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Semana Santa. Bernat Fabre
Читать онлайн.Название Semana Santa
Год выпуска 0
isbn 9783847645795
Автор произведения Bernat Fabre
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Ich könnte Dich in einen Teppich einwickeln und heraustragen.“ Sehr unauffällig, außerdem hätte man in der Badematte nicht mal eine Liliputanerin verstecken können. „Nein, besser – Du täuschst einen Herzanfall vor oder wir legen Feuer …“
Aus dem Umstand, dass Olga die Augen spektakulär zur Decke verdrehte und dabei vermutlich bei einer himmlischen Macht nachfragte, warum sie ihr geraden einen angetrunkenen Vollidioten als weißen Ritter geschickt hatte, gelangte ich zu dem Schluss, dass meine Fluchtplanvariationen wohl eher auf wenig Gegenliebe stießen.
„Nein, wir nehmen einfach den Hinterausgang.“
Klar, natürlich, das wäre auch eine Möglichkeit. Nun wagte ich aber einen Einwand.
„Mit Verlaub, Prinzessin, da ist doch bestimmt ein Haken dabei. Wer bewacht denn diesen Ausweg? King Kong, Godzilla, gibt es Fallgruben, wilde Tiere … gibt es vielleicht etwas, das ich wissen sollte?“
„Nein, es ist einfach das Klo. Aber es gibt ein Fenster auf halber Höhe und das führt in den Hof. Kein Problem.“
„Schön zu hören, aber wenn die Nummer so einfach ist, warum bist dann immer noch hier.“
„Zwei Gründe: wohin und womit.“
Das Problem wurde größer. Jan Castro befreit nicht nur versklavte Zwangsprostituierte, sondern steuert auch noch das Fluchtfahrzeug. Wahrscheinlich würde ich die Dame auch noch außer Landes bringen, mit einer neuen Identität ausstatten und mit einer hinreichenden Menge kleiner Dollarscheine versorgen müssen, damit sie ein neues Leben in Buenos Aires anfangen kann. Na ja, sage noch einer ich hätte an diesem Abend nichts zu erleben gehabt … Mein Name ist Bond, Jan Bond.
„Komm, wir müssen uns beeilen, Deine Zeit läuft bald ab.“
Wie wahr, wie wahr. Auf dem Flur herrschte rote Notstrombeleuchtung. Die Rummsmusik aus der Bar drang nur gedämpft hinüber. Auch unsere Subunternehmerin hatte sich zurückgezogen – ich hoffte nur, dass sie nicht gerade eine Zigarettenpause auf dem Klo einlegte. Aber die Luft war rein (na ja) und so hatte ich nach langer Zeit wieder einmal das Vergnügen, eine Damentoilette in weiblicher Begleitung aufzusuchen. Das Ergebnis war ähnlich akrobatisch wie in früheren Tagen, denn bumsen auf dem Klodeckel hat eigentlich nichts Romantisches. Meine Kletteraktion war eher nicht bühnenreif – es sei denn man schwärmt für Slapstick: mit Kopf und Händen voran und gekrönt durch einen Hundehaufen, in dem ich zielsicher meine Landung machte. Junge, dir klebt die Scheiße an den Fingern – wie wahr, wie wahr …
Entweder hatte Olga die Nummer schon ein paar Mal geübt, wahrscheinlicher war jedoch, dass ihr graziler Körperbau die Pluspunkte ausmachte, jedenfalls landete sie geschmeidig in den erwartungsvollen Armen ihres Ritters. Zu meiner großen Freude durfte ich dabei feststellen, dass das Manöver auch bei ihr Spuren hinterlassen hatte. Ein Träger ihres Kleides war abgerissen und gewährte nun Einblicke auf Dinge, von denen ich vor wenigen Minuten noch gehofft hatte, sie mehr als nur in Augenschein nehmen zu dürfen.
Während ich noch drüber nachdachte, wie man wohl die Redewendung „machen wir uns vom Acker, aber pronto“ in passendes Englisch übersetzen kann, hatte Olga schon resolut meine Hand ergriffen (gottlob die saubere) und zog uns aus dem Lichtkegel der altersschwachen Funzel, die den Hof des Sündenpfuhls mäßig erhellte.
