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Holzrahmen, für eine gesunde Luftzufuhr sorgt. Und hieraus ergibt sich auch der Vorteil, dass wir uns kaum je eine Erkältung einhandeln, abgehärtet, wie wir nun sind.

      Wie kalt wird es in München sein? Es herrscht klirrender Frost von Minus fünfzehn Grad, erfahre ich im Internet. Nicht schwierig, bei diesen Temperaturen draußen zu erfrieren. Was für ein Tod mag das sein? Auf alle Fälle weniger radikal, als sich vor einen Zug zu werfen. Was wird Julia gespürt haben, als sie starb? Was hat sie dazu getrieben, Tabletten zu schlucken und sich an die Isar zu legen, um zu sterben? Ich fröstele, als ich versuche, sie mir vorzustellen, am Ufer des Flusses, eine bleiche, starre Eisprinzessin.

      In Gedanken versunken räume ich die Gästezimmer auf. Besonders Tochter und Sohn haben ein Chaos hinterlassen, auf den Betten ein Wust von Kleidungsstücken, nassen Handtüchern und Unterwäsche. Aus den Steckdosen hängen iPad-Kabel, unter einem Bett liegen Kopfhörer und eine Musikzeitschrift, unter dem anderen eine halbe Tafel Schokolade und eine fettige Papiertüte mit zwei Doughnuts. Die Eltern haben zumindest symbolisch ihr Bett gemacht, das heißt, die Überdecke spontan darüber geworfen. Ich seufze und häufe das gesamte Bettzeug auf einen Sessel, um das Bett wieder ordentlich herrichten zu können.

      Diese Seite meines Broterwerbs gefällt mir nicht besonders. Am wenigsten, Bad und Toiletten zu reinigen. Aber immer noch besser, als eine Klasse von Dreizehnjährigen unter Kontrolle zu halten. Wann immer mir Zweifel an meiner jetzigen Einkunftsquelle oder an meinem Leben kommen, hilft es, mir meine Jahre als Lehrerin an einem Münchner Gymnasium in Erinnerung zu rufen. Das Bed & Breakfast deckt jedenfalls die Unkosten des Hauses. Und nicht zuletzt entfällt das endlose und vor allem sinnlose Korrigieren von Deutschaufsätzen, mit dem ich mir zahllose Wochenenden und Ferien gründlich vermiest habe.

      ***

      Der Lieblingsspruch meines Vaters “Blut ist dicker als Wasser“ kommt mir in den Sinn, als ich mit den beiden Hunden durch Schneematsch vorbei am unserem Lieblingspub, dem „Nelson’s Head“, in Richtung Dünen stapfe. Wenn meine Familie mich braucht, habe ich zur Stelle zu sein. Eine belebende Aufbruchsstimmung, gekoppelt mit dunklen Vorahnungen, hat sich trotz des furchtbaren Anlasses in mir breitgemacht und erhellt den grauen Tag. Gedanken an Julia kreisen mir unaufhörlich durch den Kopf.

      Eine Rekordhöhe von etwa drei Zentimetern Schnee ist gefallen, was die Labradore völlig durchdrehen lässt. Für ein paar Minuten vergessen sie ihr fortgeschrittenes Alter, das sie sonst würdevoll dahertrotten lässt. Sie jagen einander, überschlagen sich auf den Feldern, wirbeln Schnee auf und hetzen davon in Richtung Strand. Ich pfeife auf beiden Mittelfingern, woraufhin sie wie im Flug stoppen und wieder auf mich zu rasen. Ihre Gesichter sind weiß bestäubt, die Mäuler zu einem glücklichen Lachen weit aufgerissen. Sie schnappen nach ihren wohlverdienten Hundekeksen, dann halte ich sie bei mir. Die Beiden wissen, dass sie sich den Robben nur vorsichtig nähern dürfen und Abstand wahren müssen, nicht nur wegen der Gefahr, dass Hunde und Robben sich möglicherweise gegenseitig mit Krankheiten infizieren, sondern auch, weil die Robben richtig gefährlich und angriffslustig sein können. Es hat schon Unfälle gegeben, bei denen vorwitzige Besucher ordentliche Wunden davongetragen haben und ärztlich versorgt werden mussten. Die Tiere wirken zwar ungelenk und plump, sind aber im Ernstfall in der Lage, rasch vorzupreschen. Ohnehin zeigen meine Hunde kein großes Interesse mehr an diesen schwerfälligen Wesen, deren torfiger Geruch mir schon in die Nase dringt, noch bevor ich sie sehe.

      Die Jungen sind zutraulicher und neugieriger als die Alten. Aber als Poppy versehentlich auf ein verschlafenes Robbenbaby in einer Dünenmulde trifft, wird sie angefaucht und weicht erschrocken zurück. Das Meer liegt still im Kälteschlaf. Eine metallisch schimmernde Fläche, die in der Ferne mit dem Himmel verschwimmt. Der Winter hat dieser Welt alle Farben ausgesogen und harte Kontraste geschaffen. Massive Wellenbrecher aus dunklem Hartholz schieben sich von dem Strand her weit ins Meer hinein. Sie teilen den Sand in Abschnitte, soweit das Auge reicht, um die Wucht der Wellen zu mildern und das dem Meer abgerungene Land zu schützen.

