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Corona & Amore. Susanne Tammena
Читать онлайн.Название Corona & Amore
Год выпуска 0
isbn 9783753150741
Автор произведения Susanne Tammena
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Marit musste lachen.
„Stimmt. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.“
Anna nickte und Marit stelle sich wieder an ihre Staffelei.
*
Am Abend lag wieder eine lange Bestellliste aus der Konrad-Adenauer-Allee auf dem Tresen ihres Vaters und Anna hüpfte das Herz vor lauter Vorfreude, als sie die Kartons ins Auto stapelte. Doch außer ihrer Vorfreude hatte sich an ihrer abendlichen Routine kaum etwas geändert. Björn öffnete nach dem Klingeln sofort die Tür, als habe er dahinter bereits auf sie gewartet, ordentlich angezogen und mit Mundschutz vor dem Gesicht. Sie begrüßten sich durch den Doppelschlag aufs Herz und Anna holte die Kartons aus dem Auto. Nachdem er bezahlt hatte, blieb sie erwartungsvoll noch einen Moment stehen, doch ihm schien an diesem Tag nichts einfallen zu wollen, womit er sie hätte aufhalten können. Oder überhaupt müssen. Alles geschah mit einem neuen Einverständnis ihrerseits, einer Bereitschaft, ihm noch einige Augenblicke schenken zu wollen, die jede Form des Werbens überflüssig machte.
„Heute wollen alle wieder Pizza“, bemerkte sie dann etwas verlegen, „Schön.“
Björn nickte und unterdrückte einen Hustenanfall. Anna wartete ab.
„Der Chinese hat heute Ruhetag“, sagte er dann, anscheinend ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass sie den Satz als Abwertung ihres eigenen Essens auffassen könnte. Nach einer Pause fügte er jedoch hinzu:
„Aber ich hätte ja sowieso Pizza bestellt.“
Anna fühlte kurz ihr Herz hüpfen, doch die unbeschwerte Leichtigkeit, auf die sie gehofft hatte, stellte sich trotzdem nicht ein.
„Ein Ruhetag, unglaublich, welches Restaurant kann sich das denn zur Zeit leisten“, sagte sie dann und lächelte ihm noch einmal zu, bevor sie sich auf den Weg machte.
„Bis morgen!“, rief er ihr hinterher, nachdem er den Mundschutz vom Gesicht gezogen hatte, und Anna versuchte sich im Rückwärtsgehen seine Gesichtszüge einzuprägen, die sie immer nur verschwommen von ihrer ersten Begegnung vor Augen hatte. Doch wieder war es nur ein flüchtiges Bild, das sie für sich bewahren konnte, denn schon eine Sekunde später wandte er sich ab, weil ein Hustenanfall ihn schüttelte, und ihr Bemühen blieb fast ganz vergebens.
*
Obwohl sich alles fast genauso zugetragen hatte wie am Vortag, war Anna enttäuscht und froh als ihr Vater ihr bei ihrer Rückkehr verkündete, dass sie nicht noch eine Tour zu fahren habe. Sie nahm sich stattdessen eine Flasche Rotwein aus dem Restaurant mit in die Wohnung und setzte sich zu Marit ins Wohnzimmer, die ihr Blumenstillleben inzwischen beendet hatte und in kritischer Betrachtung auf dem Sofa saß.
„Bist du zufrieden?“, fragte Anna interessiert, doch anstelle einer Antwort rümpfte Marit nur leicht die Nase. Anna konnte nicht erkennen, was ihr missfiel, aber das war ihr bei den Werken ihrer Freundin schon häufiger so gegangen. Das Grau der Straße war eintönig, die Melancholie, die Marit damit wohl hatte ausdrücken wollen, fast schmerzhaft nachzuempfinden, und die gelben Blumensterne strahlten daraus hervor wie ein Versprechen auf Neuanfang.
Marits Art zu malen war weder besonders detailversessen noch naturgetreu, Stimmungen erzeugte sie meist durch Farbe, und erst in zweiter Linie durch Form. Auf diesem Werk fand Anna die Farben wohlgelungen und lobte das Ergebnis.
„Ich finde es gut.“
Doch Marit winkte ab.
„Es ist nicht das, was ich wollte.“
Sie zögerte einen Moment, bevor sie ihre Meinung genauer ausführte.
