschnitt kam ins Bild. Erich sah mit Hilfe des Kameraauges den Gang mit dem gebohnerten Fussboden und den drei grossen Leinwänden an der linken Wand. Rechts befanden sich die Türen zu den Büros. Er konnte am Ende die Theke mit dem blühenden Weihnachtskaktus sehen. Alles lag ruhig und verlassen da. Dann schaltete das Programm um auf die zweite Flurkamera, die den kürzeren Teil des L-förmigen Flurs abdeckte. Jetzt hatte man die Theke am Ende frontal im Blick. Auch hier hing ein grosses Bild rechts an der Wand, es hing schon wieder ein wenig schief. Erich nahm sich vor, das Bild bei seinem Kontrollgang noch einmal gerade zu rücken.
„Ich war ja zwei Wochen im Urlaub,“ setzte er an und als Marvin nichts entgegnete, fuhr er fort: „Die Sicherheitsfirma hat einen Ersatzmann gestellt. Ich kann ihn ja mal anrufen und fragen, ob er das Flimmern auch schon bemerkt hat. Vor meinem Urlaub war da nämlich nichts.“
Marvin nahm den letzten Rest Kaffee aus der Tasse, die Erich ihm hingestellt hatte. „Ich weiss, ich weiss,“ murmelte er und fixierte wieder den Bildschirm.
Dann sprang er plötzlich auf und umrundete das Pult mit den Monitoren. Er begann, an den Kabeln zu ziehen und stöpselte sämtliche Stecker um. Erich sah ihm zu und runzelte die Stirn. Der Mann sollte sich ja angeblich mit Computern so gut auskennen. Aber das sah für Erich doch eher nach Verzweiflung aus.
„Ist das denn wirklich so wichtig? Ist ja nur ein kurzes Flimmern,“ meinte Erich daher und strich sich mit der Hand über den sorgfältig gestutzten Bart.
Marvin antwortete zunächst nicht, sondern kroch langsam hinter den Monitoren hervor und klopfte sich den Staub ab.
„Da hinten muss besser geputzt werden, Computer sind empfindlich gegen Staub,“ sagte er und sah an Erich vorbei.
Erich hasste das. Aber der junge Mann war wohl ein wenig verklemmt. Computer waren seine Welt, mit Leuten konnte er scheinbar nicht so.
„Ich sag es der Putzfrau. Erm, der Reinigungsfachkraft,“ verbesserte sich Erich. Heutzutage hiess es ja Reinigungsfachkraft. Schön neutral und politisch korrekt. Er müsste nachher unbedingt dran denken, eine Notiz für die Putzkolonne zu schreiben. Erich hielt viel auf sein gutes Gedächtnis. In seiner Freizeit beschäftigte er sich am liebsten mit dem neuen Gehirnjogging-Spiel, dass ihm sein Enkel auf seinem Computer installiert hatte. Er war ziemlich gut. Praktisch war es auch, er brauchte zum Beispiel nie eine Einkaufsliste.
„Das mit dem Flimmern muss geklärt werden.“ antwortete Marvin nun doch auf Erichs Frage.
„Der Chef ist da manchmal ein bisschen pingelig.“ brummte Erich.
„Nein, nein. Das könnte wirklich ein Problem werden. Wenn es nur die Kamera ist oder der Monitor, dann ist es eine Kleinigkeit, aber wenn das Programm spinnt, dann kann es zum Absturz kommen. Und gerade das soll ja nicht sein.“ Marvin schaute wieder auf die Monitore.
Er hatte den zweiten Monitor scheinbar mit dem ersten vertauscht, denn auf dem zweiten Monitor konnte Erich nun anstelle des ersten Stocks das Treppenhaus im Erdgeschoss sehen. Der Kamerawinkel zeigte hier zuerst auf die Fahrstuhltüren, danach auf die Eingangstür und die grossen, bis auf den Boden reichenden Frontfenster. Dann wechselte das Bild und der Empfangsbereich tauchte auf dem Monitor auf. Jetzt am Abend war dort alles leer, aber tagsüber sassen dort zwei Empfangsdamen, meist am Telefon. Wieder wechselte das Bild und zeigte jetzt den kleinen Flur, von dem die Türen zu Erichs Überwachungsraum, einem kleinen Wc und einer Abstellkammer abgingen und das Treppenhaus mit Zugang zur Tiefgarage.
„Alles in Ordnung,“ meinte Erich mehr zu sich selbst. Er hatte ganz vergessen, dass er ja nicht das Gebäude überwachen, sondern diesmal auf den Monitor selbst achten sollte. Aber der Monitor hatte nicht geflimmert.
Marvin nickte. „Der Monitor ist einwandfrei. Alt, aber läuft.“
Die beiden Männer sahen sich noch einmal einen kompletten Durchlauf an, fanden aber keinen Fehler und vor allem kein Flimmern. Dann richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf den ersten Monitor. Nachdem Marvin alles umgestöpselt hatte, befand sich auf dem ersten Monitor jetzt die Videoüberwachung des ersten Stockwerks. Das Treppenhaus war wieder zu sehen. Es war leer. Erich zählte in Gedanken bis Fünf. Dann kam der längere Flurbereich. Wieder schaltete das Programm um. Der kürzere Flurbereich kam. Das Bild hing immer noch schief an der Wand. Ein Flimmern lief über den Bildschirm und sekundenlang sah man statisches Rauschen. Dann erschien wieder für einen Augenblick der kurze Flurabschnitt auf dem Bildschirm, bevor die Kameraeinstellung wechselte. Jetzt zeigte sie den Bereich hinter der Theke.
„Tja, es liegt also scheinbar doch an der Kamera.“ stöhnte Marvin.
„Die hast du doch schon überprüft.“ erinnerte ihn Erich unnötigerweise.
„Muss ich halt nochmal machen.“ Marvin drehte sich um und verliess das kleine, dunkle Zimmerchen.
Erich folgte ihm und zog die Tür hinter sich zu. Sie gingen nach vorn in den Empfangsbereich und dann ins Treppenhaus. Dort stiegen sie die Stufen hinauf bis in den ersten Stock. Alles sah genauso aus wie auf dem Monitor, bloss waren die Farben jetzt viel kräftiger. Erich warf aus Gewohnheit einen Blick auf die Kamera in der Ecke und stellte fest, dass das rote Blinklicht an war. Die Kamera war in Betrieb. Er grinste in das Kameraauge. Bitte lächeln! Marvin war schon weitergegangen und stand jetzt im Flur.
„Hässliche Bilder.“ meinte er und zeigte auf die Leinwände.
Erich zuckte die Schultern. „Jedem das seine.“ Er las laut: „August Macke. Joah, so schauts auch aus.“
Die beiden Männer gingen weiter und kamen zur Theke, wo der Flur einen Knick machte. Dort hing am anderen Ende die