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zusagen, kriegst du ein anderes.«

      Wow. Ich kann mein Glück gar nicht fassen. Meine geplante Veröffentlichung bekommt eine Begleitmusik! Aber …

      »Aber was«, frage ich besorgt, «wenn dir meine Texte nicht zusagen?«

      Tycho verzieht keine Miene: »Wird nicht passieren. Ich les sie gar nicht, sondern guck nur, wie lang sie jeweils sind.« Er lässt sich nichts anmerken – außer einem kleinen Funkeln in seinen Augen, das mir verrät, dass er das wohl nicht ganz ernst meint.

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       18.11.2011

      Ich betrete den Korridor. An die Türen zu beiden Seiten sind kleine Bretter genagelt, in die jemand grob mit einem Messer Wörter geritzt hat: »Schlucht« lese ich auf einer, »Horn« auf der zweiten, »Siedebecken« auf der dritten und auf der vierten »Hohlraum«. Auch die Tür am Ende des Korridors ziert ein solches Brett. »Die Auserkorene« steht hier, und mit einem Mal breitet sich ein prickelndes Glücksgefühl in mir aus. Andreia! Ich hatte die Suche schon fast aufgegeben. Ein Zettel ist unter das Brett geklemmt. Sofort erkenne ich ihre schön geschwungene Handschrift. »Bin gleich zurück.« Das »gleich« ist durchgestrichen, und darüber steht nun »einst«. Egal. Ich werde warten. Bestimmt hat sie von ihrem Zimmer aus eine hübsche Aussicht.

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       20.11.2011

      Ich betrete den Korridor und öffne die Tür zum Wohnzimmer. Allerdings ist in diesem Zimmer nichts wirklich das, was es zu sein scheint.

      Die Tür zum Beispiel ist in Wirklichkeit ein Buch, das mit Schneemänner taugen selten zum Zigarettenanzünden betitelt ist. Der Sessel ist eine Politesse mit Namen Edna Gierke. Der andere Sessel ist ein Stuhl, der jedoch von der Familie immer ›der Hocker‹ genannt wird. Die Standuhr ist eine Vitrine für die Algenschnitzelsammlung des Patriarchen Wasmuth, der aussieht wie ein Lampenschirm, tatsächlich jedoch der Teppich des Raumes ist.

      Das Klavier ist strenggenommen ein Spinett der Firma Gellwiesen, die inzwischen in den USA unter dem Namen Bellowmeadow bekannt geworden ist für ihre exquisiten Bisquits. Die blaue Wandfarbe ist der Geruch von gekochtem Weißkohl, das Gemälde an der Wand ist ein Foto, das Mirna und Kätzchen zeigt und den Titel Frauen und Katzen zuerst trägt. Hab ich was vergessen? Ja, der Mann, der verloren im Zimmer steht, ist in der Tat der Gerichtsvollzieher, er heißt allerdings Herbert Brünnchen und ist durch den Lichtschalter hereingekommen, bei dem es sich um die Durchreiche zur Küche handelt.

      Das Wohnzimmer selbst, um auch das noch zu erwähnen, scheint zwar ein umbauter Raum zu sein, ist aber in Wahrheit ein Zeitungsartikel mit der reißerischen Schlagzeile ›Ganz Schwabingen trichinenverseucht?‹

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       24.11.2011

      Ich betrete den Korridor. Meine alten Gelenke schmerzen, aber ich lasse nicht darin nach, meinen täglichen Kontrollgang zu machen, durch den geheimen Korridor tief hinein in den Olymp, in dem sich eine verborgene Gewölbehalle befindet. Hier liegen, im siebentausendjährigen Schlaf, Elfen, Zwerge, Drachen, Wichtel, Trolle, Einhörner, der Vogel Rok, Zyklopen, Zentauren, Dschinns und Schutzengel. Sie warten hier die Herrschaft der Menschen ab, ungeschlachter, tumber, schwerfälliger Gestalten, die an der Oberfläche der Erde Unordnung machen und Unfrieden stiften.

      Manchmal schlägt eines der Alten Wesen die Augen auf und glaubt, schwer zu träumen. Ich setze mich dann dazu und singe eines der alten Wiegenlieder. Nicht mehr lange, und die Zeit der Menschen wird zu Ende gehen. Wenn sie fort sind und die rechtmäßigen Hüter der Erde sich den langen Schlaf aus den Augen gerieben haben, wird mein neuntes Leben sich endlich dem Ende zuneigen, und ich werde ein letztes Mal mit schmerzenden Pfoten durch den Korridor laufen, ihnen voran, um ihnen den versteckten Ausgang zu zeigen, von dem aus sie vom Olymp herabsteigen können.

