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war jetzt aber, dass auch die Augseeer Katzen bald auf die neuen Futterquellen aufmerksam wurden, die der Jakob rund ums Bahnwärterhäuschen angerichtet hatte. Das war den Ratten jedoch gar nicht recht. Und man glaubt es ja nicht, wie arm so eine Katze dran sein kann, wenn sie mit zornigen Ratten um deren Futter rauft. Da kam es dann schon mal vor, dass sich die Leute fragten, wo denn ihr Stubentiger plötzlich das Ohr oder gar die Nasenspitze verloren hätte. Weil den Ratten war das ja völlig wurscht, wie so eine Katze ohne Ohr oder ohne Nasenspitze ausschaute. Kampferprobte Katzen wiederum hatten bald einen rechten Spaß daran gefunden, die pelzigen Gefährten im heiteren Spiel zu blutigen Klumpen zu hauen. Verspeist hatten sie die Kadaver aber nicht, bevorzugten Gulasch und Krautwickerl als Mahlzeit.

      „Am Stammtisch, da sitzen ja die da, die da immer dasitzen!“

      „Wer ist jetzt er?“, fragte der Armlehner Bertl laut, als er beim Kirchenwirt den Jakob am Stammtisch sitzen sah.

      Der Bertl kam gerade vom Stockschießen und gesellte sich zu den Stammtischlern, unter denen heute auch der Jakob saß. Noch bevor er eine Antwort bekam, rief er dem Wirt zu:

      „Hast was zum Essen da, Fritz? Mich tät‘s recht hungern!“

      „Heiße Würstl kannst haben.“

      Beim Kirchenwirt in Augsee wird ja nur auf Bestellung gekocht, wenn‘s gar sein muss. Bei Vereinsversammlungen oder für eine Hochzeit oder auch für einen Leichenschmaus, wenn mal wieder einer im Friedhof nebenan eingezogen ist. Da gibt‘s dann Schweinsbraten, Schnitzel oder Ochsenfleisch oder so was eben. Aber sonst gibt‘s beim Kirchenwirt nur eine kleine Brotzeit. Oder eben gar nichts, wenn gerade nichts da ist.

      „Du immer mit deinen Würstln!“, meinte der Bertl mürrisch, bestellte aber mangels Alternative drei Paar davon zu seinem Bier.

      „Und? Wer bist jetzt du?“, wandte er sich dann dem Jakob zu.

      „Jakob! Der Jakob bin ich“, lächelte dieser ihm entgegen.

      „Wer bist?“, fragte der Bertl mit lauter Stimme nach.

      Der Armlehner Bertl, der spricht ja immer recht laut, auch wenn er sich gerade nicht aufregt, weil sonst würde er wegen seiner Schwerhörigkeit ja selber nicht hören, was er gerade sagt.

      „Jakob heiß‘ ich! Ich wohn‘ drunten im alten Bahnwärterhäusl“, prostete der Jakob dem Bertl zu und nahm einen großen Schluck aus seinem Weißbierglas.

      „Ja, der Jakob vom Bahnwärterhäusl ist er. Wie kommst jetzt du zu dem alten Bahnhäusl da drunten?“

      „Ich bin letztes Jahr hergezogen. Wie ich noch g‘arbeitet hab‘, da hab ich in Passau zur Miete g‘wohnt. Aber jetzt bin ich in Rente und da hab‘ ich mir halt das kleine Häusl hergerichtet.“

      Schaffner bei der Bahn wäre er gewesen, erklärte der Jakob etwas lauter, weil er gemerkt hatte, dass der Bertl sich immer weiter über den Tisch zu ihm herüberbeugte – mit dem linken Ohr voraus, weil das noch das bessere von den beiden war.

      Am Nebentisch saß die Trautmannsdorfer Marianne mit der Gaisbauer Getrud bei einem Glas Wein. Die Marianne war ganz froh, dass jetzt lauter gesprochen wurde am Stammtisch, denn ihr ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis brauchte ja regelmäßigen Nachschub an Neuigkeiten. Und im Vergleich zu so einem Stammtisch ist ja jede Nachrichtensendung im Fernsehen nur so spannend wie eine Maiandacht. Angeregt von den ersten Erkenntnissen über den Zugezogenen brachte sich die Marianne nun in die weitere Befragung des Jakobs ein und wandte sich mit drängender Stimme an den Nachbartisch:

      „Ja, da schau her! Im Bahnwärterhäusl wohnt er. Ja, jetzt kann man‘s wirklich wieder anschauen das alte Haus. Schaut gar recht nett aus jetzt.“

      Nachdem der Jakob sich zu ihr umgewandt hatte, meinte sie gleich weiter:

      „Aber ist ja schon ein bisserl klein, das Häusl, gell? Was sagt denn da die Frau dazu, zu dem kleinen Häuserl?“

      „Ich bin nicht verheiratet. Mich hat nie Eine heiraten mögen, weil ich als Schaffner immer so viel unterwegs g‘wesen bin, weißt eh!“, erklärte der Jakob lachend.

