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Insbesondere wenn Hirn und Schwanz ausnahmsweise einer Meinung sind. Ich orderte ein weiteres Bier und ein Glas des Blubberwassers, das in spektakulärer Übertreibung als „Champagner Hausmarke“ bezeichnet wurde. So bewaffnet steuerte ich mein Zielobjekt an und fragte in meinem feinsten Britisch, ob sie Lust hätte mit mir ein Glas zu trinken.

      Nur sehr widerwillig konnte sich die Schöne der Nacht von ihrer Lektüre lösen und auch mein charmantes Lächeln führte offensichtlich nicht zu einer sofortigen positiven Antwort. Vielmehr rückte sie die schmale Lesebrille auf ihrer entzückenden Stupsnase zurecht und musterte mich aus ihren unergründlichen schwarzen Augen. Einen Augenblick konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, auf dem Seziertisch zu liegen. Immerhin schien ich schließlich doch Gnade gefunden zu haben, denn mit einer anmutigen Geste gebot mir die Prinzessin zu ihrer Rechten Platz zu nehmen. Es wurde Zeit für meinen Eröffnungszug.

      „Ich heiße Miles.“

      Glänzender Einstand, Phantasiefaktor bei mindestens 10 %. Meine Eltern haben mich übrigens auf den schönen Namen Jan getauft, aber aus irgendeinem dämlichen Grund hielt ich es für geschickter, an diesem Ort eine anonyme Persönlichkeit zu sein.

      „Olga.“

      Wir reichten uns artig die Hand, als hätten wir uns gerade in der Kongressbibliothek bei der Betrachtung der Unabhängigkeitserklärung kennen gelernt. Obschon Olga dort besser hingepasst hätte, als an diesen Ort. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht, volle Lippen und ein kleines Kreuz schmiegte sich in die Falte zwischen ihren Brüsten. Diese Frau war schön. Wie alt mochte sie sein? 30? 35? Jedenfalls deutlich älter und für mich deutlich attraktiver als der Kindergarten an der Bar.

      „Können wir uns auf Englisch unterhalten?“

      Mein Vater war gebürtiger Katalane, meine Mutter kam aus Amsterdam. Und nachdem ich einen guten Teil meiner Jugend in Barcelona verbracht hatte, ist mein Castellano eigentlich fließend, aber so einen Sprachvorteil gibt man ja nicht gerne gleich aus der Hand – oder?

      „Natürlich. Ich habe ein paar Jahre Englisch auf der Schule gehabt.“

      Es muss eine gute Schule gewesen sein, denn ihre Aussprache war ohne jenen süßen Akzent, den Slawinnen gewöhnlich an den Tag legen, wenn sie sich in fremden Sprachen versuchen.

      „Was machst Du hier?“

      Abermals packte ich ein Alter Ego aus, das ich für solche Gelegenheiten entwickelt hatte. Ich erzählte ihr, dass ich Art Director sei und das Lay-out für eine Reihe von Modezeitschriften mache. Das kommt immer gut an. Frauen mögen Männer, die sich mit Mode auskennen und trotzdem nicht schwul sind – auch wenn sich das erfahrungsgemäß häufig ausschließt. Ich beschrieb meinen Tagesablauf, den Stress mit Redakteuren, die nicht pünktlich ihre Arbeiten ablieferten, Photographen, denen die Kontaktabzüge verloren gegangen sind, Models, die herumzicken, weil der Schampus zwei Grad zu warm war – kurz: ich haute so richtig auf die Kacke. Tatsache ist, dass die Geschichten gar nicht weit von der Realität waren, schließlich hatte ich zwei Semester an der Designhochschule in Amsterdam studiert und in der Moderedaktion von Cosmopolitan volontiert. Wenn das keine gute Basis für einen kleinen Hochstapler ist.

      Wir machten noch ein wenig Small Talk, leerten die Gläser und ich ließ meine Hand testweise über ihre Schenkel streichen. Dann wurde es Zeit für die Fragen aller Fragen:

      „Was hältst Du davon, wenn wir es uns auf Deinem Zimmer etwas gemütlich machen?“

      „Warum nicht. Wie lange möchtest Du Dich denn verwöhnen lassen?“

      Die Stimme war ein Gurren, eine Verlockung. Hier wurden des Mannes Samenstränge unter vollständiger Umgehung sämtlicher noch funktionsfähigen Gehirnzellen unmittelbar angeregt. Wie viele Scheinchen dürfen´s denn sein? Ich stammelte etwas von einer dreiviertel Stunde und Olga nannte einen Preis, der für den Kauf eines Kleinwagens sicher angemessen gewesen wäre. Ohne Nachzudenken wechselten verschiedene größere Scheine ihren Besitzer. Mit einem Hüftschwung, wie ihn nur Frauen in hochhackigen Pumps zu Stande bringen, stöckelte Olga zur Bar und kehrte mit dem Schlüssel zum Paradies in der Hand zurück. Ihrem bezaubernden Lächeln hatte ich nichts mehr entgegenzusetzen und wahrscheinlich folgte ich ihr mit hechelnder Zunge, wie ein Schoßhündchen auf dem Weg zum Lieblingsknochen.

