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gerne: »Morris ist Morris.«

      »Bitte?«

      »Hab' ich mir einfach so gemerkt.«

      Mia, du lügst. Morris ist Morris, weil du ihn interessant findest.

      Carl holt mich auf den Planeten zurück: »Das ist dann aber keine Merktechnik, wenn Morris Morris ist.«

      Ich lenke ab: »Kommen wir zu den Frauen: Luzie hatte eine wirre Frisur, kommt aus meiner Lieblingsserie als Kind.«

      »Stopp, ich weiß es: Luzie, der Schrecken der Strasse.« (http://www.tv-kult.de/?tvdbid=393&title=Luzie-der-Schrecken-der-Strasse)

      »Auch deine Lieblingsserie?«

      »Leider war ich da schon in den Zwanzigern. Aber ich saß mit meinem Neffen vor der Glotze. Was für ein Seriending! Aus der Tschechoslowakei, so hieß das damals noch. Mein Neffe wollte in den Fernseher kriechen. Ganz nah bei Luzie sein.«

      Ich seufze: »Ging mir auch so.«

      Carl mahnt zur Eile: »Aber weiter: Was ist mit Elli?«

      »Sie steht auf einem Schiff, das über einen Berg gezogen wird.«

      »Bitte?«

      »Der Film heißt Fitzcarraldo (http://de.wikipedia.org/wiki/Fitzcarraldo). Es gibt doch eine Ella Fitzgerald? Aus Ella wird dann Elli.«

      »Ich komme langsam auf den Trichter. Sie könnte ja auch singend an Deck stehen? In meinem Alter könnte man Ella Fitzgerald auch noch live gehört haben. Summertime and the livin' is easy.«

      »Bingo.« Wieso sage ich Bingo? Das ist so was von peinlich.

      Carl ist es nicht peinlich: »Na, es geht doch. Ich bin lernfähig.«

      »Für einen Barkeeper wäre das doch eine klasse Geschäftsidee: Mit Mnemotechnik Säufernamen behalten.«

      »Langsam, langsam, Lady. Das hier sind keine Säufer.«

      »War nicht so gemeint.«

      »Entschuldigung angenommen. Nun zu dir: Wie merke ich mir Mia? Also ich schwanke zwischen ABBA ...«

      Ich stöhne innerlich auf: ABBA, so heißt die bescheuerte griechische Gruppe, von der die Musik in diesem Film stammt. Danke, Carl, das du mich an das unwichtigste Detail meines Namenslebens erinnert hast.

      »... und einer Band, deren Frontfrau dir leider gar nicht ähnlich sieht.«

      »Für was entscheidest du dich?«

      »Für die Schweden.«

      »Die Schweden, okay. Das ist jetzt mal eine Mnemotechnik: die Schweden.«

      »ABBA kommt aus Schweden.«

      Wenn das hier so weiter geht, lerne ich noch was fürs Leben, denn ABBA kommt aus Schweden (ist die Reim-Merk-Methode, das nur mal so ganz kurz).

      »Mamma Mia ist dann wohl dein Lieblingsfilm?«

      »Homosexuelle Stereotypen waren mein Promotionsthema. Kapitel eins: Der Grand Prix d'Eurovision, Kapitel zwei: Die Disco-Ära der 1970er-Jahre. Kapitel drei: Mamma mia.«

      »Dr. Carl, entschuldigen Sie meine Naivität im Umgang mit Homosexuellen.«

      »Soll ich mal Gedanken lesen: Du fühlst dich hier deshalb prima, weil ich schwul bin und nichts von dir will?«

      Ich habe »Bingo« schon auf den Lippen, ich nicke aber nur tapfer.

      »Und wenn ich gar nicht schwul bin?«

      »Dann wäre das ein ganz alter, billiger Anmachtrick, Null Prozent Erfolg bei mir, leider.«

      »Gut, dann bleiben wir bei schwul.«

      Carl ist groß, wollte ich Carl noch sagen. Er hat es wahrscheinlich sowieso schon geraten. Und sein C ist wie einer dieser hängenden Sitzkörbe aus den 1970er Jahren. Carl sitzt ganz entspannt drin und frönt seinen Tagträumen. Das kann ich gut sehen, das ist mal ein Bild.

      »Und Claire? Claire ist sowieso klar oder?«

      Jetzt verbeuge ICH mich. Vor seiner schnellen Auffassungsgabe: »Claire ist sowieso klar, claro.«

       Mittwoch

       Mias Arbeitskoje. Tag.

