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sich noch einmal umdrehte, um einen allerletzten Blick auf seine Mutter erhaschen zu können, bevor sich die Tür der Zeremonienhalle mit einem lauten Knall schließen würde.

      Erinnerungen

      Schweißgebadet schreckte Unycron hoch. „Mutter! Nein!“ „Ich bin nicht eure Mutter“, antwortete eine liebliche Stimme. Unycron blinzelte die letzten, schemenhaften Schatten hinfort und blickte durch den Raum. Eine junge, weibliche Gestalt, mit langen, schwarzen Haaren und nachtblauen Augen, gekleidet in eine schwarze, leicht durchsichtige Seidenrobe, saß am Rand seines Bettes und tupfte ihm die Schweißperlen von der Stirn. „Was ist passiert? Wo bin ich? Und wer seid ihr?“ „So viele Fragen, junger Herr. Ihr habt geträumt. Willkommen auf Dragmoon. Mein Name ist Shandira Insidior. Meine Brüder fanden euch vor zwei Wochen, schwer verletzt im Wald. Sie haben euch zu mir gebracht. Ihr wart lange Zeit bewusstlos. Ich habe gebetet und getan was in meiner Macht stand, um euch am Leben zu halten. Erstaunlicherweise habt ihr so gut wie keine Narben von euren schweren Verletzungen davongetragen“, antwortete sie mit einem Lächeln auf ihren Lippen. „Hier trinkt. Ihr seid noch sehr schwach. Ich werde euch etwas zu Essen bringen.“ Shandira stand auf. Ihr Gewand schmiegte sich eng an ihren Körper und gab dadurch den Blick auf einige tätowierte Stellen ihres verführerischen Körpers frei. An ihrem rechten Bein schlängelte sich ein Drache von der Wade, über den Oberschenkel, bis hin zum Steißbein. Auf ihren Schulterblättern konnte man die Züge von Drachentätowierungen, durch ihre dünne Robe, erahnen. Diese waren mit sonderbaren Runen umgeben und es hatte den Anschein, dass egal wie sie sich bewegte, die Drachen einen immer im Auge behielten. „Ruht euch noch etwas aus. Ich bin in wenigen Minuten zurück, junger Herr.“ Shandira drehte sich noch einmal kurz um und bedachte Unycron mit einem Lächeln, bevor sie den Raum verließ. Er musterte das leicht abgedunkelten Zimmer. Es war geräumig. Geschätzte dreißig Quadratmeter. Es hatte eine Tür zum Gang, ein Fenster und eine weitere Tür, die wahrscheinlich in ein angrenzendes Zimmer führte. Das Mauerwerk schien sehr stabil zu sein, fast so wie bei einer Burg, oder einer Festung. Für seine Größe war der Raum dennoch bescheiden eingerichtet. Ein einfaches, aber bequemes Bett, ein spärliches Regal mit Büchern und ein massiver, teilweise verspiegelter Eichenholzschrank. Zwei Stühle und ein kleiner Tisch, auf dem eine Waschschüssel und ein Krug mit Wasser standen. Mit gewaltiger Anstrengung und unter großen Schmerzen, zwang Unycron seinen geschwächten Körper in eine aufrechte Position. Nachdem er das vollbracht hatte, betrachtete er sich im Spiegel. Er war dunkelhaarig, blauäugig, durchtrainiert, geschätzte Anfang zwanzig und offensichtlich völlig verwirrt. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Zimmertür und Shandira betrat den Raum, mit einer großen Platte voller Speisen. „So. Hier bin ich wieder“, sagte sie. „Hier habe ich unseren hausgemachten Räucherspeck und leckeren Braten. Esst und stärkt euch, junger Herr.“ „Verzeiht mir bitte, dass ich mich euch nicht sofort vorgestellt habe“, entgegnete er. „Ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Ich glaube mein Name ist Unycron. So nannte mich jedenfalls die Frau in dem Traum, den ich vorhin hatte. Außerdem wollte ich mich bei euch bedanken, dass ihr mir das Leben gerettet habt.“ „Das habe ich doch gern getan“, bemerkte Shandira, als sie ihm etwas Brot reichte. „Hmm“, sagte sie. „Eins ist sicher, ihr war dem Tode so nahe, wie kein anderer. Ihr hattet sehr schwere Verletzungen. Einige gebrochene Rippen, mehrere tiefe und lebensbedrohliche Wunden. Ihr müsst anscheinend auch ganz schön was auf den Kopf bekommen haben. Vielleicht kann euch Pater Siegfried helfen, euch zu erinnern. Wenn Ihr es wünscht, werde ich ihn fragen, sobald er wieder hier ist.“ Unycron nickte und als er sich gestärkt hatte, räumte Shandira das Tablett zur Seite und lächelte. „Schlaft noch etwas. Wir werden in den nächsten Tagen noch viel Zeit zum Reden haben.“ Die folgenden Stunden verstrichen. Am Morgen des nächsten Tages, öffnete sich die Tür zu Unycrons Zimmer und Shandira trat erneut ein. Sie wurde von einem kleinen, alten, kahlköpfigen Mann, mit langen, weißem Bart und faltiger Haut begleitet. Seine Gestalt ließ erkennen, dass er offenbar sehr gerne aß. Der Alte trug eine schwere, schwarz-rote Robe, die mit diversen, altertümlichen Symbolen und Schriftzeichen bestickt war. Die Enden von zwei dicken Kordeln, die er offenbar als Gürtel verwendete, baumelten nur Zentimeter über dem Boden. In seiner rechten Hand hielt er einen fast zwei Meter hohen Priesterstab, dessen Ende eine kleine Drachenfigur umklammerte. „Seid gegrüßt. Ich bin Pater Siegfried“, sagte der alte Mann. „Shandira bat mich nach euch zu sehen, da ihr euch scheinbar nur noch an wenige Dinge erinnern könnt. Erzählt mir bitte, was genau ihr noch zu wissen glaubt. Danach werde ich tun, was ich kann, um euch zu helfen.“ Unycron nickte und erzählte dem Pater alles über den Traum den er gehabt hatte und dass er sich nur noch an die Geschehnisse nach seinem Erwachen erinnern konnte. „So!“, sagte der Pater. „Nachdem ihr mir nun alles erzählt habt, woran ihr euch erinnern könnt, werde ich euch kurz untersuchen. Natürlich nur, wenn ihr dazu bereit seid.“ Unycron nickte. „Nun gut dann entspannt euch bitte“, bat ihn der Alte. Unycron erwiderte: „Ich werde es versuchen.“ Pater Siegfried berührte mit seinen Händen Unycrons Schläfen und sprach mit leiser hypnotischer Stimme auf ihn ein. „Ich werde nun in euer Bewusstsein eindringen, um nach dem zu suchen, was ihr verloren habt. Entspannt euch. Ihr werdet fallen und ich werde euch bei der Reise, durch Raum und Zeit, leiten. Wir werden die Erinnerungen befreien und werden danach wissend zurückkehren. Entspannt euch. Ich werde nun von zehn rückwärts zählen und die Reise wird bei Null beginnen“, erklärte er.

