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schenkte mir dafür aber ihr strahlendstes Lächeln, also fing ich an, unseren Fall der gestrengen Frau Major vorzutragen.

      „Es ist eine etwas verrückte Geschichte und Du musst mir versprechen, sie Dir wenigstens bis zum Ende anzuhören.“

      Miriam machte eine ungeduldige Handbewegung und ich holte tief Luft.

      „In den letzten vier Jahren hat es im Dorf Vilamaniscle 20 Todesfälle gegeben. Bei einer Einwohnerzahl von knapp 200 Seelen ist das ein ziemlich hoher Durchschnitt, vor allem wenn man bedenkt, dass die Menschen hier hart arbeiten, sich gesund ernähren und daher in der Regel steinalt werden. Nun, keiner dieser Fälle hatte an sich etwas Unnatürliches an sich. Auffällig ist jedoch, dass sich 12 dieser 20 Todesfälle in der Zeit um Ostern, d.h. jeweils zwischen dem 20. Februar und dem 20. April ereignet haben. Das ist eine Häufung, die deutlich außerhalb der Statistik ist. Montse und ich sind der Sache nachgegangen. In neun von diesen zwölf Fällen sind alleinstehende Frauen gestorben, die alle jenseits der 70, aber nach Aussage ihrer Verwandten kerngesund waren.

      Ich machte eine Kunstpause, die Miriam prompt nutzte, um mir in die Parade zu fahren.-

      „Jan, Ihr wollt mir jetzt aber keine Geschichte von einem Serienkiller im Alt Ampurdán auftischen, der arme Omas auf dem Lande dahin metzelt, oder?“

      „Claro que no!“ fuhr Montse verärgert dazwischen. Bevor meine temperamentvolle Freundin Schaden anrichten konnte, nahm ich den Faden rasch wieder auf.

      „Für ein Verbrechen gibt es in der Tat keinerlei Anzeichen. Allerdings haben unsere Recherchen ergeben, dass es zwischen den neun Todesfällen zwei Parallelen gibt.“

      „Und die wären?“ gab Miriam zweifelnd zurück.

      „Erstens: Alle diese Frauen sind einem Herzversagen erlegen, dem eine heftige Atemnot vorangegangen war.“

      „Hm. Und weiter?“

      „Alle Opfer lebten in Häusern, die einen direkten Zugang zum Onyer haben, dem kleinen Fluss, der das Dorf durchzieht.“

      „Das Argument mit der gleichen Todesursache kann ich ja zur Not noch nachvollziehen. Aber was soll es bedeuten, dass die Frauen alle am Fluss gewohnt haben? Genauso gut könnte man herausfinden, dass sie alle eine Vorliebe für Ziegenkäse hatten.“

      Gutes Argument, aber da konnte ich mithalten. Mit gebührendem Ernst in der Stimme entgegnete ich:

      „Wenn das der Fall gewesen wäre, hätten wir den Ziegenkäse untersucht. Aber hier war es eben ein anderes verbindendes Element.“

      „Wir vermuten“ schaltete sich Montse nun wieder ein, „dass sie ihr Trinkwasser aus dem Fluss geholt haben, um Geld zu sparen.“

      „Bueno. Auch meine Großmutter hat früher mit Wasser aus der Pumpe gekocht, aber das ist 30 Jahre her und damals war das Zeug, das aus der Leitung kam, oft rot vor Rost und stank nach Katzenpisse.“

      „Wir haben selbst gesehen, dass Leute Eimer an einer Leine aus dem Fenster werfen, um Flusswasser herauf zu holen.“

      „Gut“ seufzte Miriam ergeben „nehmen wir also für einen Moment an, dass das zutrifft. Wo führt uns das hin?“

      „Dass das Flusswasser eine giftige Substanz enthält, die Menschen insbesondere mit einer schwachen Konstitution umbringt. Das Toxin lähmt als erstes die Atmung und bringt dann das Herz zum Stillstand. Es hat Ähnlichkeiten mit einem Gift, das man auch bei verschiedenen Schlangen in Mittelamerika findet.“

      „Und wie erklärt Ihr Euch dann diese Häufung ausgerechnet im Frühling? Ein Gift, das sich nach den Jahreszeiten richtet? Wo gibt es denn so etwas?“

      „Nun, so ausgefallen ist das Ganze auch wieder nicht. Ich habe recherchiert, dass es in Afrika vor einigen Jahren ebenfalls mehrere epidemisch verlaufende Serien von Todesfällen gegeben hatte. Schließlich konnte man dies mit einer besonders heftigen Algenblüte in den Küstengebieten in Verbindung bringen. Bei Flut drang dann Meerwasser in die Süßwasserbrunnen ein und kontaminierte sie.“

      Miriam seufzte tief. „Jan, ich weiß nicht. Schlangen in Mittelamerika, Algenpest in Afrika. Das ist hier das Alt Ampurdán und ich kann immer noch keinen Zusammenhang erkennen.“

      Ich packte die Liste aus, die ich vorbereitet hatte, um unsere Diskussion auf eine etwas solidere Grundlage zu stellen.