      „Ach, ganz alleine bist? Ja, wer kocht dir denn dann? Nicht, dass du uns da verhungerst in deinem Häusl! Bist eh ein bisserl mager“, scherzte die Marianne und stupste die alleinstehende Gaisbauer Gertrud an, die sich verlegen wegdrehte.

      „Geh, das mach‘ ich schon selber. Sonst wär‘ ich ja längst verhungert“, lachte der Jakob.

      „Marianne heiß‘ ich. Und du bist der Jakob, hab ich schon g‘hört, gell?“, reichte ihm die Marianne die Hand und schüttelte ihn heftig. Die Marianne ist ja ein recht ein g‘standenes Weibsbild, wie man so sagt, wenn es eine Dame von eher kräftiger Statur ist, die einen schüttelt.

      „Ja, schön, Marianne, dann Prost!“, meinte der Jakob, nachdem er seine Hand wieder zurück hatte.

      Die Marianne nippte an ihrem Wein und der Jakob leerte sein Bierglas. Dann sagte er:

      „Nein, wirklich, Marianne, brauchst nicht meinen, dass ich das nicht könnt‘. Ich mach‘ das recht gern, das Kochen. Musst einmal mein Gulasch probieren, da wirst schauen! Oder mein Lüngerl.“

      „Ach, da schau her!“, tat die Marianne überrascht und lachte, während die Gertrud mit gesenktem Kopf den Tisch ankicherte und ihre große Hornbrille etwas zurechtrückte.

      „He, Jakob. Kannst vielleicht gar schafkopfen?“, brachte sich der Bertl wieder mit unleiser Stimme ins Gespräch ein.

      „Ja freilich kann ich schafkopfen, Bertl!“

      „Ja, dann pack mas! Der Heini und der Franzl sind auch dabei, gell? ... Fritz, bring uns doch ein Packerl Karten!“

      „Manchmal, da mag‘s schon recht saudumm hergeh‘n, glaubst es!“

      „Was wird jetzt da der Bürgermeister dazu sagen?“, war es dem Jakob recht unangenehm, dass es wohl gar keine Ratten mehr gab, rund ums Bahnwärteranwesen. Die hätten sich bestimmt eine andere Unterkunft gesucht, vermutete er, weil ihnen die Kämpfe mit den vielen Katzen sicher schon recht lästig geworden wären. „So ein Ratz ist halt auch nur ein Mensch und will einfach seine Ruhe haben“, dachte er sich.

      Etwas ratlos stand er in seinem Gärtchen, mit einem geöffneten Einmachglas Lüngerl aus seinem Keller in der Hand und sah sich um, ob er nicht doch noch irgendwelche Spuren der pelzigen Nager entdecken könnte. Da näherte sich die Trautmannsdorfer Marianne, die gerade mit dem Zug aus Mühldorf angekommen war und beim Aussteigen den Jakob in seinem Garten entdeckt hatte.

      „Ja, schön, dass ich dich grad‘ treff‘, Jakob!“, begrüßte sie ihn am Gartenzaun und meinte sogleich zu ihm:

      „Du Jakob, du kennst doch bestimmt die Hinterholzer Elfriede, gell?“

      „Ja, ich weiß nicht so genau. ... Ich mein‘ eher nicht!“, war der Jakob ein wenig unsicher.

      „Man glaubt‘s ja nicht, was die für einen saudummen Unfall g‘habt hat, die Elfriede. Stell dir vor, der Max, ihr Mann, ist ihr über den Arm drüberg‘fahren! Mit dem Bulldog ist er ihr über den Arm drüberg‘fahren. Jetzt ist er natürlich hin, der Arm!“

      „Ja, um Gott‘s Willen, wie ist denn das passiert?“, fragte der Jakob entsetzt.

      „Beim Heueinfahren hat sich so ein Heuballen, ... weißt schon so ein runder, der ist ins Rollen gekommen und hat die Elfriede überrollt. Und dann wollt‘ der Max den Ballen aufhalten und ist ihm mit dem Bulldog rücklings entgegeng‘fahren und hat ihn dann zurückg‘schoben. Grad‘ wieder über die Elfriede drüber. Weil die ist ja noch ganz damisch dagelegen und deshalb hat sie der Max ja nicht g‘sehen. Ja, und wie er den Ballen dann zurückg‘rollt g‘habt hat, über die Elfriede drüber, da ist jetzt ihr Arm so saudumm rumgelegen, dass der Max ihn überfahr‘n hat, den Arm!“

      „Jessas, und wie geht‘s ihr denn jetzt, der Elfriede?“, fragte der Jakob mitfühlend.

      „Ja,

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