      „Ich bin das Licht.

       Zehn – in tiefer Dunkelheit.

       Neun – ich bin der Wegweiser,

       Acht – auf der Reise,

       Sieben – durch Zeit und Raum.

       Sechs – auf dem Weg,

       Fünf – zur Quelle,

       Vier – eures Wissens,

       Drei – welches ihr verloren habt.

       Zwei – Ihr werdet es finden.

       Eins – um wissend und erleuchtet zurückzukehren.

      Null.

      Dunkelheit umgab Unycron, es war kalt, nass und es roch nach Fäkalien. Hinter ihm war der Lärm einer Schlacht zu vernehmen und vor ihm befand sich ein langer, endlos scheinender Tunnel, der ins Dunkle führte. Er war wieder ein kleiner Junge. Die Stimme des Paters drang durch seinen Kopf. „Gehe, zeige und finde. Bring mich zum Schlüssel deines Geistes. Ich bin dein Licht. Und ich führe dich aus der Finsternis. Geh schnell.“ Unycron zuckte zusammen, als er ein Quietschen und Knarzen hinter sich hörte. „Da drinnen ist er. Bringt mir den Jungen. Ich will ihn lebend haben.“ Lord Kolgors Stimme halte durch die Gänge, während einige Krieger das schwere Kanalgitter zur Seite schoben und anschließend mit ihren schwarzen, mannshohen, mutierten Höllenhunden den Tunnel betraten. Unycron lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinab, als seine Erinnerungen, wie Bruchstücke einer Mauer, aus seiner Seele gerissen wurden und sich vor seinem geistigen Auge, zu einer Einheit formten. Sein Herz pochte und von seiner Angst getrieben, rannte er so schnell in seine kleinen Füße trugen, in die Dunkelheit. Immer weiter, immer weiter. Er stolperte über Steine, durch seichtes, schlammiges Wasser und kletterte Vorsprünge empor, in der Hoffnung seine Verfolger abzuschütteln. Er war nur ein kleiner, ängstlicher Junge, der nun alles verloren hatte, was ihm lieb und teuer war. Unycron hatte nichts mehr, außer diesem kleinen Medaillon, das ihm seine Mutter noch zugeworfen hatte, bevor sie starb. Hinter sich konnte er die Bestien hören, die seine Fährte aufgenommen hatten und ihm folgten. Pures Adrenalin pumpte durch seine Adern und er rannte immer weiter ins Ungewisse. Meter für Meter, Sekunde für Sekunde, quälte er seinen kleinen Körper durch die Kanalisation, in der Hoffnung, irgendwo einen Ausweg zu finden. Seine Knie waren blutig und seine Kleidung zerfetzt. Aber das war ihm egal. Er wurde nur noch von einem Gedanken getrieben: „Du musst hier raus!“ Der Schein der Fackeln seiner Verfolger, kam immer näher, und das Heulen der Höllenhunde schien ihn zu lähmen. Seine Beine waren auf einmal schwer wie Blei

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