      „Dann sieh Dir diese Tabelle einmal an.“

      Name Alter Todestag Durchschnittstemperatur (°C)

      Februar März April

      Pujol, Maria 72 14.2.2005 20 22 23

      Valdemosa, Núria 74 27.2.2005

      Fernat, Dolors 79 15.3.2006 15 20 22

      Ama, Concepción 91 17.3.2006

      Vargas, Ana 82 22.3.2006

      Lopez, Maria 84 29.3.2007 14 20 23

      Cruz, Filipa 79 2.4.2008 12 15 21

      Garol, Cecilia 86 8.4.2008

      Burgos, Mercedes 73 30.3.2009 14 19 22

      „Wir haben uns von der Wetterstation in Girona die Durchschnittstemperaturen der Monate Februar bis April aus den letzten Jahren besorgt und mit den Sterbedaten abgeglichen. In 2005 hatten wir zwei Todesfälle, nämlich am 14. und am 27. Februar. In diesem Jahr war der Februar ungewöhnlich warm. Im Gegensatz dazu war der Februar des folgenden Jahres kalt und der Frühling setzte erst im März ein. Alle drei Todesfälle dieses Jahres fallen genau in diese Zeit.“

      Miriam schüttelte verwirrt den Kopf.

      „Und wie, zum Teufel, soll die Temperatur etwas damit zu tun haben, dass das Flusswasser einmal giftig ist und dann wieder nicht? Wirkt das Toxin erst ab einer bestimmten Temperatur?“

      „Das hatten wir auch überlegt, aber dann müsste es auch über den Sommer hinweg Todesfälle gegeben habe. Wir glauben, dass die Ursache eine andere ist.“

      „Und die wäre?“

      „Die Schneeschmelze.“ antwortete Montse. „Wenn das Frühjahr beginnt und die Schneeschmelze in den Bergen einsetzt, beginnen die Flüsse Hochwasser zu führen. Nicht lange, nur eine oder zwei Wochen, manchmal auch nur wenige Tage. Selbst im Onyer kann man dann baden … und man kann Wasser schöpfen.“

      „Wenn unsere Vermutung richtig ist, Miriam, dann gibt es dort oben eine Giftquelle, die nur bei Hochwasser Toxine freisetzt. Das übrige Jahr, wenn Niedrigwasser herrscht, liegt die Quelle trocken und es kann nichts passieren.“

      „Aber wir haben jetzt April, es ist warm und wenn ich in die Berge schaue, sehe ich, dass sogar der Canigo schon wieder schneefrei ist. Also müsste es jetzt auch wieder Todesfälle gegeben haben … oder geben. In Eurer Liste findet sich aber für 2010 kein Eintrag.“

      „Gottseidank“ murmelte Montse finster.

      „Aber es hätte nicht viel gefehlt. Montses Neffe, Dani, hat in dieser Woche einen Atem- und Herzstillstand gehabt. Mit etwas weniger Glück wäre er der nächste Posten auf unserer Liste geworden. Gottseidank konnte er in der Klinik reanimiert werden.“

      „Dios! Das tut mir Leid für Deinen Neffen. Geht es ihm wieder besser“ fragte Miriam mit ehrlicher Anteilnahme, die nur zwischen Müttern aufkommt.“

      „Ja es geht ihm gut. Danke“ antwortete Montse etwas verlegen.

      „Bevor Du jetzt fragst, wo der Zusammenhang besteht: Dani hat am Tag zuvor mit seinen Freunden am Fluss gespielt, aber er war der einzige, der auch baden gegangen war.“

      Nachdenklich schenkte sich Miriam Creus noch ein Glas gut gekühlten Chardonnay ein. Sie spielte mit dem Glas in ihrer Hand und ihr abwesender Blick ließ darauf schließen, dass sich ihre Gedanken nun polizeilich korrekt und akademisch angemessen mit dem Problem befassten. Nach einer knappen Minute war die innere Diskussion abgeschlossen und Miriam wieder auf den Planeten Erde zurückgekehrt.

      „Also

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