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       25.11.2011

      Ich betrete den K… Wer war das?! Wer hat einen Eimer Wasser auf die angelehnte Tür gestellt? Wer wagt es, sich mit mir, dem Ungetüm, einen albernen Scherz wie diesen zu erlauben? Ich schüttle meine strähnige Mähne und brülle, dass es in den Gängen meines Palasts lange widerhallt. Ich finde euch! Niemand kennt das Labyrinth besser als ich, der Menschenfresser.

      [Weitere Variationen des Minotaurus-Mythos finden Sie im E-Book Korridorium – Mythenwege, Märchenpfade. Anm. d. Hrsg.]

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       28.11.2011

      Ich betrete den Korridor. Und, seltsam, aus irgendeinem Grunde steht mir plötzlich das Archetypische der Situation vor Augen – als würde ich mich und meine Situation von außen sehen:

      Ich – der selbstbewusste, reflektierende Mensch, das cartesianische, souveräne Ego, sich getrennt von der Welt fühlend und handelnd, sie reflektierend und pro-aktiv.

      Das Hineinkommen – als Geburtsvorgang und gleichzeitig willentliche Entscheidung für ein Vorankommen, für Fortschritt und Entwicklung. Mitschwingend hier der Erkenntnisdrang des Menschen, die Lust aufs Abenteuer, die unstillbare Neugier und der unerschrockene Forschergeist, der neue Räume durchmessen und den Herrschafts- und Wissensbereich ausdehnen will bis an die Grenze des Mach- und Denkbaren.

      Der Korridor – als Geburtskanal, Durchgangsstation, Lebensweg und Öffnung in die Möglichkeiten der Wahl: Türen zweigen ab und führen in neue Räume, neue Gänge, neue Räume, neue …

      Die Vision, die mich so überraschend und unwillkürlich übermannt hat, bricht ab. Ich stehe in einem Korridor. Er ist staubig, lieblos eingerichtet, schlecht gelüftet und düster. Auf einem Sims ein überquellender Aschenbecher. Es stinkt nach kaltem Rauch. Naserümpfend ergreife ich die Flucht.

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       4.12.2011

      Ich betrete den Korridor. Hier wollten wir uns treffen, wenn wir uns verlieren sollten. Und tatsächlich: Die Urne steht auf der Fensterbank.

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       6.12.2011

      Ich betrete den Korridor. Hier herrscht ein lustiges Treiben. Eine Frau in bunten, weiten Gewändern begrüßt mich lächelnd und mit einem Kuss auf die Stirn. Sie führt mich zu ihren Freunden, die mit ein paar Kindern um ein Feuer herumsitzen, singen, tanzen und Marshmallows braten. Ich gefalle offenbar noch weiteren Frauen aus der Gruppe. Sie betasten mich, schmiegen sich an mich und binden mir Blumen ins Haar. Als ich weitergehen will, zieht mich eine von ihnen zu Boden und bietet mir ein glimmendes Röllchen Papier an. Die Türen des Korridors – sehe ich nun – haben sie mit Fantasiewelten bemalt, mit Mandalas und Blumengirlanden.

      Ich habe meinem Volk versprochen, nicht eher in meiner Suche innezuhalten, als ich das Tjurunga wiedererlangt habe, ohne das unser Schamane machtlos ist. Dennoch: Kann ich nicht kurz verweilen, mich von den Strapazen der Wanderung erholen? Vielleicht sollte ich die Sprache dieses Volks erlernen und bei ihnen in Erfahrung bringen, was mich am Ende des Korridors erwartet – und hinter den vielen Türen, die sie seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten nicht mehr und womöglich nie geöffnet haben. Die fröhliche Stimmung dieser Menschen steckt mich an. Ja, ich bleibe: Ich nicke den Frauen zu und gebe ihnen zu verstehen, dass ich die freundliche Einladung annehme. Möglicherweise finde ich das Tjurunga ja hier bei ihnen. Mir wird ein wenig schwindlig von all den neuen Eindrücken. Der schwelende Papierstengel ist heruntergebrannt, und irgendwie weiß ich, dass der Rauch nie mehr bitter schmecken

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