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      Außerdem nimmt Stegbauer (vgl. ebd.) an, dass Kommunikation für die Beziehungspflege unabdingbar sei und es folglich zur Schwächung der Beziehung käme, wenn diese ausbleibe. Tatsächlich messen könne man Beziehungen jedoch nicht (vgl. ders., 2001: 159; vgl. ders., 2011: 123). Wohl aber lassen sich Beziehungen nach Granovetter (vgl. 1973), Burt (vgl. 1992), Krackhardt (vgl. 1992), Hansen (vgl. 1999), Bolten (vgl. 2014) und Stegbauer (vgl. 2001) vor allem hinsichtlich ihrer Intensität in „starke“ sowie „schwache“ Beziehungen und ihres Reziprozitätspotenzials unterscheiden (s. Tab. 1). Dazu weist Stegbauer (2011: 130) auf eine Beschränkung der Anzahl möglicher reziproker Beziehungen hin: „Wenn enge Beziehungen relativ intensiver Reziprozitätsketten bedürfen, dann ergibt sich daraus angesichts grundsätzlich eingeschränkter zeitlicher und kognitiver Ressourcen, dass die Individuen jeweils nur eine relativ geringe Zahl enger Beziehungen eingehen können.“ Eine Mischung von starken und schwachen Beziehungen stellt wiederum die Basis für Netzwerke dar (vgl. Bolten, 2014: 32).

      Entsprechend der Bedeutungsvarianten des Kulturbegriffs (vgl. Kap. 2.1.3.1) können nach Bolten (vgl. 2014) vier Gegenstandsbereiche unterschieden werden: Soziales, Selbst, natürliche Umwelt, Spirituelles. Die vier Reziprozitätsarten stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander. Bezugnehmend auf Stegbauers (vgl. 2001) Annahmen zu reziproken Beziehungen konkretisiert Bolten (2014: 24f) wie folgt: „Wie die ‚Zugkräfte’ der einzelnen Reziprozitätsdynamiken auf das Akteurshandeln Einfluss nehmen (und sich dadurch auch wieder verändern), ist kontextspezifisch und wird beispielsweise [...] durch Verschiebungen individueller/kollektiver Relevanzperspektiven begründet.”

      Auch Organisationskulturen werden durch Reziprozitätsdynamiken bzw. „Beziehungspflege“ bestimmt (vgl. ebd.). Diesen Transfer visualisiert Abb. 11: In Anlehnung an Abb. 10 sind in Abb. 11 wieder beispielhaft zwei individuell durch die Reziprozitätsdynamiken und die jeweilige Ortsgebundenheit beeinflusste Akteurskontexte zu sehen, die im Rahmen einer bestehenden Organisationskultur einen virtuellen Kontext teilen.

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      Abbildung 11: Einfluss der Reziprozitätsdynamiken auf die individuellen Handlungskontexte der Akteure

      Im Zentrum steht die „Reziprozität der Perspektive“ (auch „Perspektivenreziprozität{51}“, Stegbauer, 2011: 30), die impliziert, dass „die beteiligten Akteure in der Lage sind, die aus der Perspektive des anderen sich ergebenden Erwartungen zu erkennen“ (ebd.). Im organisationalen Kontext manifestiert diese sich in Zielvereinbarungen. Vor dem Hintergrund der „Multirelationalität“{52} (Bolten, 2015) geht auch Stegbauer (vgl. 2016: 211) davon aus, dass Organisationskulturen sich neben individuellen auch auf kollektiv verankertes Wissen und bspw. entsprechend gemeinsam geteilte Dokumente beziehen. Bolten (vgl. 2014: 35) gibt zu denken, dass Reziprozitätsdynamiken einerseits Strukturen schaffen, sie andererseits aber auch auflösen können. Dabei spielt die eingenommene Perspektive eine entscheidende Rolle, wobei auf einer Makroebene eher die Strukturiertheit einer Organisation und auf der Mikroebene vielmehr die Prozesshaftigkeit sichtbar wird (vgl. ebd.). Dies wirkt sich wiederum auf das Kulturverständnis aus, wie ders. (2017: 10) anmerkt:

      „Substanz- und kohärenzorientierte ‘Container’begriffe von Kultur implizieren eher strukturbezogene Sichtweisen, während Prozessorientierungen eher in offenen, kohäsions- und netzwerkgeleiteten Kulturverständnissen einen angemessenen Ausdruck finden.“

      Rathje (vgl. 2010) meint, sobald die Organisationskultur thematisiert wird, geht es zugleich auch um interkulturelle Organisationskultur.{53} In Bezug auf den Begriff der Interkulturalität haben sich die Definitionszuschreibungen im zeitlichen Verlauf gewandelt (vgl. u. a. Jammal, 2014 und Nguyen, 2016). Für das Erkenntnisinteresse dieser Studie erweist sich Boltens (vgl. 2010/2017) Ansatz als äußerst passend, der eine prozessorientierte Deutung vornimmt und unter Interkulturalität die Beziehungen und Interaktionen zwischen Akteuren versteht:

      „’Interkulturalität’ bezeichnet ein konkretes Interaktionsgeschehen – z.B. das zwischen zwei Personen A und B, deren Sozialisation in unterschiedlichen Lebenswelten (LA und LB) stattfindet. LA und LB (und hierunter sind Teamkulturen genauso zu verstehen wie Länder-oder Nationalkulturen) verfügen über eine mehr oder minder große Schnittmenge an gemeinsamen Codes und Bedeutungskonzepten.“ (Ders., 2010: 101)

      Kommunikationsprozesse prägen die Kultur einer Organisation, was auch die Inhalte sowie den Stil der Kommunikation betrifft (vgl. Bolten, 2014; vgl. Jetzke, 2015). Güldenberg & Meyer (2007: 456) meinen dementsprechend hierzu: „Organisationales Wissen [...] konstituiert sich in der Organisationskultur, in organisationalen Routinen, Infrastrukturen, Kommunikationen, Dokumentationen und letztendlich im Verhalten der Organisation.“

      Auch bei digitaler bzw. internetbasierter Kommunikation dominiert den Annahmen Höflich & Gebhardts (2001) zum Computer als „Beziehungsmedium“ zufolge die „normativ begründete Wechselseitigkeit, also die Erwartung, dass Rede und Gegenrede, Frage und Antwort zu einem fortgesetzten Dialog führen“ (Beck, 2014: 10). Bolten konstatiert 2008 (S. 23), dass es die Reziprozitätsbeziehung zwischen Akteuren und somit auch die Qualität der Zusammenarbeit grundsätzlich negativ beeinflussen würde, wenn primär virtuell anstatt persönlich, Face-to-Face, kommuniziert wird. Stegbauer (2011: 131) merkt drei Jahre später an: „Je geringer die Entfernung im sozialen Raum, je intensiver also die Beziehung, umso intensiver ist die Reziprozitätsbeziehung.“ Bruhn & Herbst (2016: 615f) stellen fest: „Die zentrale Schwäche der persönlichen Kommunikation ist [...] in dem hohen personellen und zeitlichen Ressourceneinsatz zu sehen, womit im Vergleich zu anderen Kommunikationsformen ein verhältnismäßig geringer Anteil der Anspruchsgruppe erreicht werden kann.“ Die Kommunikation im virtuellen Raum lässt sich inzwischen mittels verschiedenster Technologien gestaltet. Dies wirft die Frage auf, ob Social-Media-Anwendungen Reziprozität vermitteln und der an asynchronen Technologien bemängelten „Flüchtigkeit und Indirektheit“ (Stocker/Tochtermann, 2008: 62) entgegenwirken können.{54} Bevor dieser Frage in Kap. 2.2 nachgegangen wird, soll im nächsten Abschnitt zunächst dargelegt werden, weshalb die Beziehungen zwischen den kontextabhängig handelnden Akteuren deren wissensbasiertes Handeln maßgeblich prägen.

      2.1.3.2 Betrachtung des wissensbasierten Handelns der Akteure

      Im Anschluss an die Betrachtung der Akteursfelder eines Entwicklungsprojekts wird nun der Entscheidung gefolgt, den Fokus auf das wissensbasierte Handeln der an einer Entwicklungsmaßnahme beteiligten und im jeweils individuellen Handlungskontext agierenden Akteure zu richten.

      Laut Rasmussen (vgl. 1983: 258) ist das Handlungsziel in den Situationen, in denen wissensbasiert gehandelt wird, klar formuliert und beinhaltet eine Umweltanalyse entsprechend der übergeordneten Ziele des jeweils handelnden Akteurs. Die bisherigen theoretischen Ausführungen haben gezeigt, dass Entwicklungsprojekte, die nachhaltige Wirksamkeit als Handlungsziel definieren, dem Umgang mit und der Anwendung von projektspezifischem Wissen eine besondere Priorität einräumen sollten (vgl. Kap. 2.1.2). Dementsprechend betont Seibold (2014: 2): „The vision is a self-organised and connected peer-to-peer learning for sustainable human development worldwide, turning learning by sharing into a game changer in development cooperation.“ Ramalingam (2005: 8) beschreibt die Anfänge der „Knowledge for Development“-Bewegung,{55} initiiert durch den 1998 veröffentlichten World Development Report,{56} wie folgt: „Since the publication […] there has been a rapidly increasing emphasis on the knowledge and learning, leading to a renewed attention on both development processes and development organisations as essentially ‘knowledge-based’.“

      Dies wirft die Frage auf, „nach welchen Prinzipien [...] die optimale Organisation von Wissen{57} innerhalb einer Organisation (grundsätzlich) erfolgen sollte“ (Haas/Schwaab, 2013: 244). Ausgehend von der Annahme, dass Wissen sich erst manifestiert, wenn diesem ein bestimmter Kontext zugeordnet wird, grenzen North & Reinhardt{58} (vgl. 2005) Wissen zunächst von Daten und Informationen ab (s. Abb. 12).

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      Abbildung

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