„Wo steht Deine Karre?“
Nun war es endlich an mir, die Führung zu übernehmen. Also lotste ich uns zu meinem Hummer, den ich nach kurzer Panikattacke schließlich da fand, wo ich ihn abgestellt hatte. Bei dem Versuch, die Türen mit Hilfe der Fernbedienung zu öffnen, entglitten mir die Schlüssel, die ich erst aus einer benzintriefenden Pfütze fischen musste. Dieses kleine Missgeschick quittierte mein fahrbarer Untersatz damit, dass er statt die Schlösser zu entriegeln die Diebstahlsicherung aktivierte. Sollte es noch irgendjemand wegen akuter Schwerhörigkeit entgangen sein, dass sich gerade zwei Gestalten mitten in der Nacht hier in aller Heimlichkeit vom Ort des Geschehens entfernen wollten, dann musste uns dies den Rest gegeben haben. Dachte ich jedenfalls. Immerhin gelang es mir die Kiste gleich beim ersten Versuch zu starten, worauf die wohl versehentlich eingebaute Flugzeugturbine mit entsprechendem Gebrüll zum Leben erwachte. Vor Aufregung legte ich dann noch versehentlich den Rückwärtsgang ein und schoss ein paar Mülltonnen durch die Nacht. Kurz: abgesehen davon, dass ich nicht auch noch die Sirene eingeschaltet hatte, hatte ich nichts unversucht gelassen, um uns so auffällig wie möglich fort zu bringen. Wenn ich Olgas Blick richtig deutete, dann fragte sie sich wohl gerade, ob ich mit ihren Gefängniswärtern unter einer Decke steckte. Verleiden konnte ich ihr’s nicht.
Irgendwann und irgendwie gelang es mir dann doch, den Hummer vom Hof zu bugsieren und wollte gerade auf die Nationalstraße nach Figueres abbiegen, als mich meine charmante und bis dahin schweigsame Begleitung unmissverständlich zu einer Kursänderung bewegte.
„Wir fahren nach Llers.“
„Hallo, Augenblick mal, das ist um die Ecke, da können wir gleich hier bleiben. Ich dachte, Du willst so schnell wie möglich Abstand zwischen Dich und diesen Puff bringen. Dann ist das die falsche Richtung.“
„Ich muss noch meine Sachen holen.“
„He, falls Du ein Lieblingskuscheltier hast oder Deine Wimperntusche vermisst, dann vergiss es. Ich gebe jetzt Gas, denn ich habe das verdammte Gefühl, wir sollten hier ganz fix verschwinden.“
„Burro. Darum geht es nicht. Ich muss meine Lebensversicherung holen – ohne die kann auch gleich hier bleiben.“
Diesmal war es an mir, die oberen Instanzen anzurufen und zu fragen, was ich angestellt hatte, um dies hier zu verdienen. Das einzige Gute daran, ohnehin schon fast tot zu sein, ist, dass man sich nicht darum sorgt, ganz tot zu sein. Also tauchte ich in das Gewirr der Gassen von Llers ein. Zwischen alten Höfen mit Bruchsteinfassaden, aus denen Trompetenblumen und Bougainvilleas krochen, schmucken Neubauten reicher „Residentes“ und Wiesen tauchte schließlich ein Plattenbau auf, der selbst in der ehemaligen DDR noch eine goldene Zitrone für bemerkenswerte Hässlichkeit erhalten hätte – ohne Zweifel musste das unser Ziel sein.
„Halt an. Zwei Minuten - länger brauche ich nicht. Und wenn doch, solltest Du besser schnell abhauen.“
Und schon war Olga im schmutzigen Hauseingang verschwunden. Zwei Minuten. Welche Frau ist in der Lage, Ihre Habseligkeiten in zwei Minuten zusammen zu raffen? Was meinte sie überhaupt mit „Lebensversicherung“? Ich schaute abwechselnd aus dem Fenster und auf meine Uhr. Inzwischen würde man im Moonglow wohl festgestellt haben, dass man einer geschätzten Mitarbeiterin verlustig gegangen war. Was mochte das bedeuten? Würde nun die bewaffnete Kavallerie ausrücken? Durchkämmten Bluthunde die Umgebung? War die Autobahn gesperrt worden? Viele Fragen, aber keine Antwort. Die zwei Minuten waren längst verstrichen. Mir wurde allmählich mulmig. Mein schlechtes Bauchgefühl wurde auch sofort bestätigt, als im Grandhotel die Lichter angingen und laute Stimmen zu hören waren. Was hatte Olga gesagt, sollte ich tun, wenn sie nicht rechtzeitig zurück wäre? Motor starten, Gas geben, abhauen. Was hatte ich auch mit der Nutte zu tun? Das war jedenfalls mein erster – vernünftiger – Impuls. Allerdings ließ mein angeborener Ritterinstinkt diese Option nicht zu. Und da es mich ja ohnehin nur das Leben kosten konnte … ich glaube, das erwähnte ich schon.
Also murmelte ich mierda und legte die kurze Distanz zum Empfangsbereich der einladenden Nobelherberge im Schweinsgalopp zurück. Die Tür ließ sich widerspruchslos öffnen und lud zum Besuch des Treppenhauses ein. Dort verschlug es mir buchstäblich den Atem, denn allem Anschein nach diente es auch gleichzeitig als Kloake, was einen tief schürfenden Einblick in die sozialen Beziehungen der Belegschaft gewährte. So geräuschlos wie möglich arbeitete ich mich nach oben, bedacht darauf Exkrementen und Müll so gut es ging auszuweichen. Die Stimmen wurden lauter und