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sie Hotels, Appartementhäuser, Cafés, Boutiquen, Restaurants und Läden, vor deren Eingängen Strandutensilien und Nippes auf Haken und Kleiderstangen angepriesen wurden. Menschen schlenderten die Straßen entlang, aßen Eis, waren unterwegs Richtung Wasser, das zwischen den Häusern immer wieder zu sehen war.

      „Wir fanden es von der Dame übrigens gewagt, die Besatzung fortzuschicken“, sagte Torres.

      Sie hatten den Ort und seine Urlauber hinter sich gelassen.

      „Vielleicht kann sie das Boot auch alleine fahren“, überlegte Hoppe laut.

      „Kann sie nicht.“

      „Haben Sie sie gefragt?“

      „Muss ich nicht. Sie werden sehen.“

      Hoppe ließ die Aussage auf sich wirken, schaute durch die Windschutzscheibe auf weite Flächen aus grünbraunen Wiesen, die von niedrigen Steinmauern durchzogen und mit Bäumen bepflanzt waren.

      In die entstandene Sprachlosigkeit hinein fragte Torres: „Kennen Sie die Gegend?“

      „Ich war einmal hier. Vor etlichen Jahren.“

      Jetzt sprach er aus, worüber er vor einigen Minuten im Flugzeug nachgedacht hatte. Warum war er mit Kathrin und auch mit Michel nicht öfter durch die Straßen von Palma gestreift oder in der Tramuntana gewandert?

      „Ich fahre für sie einen kleinen Umweg“, sagte sein ortsansässiger Kollege.

      Kurz darauf fuhren sie auf einer schattigen Straße, die sich durch waldreiches Gebiet schlängelte. Von hier aus schienen die Berge zum Greifen nahe genauso wie das Meer. Die mediterrane Vegetation stimmte eine Andersartigkeit an, von der man glaubte, dass sie das Leben leicht machen würde. Axel räusperte sich. Der Mann neben ihm sah ihn wissend an und fuhr.

      Keiner der beiden sagte etwas, als sie von einer Anhöhe auf eine Hafenbucht hinunterblickten, deren Gediegenheit Axel bis hinauf ins Auto spürte. Umrandet von bewaldeten Hügeln, in deren Grün Farbflecke verschiedenster Domizile auftauchten, lag dort unten also Port d’ Andratx. Eine Bucht, in deren Meerwasser die Jachten ruhig lagen. Eine Bucht, die Geborgenheit und große Erwartungen gleichermaßen versprach. Der Seat nahm die letzten Kurven, enterte den Ort, durchkreuzte enge Straßen und Axel nahm sich vor, ein bisschen zuversichtlicher auf die kommende Zeit zu blicken.

I Hiersein

      1 Sonntags

      „Es war schön gestern Abend, nicht wahr?“

      Viktor drehte sich zu seiner Frau um. „Hab ich dich aufgeweckt?“ Er hatte bis eben in seinem Bücher-Zeitschriftenstapel nach einem Bericht des Brennstoffzellen-Forums gesucht.

      Isabel räkelte sich unter ihrer Decke. „Nicht wirklich.“

      Er fläzte sich quer übers Bett. „Ich wollte nach dem Kino eigentlich gehen, dachte ihr wärt gerne allein was trinken gegangen.“

      „Warum?“

      „Sarah ist deine alte Freundin.“

      „Und deine.“ Isabel hatte sich auf die Seite gedreht und stütze ihren Kopf auf eine Hand.

      „Sarah hat sich verändert“, sagte er. Gestern Abend hatte er sie nach etlichen Jahren wiedergesehen.

      „Zwanzig Jahre gehen an niemandem spurlos vorüber.“ Seine Frau Isabel stieß einen dramatischen Seufzer aus.

      Viktor lächelte sie an. „Sarah ist ein wenig reserviert geworden. Oder einfältig. Ich frage mich, ob sie das wirklich war, die damals mit dir in diesem Loch gehaust hat?“

      „Erinnere dich lieber an deine Bude.“

      „Immerzu denke ich daran.“ Viktor küsste sie. „Es war der Beginn von uns beiden.“ Seine Hände schoben die Decke beiseite. Er hielt ihre Hände, küsste seine Frau, strich über ihren Hals. Er wollte sie. Jetzt. Am Morgen war Isabel unwiderstehlich. Sie sah ihn aus ihren dunkelgrünen Augen an und Fältchen formten sich dabei zu zarten Halbmonden um ihre Mundwinkel. Isabel zog Viktor zu sich heran.

      Später spielte er mit einer Strähne ihrer kräftigen dunklen Haare, während sie ihren Kopf auf ihn bettete und mit den Fingern an seinen Beinen entlangstreichelte.

