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dreinblickenden Blondine im Schlepptau. Diese Klientel hielt es scheinbar für unter ihrer Würde, auf einen Geschäftsführer oder Oberkellner zu warten, damit der ihnen einen Platz zuweisen konnte. Auch klar, dass für diese Herrschaften nur ein Tisch in der ersten Reihe infrage kam. Zielorientiert steuerten sie sofort die Tische am Wasser an, auf denen selbstverständlich bereits Reserviert-Schilder standen. „19 Uhr reserviert. Jetzt haben wir es 18.45 Uhr. Das schaffen wir locker“ ließ er die Dampfbluse neben ihm wissen. Nur weil diese protestierte, suchte er die halbe Terrasse ab, um einen freien Tisch zu ergattern. Mindestens drei Kellner standen in unmittelbarer Nähe und sahen dem Typen grinsend bei seiner Suche zu.

      Endlich hielt er es dann für ratsam, einen von uns nach einem freien Tisch zu fragen. Seine Wahl fiel auf mich. „Zwei“ nuschelte er Kaugummi kauend, ohne mich anzuschauen. Stattdessen blickte er an mir vorbei auf die Sommerterrasse und hob zwei Finger empor, für den Fall, dass ich Probleme mit der deutschen Sprache hätte. „Eins“ gab ich zurück und zuckte mit den Schultern. „Häh“ machte der Typ und anschließend etwas schroffer und fordernder: „Für zwei“. „Ganze Sätze vielleicht?“ knurrte ich. Zum Glück kam gerade unser Oberkellner um die Ecke, der sich dieses Patienten annahm. Auf dessen Forderung nach einem Platz am Wasser antwortete mein Vorgesetzter, dass es ihm leid tue, aber alle „Wasser-Tische“ seien bereits reserviert und die anderen leider auch.

      Da zu diesem Zeitpunkt die Terrasse noch nicht einmal zur Hälfte okkupiert war, weil die Rushhour erst gegen 19 Uhr begann, blickte der Typ auf die leeren Tische und knurrte: „Sie wollen mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass die Tische alle reserviert sind?“ Hier war von vorneherein eine sinnvolle Kommunikation unmöglich. Das sah auch unser Oberkellner so, der den Typen irgendwann offen aufforderte, doch bitte das Lokal zu verlassen und sein Glück woanders zu versuchen.

      Wutschnaubend zogen die beiden von dannen. Klar musste der Primat im Gehen noch mit einem Handstreich die Servietten von einem eingedeckten Tisch fegen. Kleinigkeit.

      Ich bin weiß Gott nicht auf den Mund gefallen, aber ein Mittagsgast schaffte es trotzdem, mich komplett sprachlos zu machen. Auch hier war die Sonnenterrasse an einem wunderschönen Sonntag Mittag komplett ausreserviert. Ein unscheinbarer Herr um die 50, seriös und gut gekleidet, bog um die Ecke und schaute sich nach einem freien Tisch um. Als er mich sah, trat er an mich heran, sah durch mich hindurch, als sei ich eine Glastür und fragte tonlos: „Geht was oder geht nichts?“ Ich hatte keine Ahnung, was das für eine Frage sein sollte und welche Antwort er erwartete. „Geht was oder geht nichts?“ wiederholte der Mann noch einmal, ohne jegliche Mimik. Weil mir nichts Besseres einfiel, ließ ich den sonderbaren Gast einfach stehen und schlich mich davon. Vielleicht auch nicht die feine Art, aber der Situation angemessen.

      An den Kellner heranzutreten und ohne Grußformel nach Toilette, freien Tischen oder sonst etwas zu fragen, scheint mittlerweile normal zu sein. Gerne kontere ich solchen Kunden sofort mit den Worten: „Guten Tag erst einmal oder?“ Meist sind sie dann ziemlich verdattert, schaffen es aber wenigstens, ihre Frage mit einem Tagesgruß einzuleiten. Die gute alte Tradition, als Nichtgast, die Örtlichkeit des Lokals aufzusuchen und nach dem großen oder kleinen Geschäft, 50 Cent auf den Tresen zu legen und sich für die WC-Benutzung zu bedanken, wird von immer weniger Menschen praktiziert.

      In der Regel halten Spaziergänger ein Restaurant-Abort für eine öffentliche Bedürfnisanstalt. Dass für den Betrieb auch Kosten für Wasser und Strom anfallen, scheint niemanden zu interessieren. Ignoranz und Egoismus in seiner Reinform.

      Hat zwischendurch doch mal wieder ein Besucher den Anstand, um Erlaubnis für die Toilettenbenutzung zu fragen, verspüre ich sogleich den Drang, ihm um den Hals zu fallen und dafür zu danken, dass es noch Menschen wie ihn gibt. Wenn Gastronomen sich für eine Selbstverständlichkeit bedanken müssen, dann scheint etwas faul zu sein im Staate Dänemark – und nicht nur in dem. Eine Bestellung aufzugeben, ohne die Bedienung anzuschauen, ist auch so eine Sache. Wobei ich in dieser Angelegenheit schon wieder ein gewisses Verständnis für den Gast aufbringe.