„Es sollte den Titel ‚Hoffnungsschimmer‘ tragen, verstehst du? Aber das hier ist ein Hoffnungsstrahl, oder noch besser: ein Hoffnungsflutlicht geworden. Viel zu eindeutig.“
Sie hatte kritisch die Augenbrauen zusammengezogen und Anna schwieg lieber. Ihr Geschmack war bei Marits Kunstprojekten noch nie besonders gefragt gewesen, und mehr als Geschmack hatte sie nicht anzubieten. Sie trank ihren Rotwein aus und spürte zufrieden, wie sich in ihrer Brust ein kalter Knoten löste. Auch Marit wollte anscheinend das Thema wechseln, sie drehte ihrem Bild entschlossen den Rücken zu und lächelte Anna an.
„Und wie geht es deinem Björn?“, fragte sie so direkt, dass Anna erst einmal nur mit den Schultern zucken konnte, bevor sie über eine Antwort nachgedacht hatte. Sie wollte Marit auf keinen Fall wieder unausgegorenes Gefühlsgewäsch präsentieren. Diese Erinnerung war ihr aus dem Gespräch am Nachmittag geblieben, obwohl das objektiv gesehen nicht der Wahrheit entsprach. Eine bedeutungsschwere Beschreibung des Verliebtseins waren vielmehr Marits Worte gewesen. Doch alles was ihre Freundin gesagt hatte, war ihr so treffend vorgekommen, von einer so tief empfundenen Weisheit, dass Anna sie für ihre eigene, Marit in den Mund gelegte Offenbarung gehalten hatte, eine Bloßstellung ihrer Seele, die im Moment des Überschwangs eine Befreiung gewesen und ihr doch in ihrer momentanen kleinlichen Enttäuschung schmerzhaft peinlich war.
„Ich glaube schlecht“, sagte sie daher vage, ohne ihre eigenen Gefühle zu erwähnen, „Er hustet schrecklich und hat schwarze Ringe unter den Augen, vielleicht hat er auch Fieber, mehr kann ich nicht sagen.“
„Also das, was man von einem Corona-Patienten erwartet“, antwortete Marit leicht spöttisch, „Und was mich eigentlich nicht so interessiert.“
„Du hast doch gefragt“, erwiderte Anna genervt, obwohl ihr in Wirklichkeit ein Kloß im Hals saß und sie am liebsten geweint hätte.
„Aber ich möchte natürlich wissen, ob er dir Komplimente gemacht hat oder Liebesschwüre oder einen Heiratsantrag, und ob du glücklich bist und Schmetterlinge im Bauch hast! Hältst du mich wirklich für so desinteressiert, dass du mich mit medizinischen Details abspeist?“
So sparsam Marit mit der Offenbarung ihrer eigenen Gefühle umging, schaffte sie es doch immer mit Leichtigkeit, Anna geradezu vorwurfsvoll genau dazu zu bewegen. Doch jetzt standen ihrer Freundin tatsächlich die Tränen in den Augen und sie schüttelte nur stumm den Kopf.
„Keine Liebesschwüre heute?“ fragte Marit daher mitleidig, und Anna schüttelte den Kopf,.
„Nicht einmal Komplimente?“, fragte Marit weiter und legte dabei ein wenig gespielte Empörung in ihre Stimme, so dass Anna gegen ihren Willen lachen musste.
„Ich bin einfach blöde“, gab sie dann zur Antwort, „Ich hatte mich so sehr auf die Begegnung gefreut und wahrscheinlich einfach zu viel erwartet. Aber was soll da schon passieren? Ich gebe ihm ein Paar Kartons, er mir ein paar Geldscheine und das war‘s.“
„Okay“, erwiderte Marit sachlich, „und wieso warst du dann gestern so schwer verliebt? Das kann ja nicht wirklich alles gewesen sein!“
Anna schloss die Augen und dachte nach. Nein, das war natürlich nicht alles gewesen. Aber der Rest war nur ein Lächeln, eine Geste und eine Rötung der Stirn gewesen, so flüchtige Kleinigkeiten, dass sie in eine hohle Hand gepasst hätten, nicht mehr als ein Gedanke, ein Traum, ein Sonnenstrahl. Anna seufzte.
„Dein Hoffnungsschimmer“, sagte sie dann leise, „müsste ein goldener Schein sein, gold oder orange, aber ganz zart.“
Marit drehte sich wieder zu ihrem Bild um und dachte nach. Es dauerte einen Moment, bis sie zustimmend nickte.
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