      „Ich liebe dich“, sagte sie in die Luft hinein.

      „Und ich dich erst.“

      Isabel erhob sich, legte ihre Hände auf seinen muskulösen Oberkörper, glitt mit dem Kopf hinunter über Viktors Bauch, weiter hinunter. Sie liebkoste, küsste und stand auf. Er aalte sich. „Wo war eigentlich dieser Rüdiger gestern Abend?“

      „Ein Alarm wurde bei einem seiner Kunden ausgelöst. Dann rufen die manchmal den Chef an, hat mir Sarah erklärt.“

      „Statt der Polizei?“ Er sah es vor sich, wie Isabel mit den Augen rollte und den Mund verzog. Sogar wenn sie mit dem Rücken zu ihm stand, konnte er ihre Mimik erahnen.

      Auch sie brauchte sich nicht umdrehen, um seine Gedanken irgendwo im Gesicht abzulesen. Eine Sicherheitsfirma, deren Leute nachts mit scharfen Waffen am Gürtel zu einem Gewerbehof mit schmierigen Baracken hinter Maschendrahtzaun unterwegs waren. So stellt sich Viktor das vor. Das wusste sie genau. Hat er deshalb abfällig über Sarah gesprochen? Sie blickte in den kleinen Garten, der zu den Gründerzeitvillen ihres Wohnviertels typischerweise dazugehörte. Im vergangenen Jahr hatte die Hausverwaltung ein paar Mandelbäume in großen Pflanzkübeln entlang des Weges zur Remise aufstellen lassen. Doch jetzt waren die Kübel in einen Winterschutz gehüllt. Isabel drehte sich um. Viktor lag auf dem Bett. Kopf und Arme streckte er gen Bücherstapel. „Gehst du heute Nachmittag noch in den Club?“, fragte sie.

      „Ja, ich fahre mit dem Rad.“

      „Und der Rückweg? Bist Du dann nicht zu kaputt?“

      „Ich trainiere nicht. Heute hat mein Kinder-Achter einen Wettkampf.“

      „Dann komme ich später nach. Die Jungs sind so niedlich.“

      „Wenn du deine schrecklich grüne Jacke anziehst, sehe ich auch gleich, wenn du da bist.“

      „Die Farbe ist In!“, sagte sie und wollte ihm im Vorbeigehen eine Kopfnuss verpassen.

      Im rechten Moment aber hielt Viktor sie fest, um Schmeicheleien in ihr Ohr zu flüstern. Bis er behutsam „Lass uns gehen“ sagte.

      Hand in Hand spazierten sie an jedem Sonntag durch den Park, liefen an einem absurd kleinen Weiher und am Holzhausenschlösschen vorbei.

      „Heute will ich durchs Tor schreiten“, sagte Isabel und zog ihn in die sehr kurze Kastanienallee.

      Mit dem Schlösschen im Rücken gingen sie also durch ein erhabenes, gusseisernes Tor, das stets offenstand. Ein I-Tüpfel an Schönheit an der Grenze zu ihrem Refugium, das Viktor nie ganz unbeeindruckt ließ. Er liebte Wohlstand ohne Krach.

      Auf dem „Oeder Weg“ allerdings liefen sie dem geräuschvolleren Leben entgegen. Schließlich wollte niemand mehr auf ein Frühstück in einem gut besuchten Café mit dem Getöse des Kaffeemahlens im Hintergrund verzichten. In ihrem Stammlokal reichte der junge Mann hinter dem Tresen Isabel die Sonntagszeitung, nachdem er ihnen ein ‚Morgen’ gewünscht hatte. Die Kellnerin sah von ihrem Tablett auf und lächelte zur Begrüßung. Der kleine Tisch am Fenster war frei. Viktor half Isabel aus dem Mantel, ging zu den Garderobenhaken und blieb dort vielleicht eine Sekunde länger als nötig stehen. Er sah Isabel an, sah sie aus dem Fenster blicken, sah sie eine Haarsträhne hinters Ohr klemmen. Huschte da ein Lächeln über ihre Lippen? Er ging zu ihrem Tisch, drücke ihr einen Kuss auf den Mund und setzte sich. Sie nahm eine seiner Hände und ließ sie auch dann nicht los, als die Kellnerin nach ihren Frühstückswünschen fragte.

      „Ich nehme diesmal ein Spiegelei, kein gekochtes“, sagte Isabel. „Und vielleicht noch einen Obstsalat. Nein, doch nicht. Nicht im November. Also nur die Spiegeleier und sonst wie letzte Woche und vorletzte Woche und vorvorletzte Woche.“ Die Frauen lachten.

      „Und

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