      Bedient mich bei meinen Restaurantbesuchen ein übernächtigter, schlecht rasierter Jungkellner, mit stecknadelkopfgroßen Pupillen, fällt es auch mir manchmal schwer, wohlgesonnen den Blick zu heben. Wer mit dem Handy in der einen Hand und der Speisekarte in der anderen nach der Servicekraft ruft, beweist gleich zwei Dinge. Erstens, dass er multitaskingfähig ist und zweitens in seiner Entwicklung zu einem zivilisierten Gast noch ein paar Hürden zu überspringen hat.

      Höflichkeit und Respekt fangen schon bei der Anrede an. Dass viele Menschen die korrekte Titulierung für weibliche und männliche Servicekräfte erst einmal im Restaurant-Knigge nachschlagen müssen, ist nur all zu verständlich. „Fräulein“ ist heutzutage verpönt und „Herr Ober“, so viel ich weiß, nicht mehr zeitgemäß, obwohl ich mich über eine solche Titulierung jederzeit freue. Mit den Fingern schnippen, nach der Bedienung zu pfeifen oder „Hey“ und „Hallo“ gehen gar nicht, scheinen aber selbst bei unter drei Bieren noch aktuell. Auch eine Anrede als „Meister“ oder „Chef“ halte ich persönlich für respektlos. „Sorry, ich bin nicht der Chef. Wenn Sie den sprechen möchten, das ist der Herr mit den kurzen Haaren und dem grauen Anzug dort vorne“ antworte ich gerne und ernte regelmäßig verständnislose Blicke.

      Ein einfaches „Entschuldigung bitte“ oder „Verzeihung“ reicht allemal, um die Aufmerksamkeit der Bedienung zu erlangen. Sollte diese nicht sofort reagieren, liegt es meist daran, dass die Kellner einen Gast nach dem anderen bedienen und nicht jenen mit der lautesten Stimme. Fachkräfte versuchen auf jeden Fall schon einmal, Blickkontakt zum Kunden aufzunehmen und ein kurzes Nicken anzudeuten. So weiß der Klient, dass er wahrgenommen wurde und bald an der Reihe ist, seine vielfältigen Wünsche loszuwerden.

      Immer mehr Gäste scheinen heutzutage unter chronischem Zeitdruck zu stehen. Dieses Phänomen wird immer offensichtlicher, und das nicht nur an den Wochenenden. Die Bedienungen können weiß Gott nichts dafür, dass sich die Herrschaften mal wieder viel zu viel aufgeladen haben an ihren freien Tagen. Einkaufen, Hausputz, Autowaschen und Bundesliga. Am Sonntag dann Besuch bei den Schwiegereltern, Skatabend mit Freunden, Steuererklärung usw. Für den Restaurantbesuch sind maximal zwei Stunden vorgesehen. Dummerweise rechnen alle anderen Gäste in dem gleichen Takt und erscheinen, so wie Sie, pünktlich um 13 Uhr im Lokal. In der Regel werden Sie Sonntagmittag keinen Schnellimbiss aufsuchen, sondern ein Lokal, deren Mitarbeiter versuchen, Ihre Wünsche so schnell und qualitativ hochwertig wie möglich zu erfüllen. Trotz allem kann und wird es zu Engpässen kommen. Vielleicht sind neue Mitarbeiter in Küche oder Service am Start, denen noch die Routine der Alteingesessenen fehlt. Möglich, dass in einem der Festsäle des Restaurants ein Bankett stattfindet. Dann gehen zunächst einmal 70 Hauptgänge über den Küchenpass, bevor die Herren Köche sich Ihren À-la-carte-Bestellungen widmen.

      Geduld ist das Stichwort, auch wenn es schwerfällt. Schauen Sie doch bitte einmal über den Tellerrand hinaus, zu unseren Freunden im Ausland! Haben Sie schon mal während Ihres Urlaubs in Spanien, Italien oder Griechenland darauf geachtet, mit welch einer Ruhe die Einheimischen im Lokal auftreten? Unaufgeregt, ohne auch nur die leiseste Spur von Hektik, warten die Gäste darauf, platziert zu werden und Essen und Getränke serviert zu bekommen. Keinesfalls setzt man sich dort einfach an einen schmutzigen Tisch, sondern wartet höflich, bis die Bedienungen abgeräumt und frisch eingedeckt haben. Ebenfalls verpönt ist das „Dazusetzen“ an einen bereits okkupierten Tisch, selbst wenn man die Platzhalter nett fragt. Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Leute sich an reservierte Plätze setzen wollten, deren Gäste noch nicht einmal eingetroffen waren. „Die werden schon nichts dagegen haben“ lautete dann die einfältige Logik der Kunden. Worauf ich dann entgegnete, dass wir doch bitte die Klienten selbst entscheiden lassen sollten, die diesen Tisch reserviert haben. Wer solche Kapriolen zustande bringt, von dem erwarte ich auch weder ein „Bitte“ oder „Danke“. Gäste, die wie selbstverständlich ihre Füße samt Schuhe auf dem Stuhl platzieren? Geht‘s noch? Klar sollt ihr euch wie zuhause fühlen, aber ein wenig Anstand sollte in einem öffentlichen Restaurant schon noch möglich sein. Mit der brennenden Zigarette über die Terrasse laufen und nach einem freien Tisch Ausschau halten? Absolutes No-Go.

      Die Restaurantschmuser, die aller Welt demonstrieren müssen, wie schrecklich lieb sie sich doch haben? Paare jeglichen Alters,

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