      Doch ganz so einfach sollte es nun doch nicht werden. Kaum hatten wir die Schleuse in den Bereich des Etablissements hinter uns gelassen, der den horizontalen Freuden vorbehalten war, war abermals Maut zu entrichten. Diesmal in Form eines Mütterchens aus dem fernen Russland, welches in Zellophan eingeschweißte Bettlaken und Handtücher anzubieten hatte. Olga übersetzte aus irgendeinem Transuraldialekt:

      „7 Euros“

      „He, ich dachte, das sei jetzt all-inclusive“ versuchte ich aufzubegehren.

      „Das war vor der Globalisierung, Schätzchen. Heute hat die Geschäftsleitung den Wäscheservice outgesourced. Subunternehmer, verstehst Du? Gib ihr zehn Euros, sie muss davon leben.“

      Widerstrebend wechselte erneut ein Schein seinen Besitzer. Mit einem weiteren hinreißendem Hüftschwung stöckelte meine Belle de Nuit den resopalgepflasterten Flur entlang und steuerte auf unser Liebesnest zu, das den verheißungsvollen Titel „Arte de Seducción“ trug, was wohl so viel wie Kunst der Verführung bedeuten sollte. Tatsächlich machte die Kemenate nicht einmal den erwarteten plüschig-muffigen Eindruck: stabiles Wasserbett, ein kleiner Jacuzzi in der Ecke, wenngleich die stattliche Kollektion von Dildos, Peitschen und Handschellen neben einem Andreaskreuz an der Wand vermuten ließ, dass das Türschild auf der Rückseite vermutlich noch die Aufschrift „Folterkammer“ aufwies und ein weiteres Arbeitsgebiet des Unternehmens abdeckte. Olga verriegelte die Tür und ich wollte mich sogleich an die Entriegelung ihres kleinen Schwarzen machen, da mein Vizepräsident schon zu voller Bedeutung angewachsen war, als sie sich abrupt umwandte und meine Hände ergriff. Jegliches Interesse, alle Verführung war aus ihrem Blick gewichen, stattdessen schauten mich zwei außerordentlich ernste schwarze Augen an. Mir schwante: das läuft anders als erwartet.

      „Ich brauche Deine Hilfe“

      „Oh, Schätzchen, ich bin sehr gerne hilfsbereit, wenn es darum geht, die Bedürfnisse einer schönen Frau zu befriedigen. Vielleicht fangen wir damit an, dass ich Dich aus Deinen Kleidern befreie …“

      Kläglicher Versuch, den Zug wieder auf das richtige Gleis zu setzen. Vor allem vollends vergebens und nicht mal komisch. Mit dem Blick den ich erntete hätte man eine Kompanie Zinnsoldaten schock­gefrieren können.

      „Burro! Könnt ihr Kerle mal mit etwas anderem als Eurem Schwanz denken? Ich meine es verdammt ernst. Ich stecke in der Scheiße – problemas enormes, comprendes? Du siehst ehrlicher aus als der Rest der Typen, die hier sonst abhängen und deshalb brauche ich Dich.“

      „He, das ist gut und schön, aber ich habe die 200 Piepen nicht für eine Samariternummer bezahlt.“ Witziges Wortspiel, wie geht denn diese Stellung?

      „Dein Geld bekommst du wieder, aber jetzt geht es um Leben und Tod und Du als echter caballero wirst doch eine hilflose Frau nicht schutzlos ihrem Schicksal überlassen? Du nicht, das sehe ich Dir an …“

      Schmollmund. Augenaufschlag, leichtes Vorbeugen, um den mehr als ansehnlichen Balkon ins rechte Licht zu rücken – großes Kino, Applaus für die Hauptdarstellerin. Hat diese Masche eigentlich in den letzten tausend Jahren einmal nicht funktioniert? Scheiße, keine Nummer. Geld futsch und dafür darf Jan Castro jetzt den Beschützer der Dirnen und Waisen geben. Na großartig.

      „Also gut. Wo ist das Problem?“

      „Ich muss hier raus.“

      „Definitiv kein Problem. Da ist die Tür, den Gang bis zum Ende, dann den Schildern „Exit“ folgern.“

      „Definitiv sehr wohl ein Problem, denn ich bin weder freiwillig hier, noch kann ich hier einfach heraus spazieren. Und ich muss hier weg!“

      „Hm, also einfach dieses gastliche Etablissements zu verlassen kommt bei der Geschäftsleitung eher schlecht an?“

      „So

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