      Einige Hundert Meter entfernt erkenne ich nun eine weitere Robbenkolonie, die ich zunächst für Felsbrocken gehalten habe. Schemenhaft in der diesigen Luft zeichnen sich dort auch zwei Spaziergänger ab, ein Mann und eine langhaarige Frau. Sie bewegen sich langsam zwischen den dunklen Massen umher, beugen sich hinunter oder gehen ab und zu in die Hocke, als suchten sie etwas. Ich blinzele mit zusammengekniffenen Augen. Der Mann kommt mir irgendwie bekannt vor. Jetzt rücken sie eng zusammen, als sprächen sie miteinander. Sie lehnt ihren Kopf an ihn, legt ihm einen Arm um die Schultern und deutet auf etwas vor ihnen.

      Ich wühle tief in der Manteltasche, bis ich mein Fernglas gefunden habe. Es verursacht mir einen kleinen Stich in den Magen, als ich seine karierte Fellmütze mit den Ohrenklappen erkenne, seinen hochgewachsenen, schlaksigen, leicht nach vorn gebeugten Körper, die Art, wie er den Kopf neigt, um der Frau zuzuhören. Dann sagt er etwas, und sie lacht. Das kann Jo wirklich gut, Frauen zum Lachen bringen.

      Jetzt fällt es mir wieder ein. Sie muss die junge Tierärztin sein, die seit ein paar Wochen ein Praktikum im Tierrettungszentrum macht. Er hat sie die Tage kurz erwähnt. Aber er hat nicht hinzugefügt, wie hübsch sie ist. Dass sie hochgewachsen ist, langes rötliches Haar hat und dass er mit ihr die Robben inspiziert. Warum auch. Die Betreuung der Robben gehört schließlich zu den wichtigsten Aufgaben der Arche. Und sie haben immer wieder neue Praktikanten und freiwillige Helfer dort.

      Poppy ist bei mir stehengeblieben. Sie schaut mich auffordernd an. Ruby beobachtet mich vom Meer her, in dem sie gerade einen kleinen Schwimmausflug unternommen hat. Mag das Wasser noch so kalt sein, die Brandung noch so stürmisch – Ruby stürzt sich unweigerlich hinein, als müsse sie sich etwas beweisen. Zum Glück haben die beiden Jo nicht entdeckt. Ich will nicht, dass er uns sieht.

      „Keine Lust mehr, Poppy? Also gut, gehen wir zurück.“ Als hätte sie mich gehört, galoppiert nun auch Ruby zu uns herauf. Sofort machen die beiden kehrt und traben auf dem Pfad durch die Dünen zurück in Richtung Elmhill. Fast unheimlich, wie gut sie jedes Wort verstehen.

      5

      „Wie war dein Tag?“, rufe ich Jo vom Sofa im Wohnzimmer aus zu.

      „Ganz gut, nichts Dramatisches “, höre ich ihn antworten.

      Soeben habe ich, einem plötzlichen Bedürfnis nach Wärme folgend, ein Feuer im Kamin angezündet, dessen Flammen über das Eschenholz zu züngeln beginnen. Obwohl es noch nicht ganz fünf Uhr nachmittags ist, herrscht draußen eine Dunkelheit, die weder von Straßenlampen noch Mond oder Sternen durchbrochen wird.

      Diese Jahreszeit ist für mich hier am schwersten zu ertragen. In einer Stadt wird der Winterhimmel nachts wenigstens künstlich erhellt. Hier herrschen in bedeckten Winternächten absolute Stille und bodenlose Schwärze. Manche Gäste beklagen sich über die ihnen unheimliche Ruhe, wegen der sie nicht schlafen können. Vielleicht, weil sie hier nichts von ihren eigenen Geräuschen und Gedanken ablenkt.

      Jo sitzt nebenan in seinem Büro vor dem Computer und schreibt vermutlich Patientenberichte. Als er etwas Unverständliches murmelt, gehe ich zu ihm hinüber, trete hinter ihn, massiere erst seinen Kopf und streiche dann über seine Stirnfalten, bis sie sich glätten. Das wirkt immer. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, schließt die Augen, seufzt leise und lässt mich gewähren. Ein Lächeln entspannt sein Gesicht.

      „Dem Schwan geht es etwas besser“, murmelt er. “Der Arme hatte einen Köder samt Nylonschnur verschluckt. Was Angler so alles liegenlassen, zum Kotzen!“

      Sanft massiere ich nun Schläfen und Ohrmuscheln, seine sensibelsten Stellen am Kopf.

      „Wie schön, dass du ihm helfen konntest.“ Ich küsse seine Wange, ganz in der Nähe des Ohres. Hier duftet es so sehr nach ihm. Tief atme ich den Geruch ein. Einen Augenblick lang schließe ich die Augen, dann hocke ich mich vor ihn, lege die Hände auf seine Oberschenkel und betrachte sein Gesicht. Er lächelt mich an, in seinen Augen schimmert Zärtlichkeit.

      „Ich habe so viel an Julia denken müssen“, sage ich. „Es ist unfassbar, dass sie tot sein soll!“

      „Es geht mir

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