      Auf meinem Notebook gibt es zwei ultrawichtige Dokumente, zwischen denen ein ganzes Leben liegt. Mein Leben. Das Arbeitsleben eines vollen Jahres.

      Eins.docx ist gefühlt vor Lichtjahren entstanden. Die Videoaufzeichnung eines Gruppengesprächs in meinem Bewerbungs-Assessment. Schon dieses Wort ist zum Schreien und zum gleich weglaufen. Wer nicht schreit und nicht wegläuft, ist zumindest schon mal qualifiziert im Bewerbungs-Ass. (Ich darf noch bemerken, dass Ass für die, des englischen Mächtigen, schlicht und einfach Arsch heißt. Was die Verantwortlichen nicht davon abhält, es trotzdem so abzukürzen. Und den Teilnehmern eines solchen Bewerbungs-Ass viele Tritte in den selbigen zu verabreichen.)

      Ich sitze da also ganz brav auf meinem Hintern, höre zu, bringe mich ein. Es läuft prima, ich hangele mich von Qualifikationsplätzchen zu Qualifikationsplätzchen nach oben, Wunschjob am Ende der Leiter fest im Blick. Meine Ellenbogen sind ausgefahren, keiner kommt an mir vorbei, oben sehe ich den Hintern meiner Rivalin. Das Bewerbungs-Ass offenbart seine Bedeutung in voller Breite.

      Spiel, Satz und ... »Ausgezeichnet, Frau Schütz« ... Sieg.

      Es ist schon Wahnsinn, den Traumjob zu bekommen, weil man einen Satz richtig gesagt hat. Eine Woche später ging es los, einen Monat war es nur noch ein Job, ein Jahr später ist ein Alptraumjob.

      Das bringt uns zu Zwei.docx: Das Protokoll des Jahreszielgesprächs mit meinem Chef. Äh, mit meinem Teamleiter, wir »sind ja alle ein Team«. Gesamteinschätzung in aller Kürze: Frau Schütz erbringt Leistungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie erledigt Arbeiten im vorgegebenen Zeitplan. Wir wünschen uns zusätzliches Engagement im Rahmen von Überstunden und Eigeninitiative in der kreativen Arbeitszeitgestaltung.

      Wenn ich diese beiden Dokumente betrachte, wird mir klar: Es gibt kein zurück, ich muss da durch.

      Eine Untersuchung besagt, dass der Goldfisch sich nur die eine Runde im Glas merken kann. Sobald er in die nächste Runde startet, hat er die Runde davor schon wieder vergessen. Nur so kann der Fisch es wohl aushalten, immer dasselbe zu machen, so die Forscher.

      Ich wäre im Moment sehr gerne ein Goldfisch. Eine Runde im Glas ist eine Runde durch unsere Büroetage: Furchtbar wichtige Arbeitswütige an ihren furchtbar wichtigen Schreibtischen mit furchtbar wichtigen Computern und very important Gesichtsausdrücken. Novizen - wie ich damals vor einem Jahr.

      Karriere! Das Lieblings-Köderwort meines Vorgesetzten. Ich benutze mal dieses altmodische Wort, Vorgesetzter, weil es mich an ein Mittagessen bei meiner Oma erinnert. Das wurde mir vorgesetzt.

      Karriereentwicklung klingt bei uns so:

      Chef sagt: »Wenn Sie dranbleiben, machen Sie hier in sechs Monaten Karriere. Wir gründen extra die Abteilung Interne Kommunikation. Dann haben Sie gleich vier Mitarbeiter, die ihnen zuarbeiten.«

      Es vergehen Monat sieben, acht und neun.

      Chef sagt: »Wir sind dran. Ich hab' das schon nach oben durchgereicht.«

      Monat zehn, elf, zwölf.

      »Beim Vorstand wird es diskutiert. Gedulden Sie sich, es lohnt sich für Ihre Karriere.«

      Dreizehn, vierzehn und Tiefschlag meines Vorgesetzten in Form eines Jahresgespräches von exakt 23 Minuten Länge.

      Ich drehe mal vorsichtshalber noch eine Runde im Goldfischglas, vielleicht kann ich die Runde davor wieder vergessen. Ha, Mia, du bist reingelegt worden. Du bist leider kein Fisch mit ein-Runden-Memory,

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